100.000 € für Geschenkpapier-Idee: Zwei Münchnerinnen landen Volltreffer bei "Die Höhle der Löwen"

München - Mit 4.000 Euro Startkapital haben sie 2019 ihre Zwei-Frau-Firma "Pápydo" gegründet. Da waren die Münchnerin Katharina Lehmkuhl und ihre Freundin Melusine Bliesener 22 Jahre alt und wollten ein Geschenkpapier auf den Markt bringen, das sich komplett müllfrei kompostieren lässt – einfach, weil sie es aus bayerischem Gras herstellen lassen.
"Pápydo": Geschenkpapier aus bayerischem Gras
Schon letztes Jahr vor Weihnachten war der Fanclub der Studentinnen so weit angewachsen, dass sie bis Heiligabend an die 25.000 Gras-Geschenkpapierrollen verkaufen konnten, nicht nur in ihrem Onlineshop, sondern auch in Münchner Geschäften (AZ berichtete).
Und jetzt? Starten sie so richtig durch: Wer am Montagabend auf Vox die TV-Erfinder-Show "Die Höhle der Löwen" gesehen hat, hat es mitbekommen: Die schwerreichen Unternehmer Carsten Maschmeyer und Judith Williams, beide Juroren in der Sendung, halten die "Pápydo"-Idee für so vielversprechend, dass sie 100.000 Euro in die Firma investieren – und sich dafür 12,5 Prozent Firmenanteile sichern.
Wie kams zum Gewinn?
AZ: Glückwunsch, Frau Lehmkuhl, Frau Bliesener, 100.000 Euro! Wie sicher waren Sie, dass Sie einem Löwen-Juror so viel Geld entlocken?
KATHARINA LEHMKUHL: Überhaupt nicht, wir waren irrsinnig aufgeregt. Wir hatten zur Vorbereitung ältere "Höhle der Löwen"-Shows angeschaut. Manche Ideen, die wir megacool fanden, sind durchgefallen, andere, die wir langweilig fanden, hat die Jury für gut befunden. Insofern: Es hätte auch sein können, dass die Jury bei uns lauter Nachteile sieht, auf die wir noch nicht gekommen sind. Dass wir total zerrissen werden und unsere Firma dann zumachen können.
"Wir haben die Aufregung in gute Laune verwandelt"
Dann ist das Gegenteil passiert. Was hat den Ausschlag gegeben?
MELUSINE BLIESENER: Das hat geklappt, weil wir die ganze Aufregung in gute Laune umgewandelt haben, schätze ich. Offenbar haben wir die ganze Zeit gestrahlt.
Obwohl die Stunden davor stressig waren, oder? Erzählen Sie mal.
LEHMKUHL: Die Zusage, dass wir zur Sendung eingeladen sind, kam erst zwei Wochen vor der Aufzeichnung im März. Wir hatten also fast keine Vorbereitungszeit. Dann sind wir mit 100 Meter Geschenkpapier in Rollen nach Köln gereist, um eine Bühnen-Weihnachtsdeko für uns zu basteln, es war ja klar, dass erst kurz vor Weihnachten ausgestrahlt wird.
Basteln? Sie haben das selber gemacht?
Ja. Die Produktionsfirma hat zwar einen Weihnachtsschlitten und viele, viele Schachteln besorgt, von Schuhschachtelgröße bis zum Umzugskarton. Aber wir beide haben alle Kisten zwei Tage lang vor der Aufzeichnung in unser Graspapier als Geschenk eingepackt, eigentlich bis zur letzten Sekunde, da gab es keine Pause. Dann: rein in die Maske und raus auf die Bühne.

Von einer Stunde Auftritt wurden 18min gesendet
Wie lang hatten Sie Zeit, sich da vor der Jury vorzustellen?
BLIESENER: Erklären mussten wir uns in drei Minuten. Auf der Bühne waren wir insgesamt eine Stunde, davon sind 18 Minuten gesendet worden.
Der schlimmste Moment?
LEHMKUHL: Das waren die Sekunden, in denen wir entscheiden mussten, wer von den fünf Juroren bei uns einsteigen soll. Der Wahnsinn ist ja, dass uns alle fünf Löwen ein Angebot gemacht und keine zehn Meter von uns entfernt auf unsere Entscheidung gewartet haben. Da waren wir etwas unter Strom.

Endlich größer denken: die Öko-Geschenkpapierfirma "Pápydo"
Sie haben sich dann für eine gemeinsame Investition von Carsten Maschmeyer und Judith Williams entschieden. Haben Sie die 100.000 Euro schon?
Ja, die lagen sehr schnell schon im Sommer auf unserem Geschäftskonto. So eine Zahl hatten wir da vorher nie gesehen, ein cooles Gefühl. Anfangs, bei unserem kleinen Startkapital, haben wir ja immer überlegen müssen, ob wir uns einen Flyer für 60 Euro leisten können. Oder ob wir einem Designer für ein neues Geschenkpapierdesign 1.000 Euro geben können.
Jetzt können Sie. Was verändert das?
BLIESENER: Es ist erstaunlich, wie schnell sich der Kopf an viel größere Summen gewöhnt, ehrlich.
Was tun mit 100.000 Euro?
Die Löwen-Summe ist also schon investiert?
LEHMKUHL: Ja. Wir konnten mit dem Lager endlich aus dem Keller von Melusines Eltern ausziehen und haben ein Lager mit Rampe für Lkw angemietet. Wir haben uns externe Hilfe für die Logistik und fürs Marketing geholt und die Webseite professioneller machen lassen.
Und der größte Batzen Geld?
Wir haben gerade eine Rechnung über 50.000 Euro für eine Teillieferung bei einem unserer Produzenten bezahlt. Jetzt liegen – statt sonst nur 20.000 oder 30.000 Rollen – an die 70.000 Geschenkpapierrollen im Lager bereit, fürs Weihnachtsgeschäft, damit wir schnell liefern können, wenn jetzt nach der Sendung die Bestellzahlen hochgehen.
Erste Designs von Mama
Die ersten Geschenkpapierdesigns hat letztes Jahr noch Melusines Mutter am Küchentisch gezeichnet. Wer macht das heute?
Wir beauftragen Aquarellkünstlerinnen und -künstler mit Kollektionen, es sind auch Leute aus Spanien, Dänemark und Portugal dabei. Viele finden wir über Instagram.
Logistisch sind es mindestens sechs Schritte, bis das Gras, das im Allgäu wächst, zu Zellstoff wird und dann als kompostierbares und naturbedrucktes Designpapier gerollt in einem Laden liegt.
BLIESENER: Stimmt. Die Lieferkette aufzubauen hat uns viel Recherche und noch mehr Zeit gekostet. Wir sind ja immer noch ein Zwei-Frau-Betrieb.
Wie viel Zeit stecken Sie beide in Ihre Firma?
LEHMKUHL: Seit Sommer nie unter 50 Stunden die Woche.
Vollzeit neben der Uni
Neben der Uni? Dabei stecken Sie doch gerade mitten in der Klausurenphase, oder nicht?
Doch, aber so ist das eben, wenn man etwas aufbauen will. Wir verzichten eben auf Schlaf und auf Serien-Sonntage im Bett – die klassischen Netflix-Marathons. Und für Melusine geht es auch nur mit viel Kaffee.
Eine halbe Million Euro Umsatz schaffen Sie dieses Jahr, wenn es gut läuft, darf man das laut sagen?
Klar. Und in fünf Jahren wollen wir aus der Start-up-Phase raus und ein gutes mittelständisches Unternehmen mit zehn Mitarbeitern sein.
Und dann?
BLIESENER: Und dann überlegen wir das nächste Projekt. Pápydo wird wahrscheinlich nicht das einzige bleiben, was wir machen. Ideen haben wir ja längst.