1000 Euro für den Tod eines Menschen

München - Diesen Monat wäre der Australier Justin B. 28 Jahre alt geworden. Doch anstatt mit seinem Sohn Geburtstag zu feiern, kämpft Vater Michael B. dafür, dass der Tod des jungen Maurers nicht „unter den Teppich gekehrt“ wird, wie er sagt.
Justin wurde nach einem Wiesn-Besuch von einem Münchner Taxler überfahren, der anschließend Fahrerflucht beging. Obwohl es dafür Zeugen gibt, wird sich der 25-Jährige wohl nicht vor Gericht verantworten müssen: Die Staatsanwaltschaft will es mit einem Strafbefehl über 1000 Euro und einem Monat Fahrverbot wegen fahrlässiger Tötung im Straßenverkehr bewenden lassen.
„Das ist unvorstellbar, ein Skandal“, sagt der Paderborner Rechtsanwalt der Familie, Manfred Claes.
Monatelang hat Justin B. für die Reise nach München gespart. Im Sommer 2014 ist es endlich so weit: Der junge Mann aus Brisbane fliegt zum „Beerfest“. Auf einem der letzten Fotos, das er seinen Eltern schickt, posiert er gut gelaunt mit Seppl-Hut und Karo-Hemd.
Am 24. September verlässt er gegen 23 Uhr die Theresienwiese. An der Fußgängerfurt der Kurt-Haertel-Passage überqueren zu diesem Zeitpunkt etliche Festbesucher die Bayerstraße. Zwei Pkw halten an. Die Fahrer warten, bis die Straße frei wird.
Ein Student am Steuer eines Taxis will nicht warten. Er drängelt sich an den geparkten Autos vorbei, gibt Gas – und überrollt den stark alkoholisierten Justin, der gerade auf die Straße gestolpert ist. Anstatt zu stoppen, fährt der Taxler weiter und stellt sich erst etwa zehn Minuten später der Polizei. Er will nichts von dem Unfall bemerkt haben. Justin B. stirbt im Krankenhaus.
Die Polizei ermittelt wegen fahrlässiger Tötung und Unfallflucht. Später streicht die Staatsanwaltschaft den zweiten Vorwurf. Jurist Manfred Claes kann darüber nur den Kopf schütteln. „In 30 Jahren als Anwalt für Verkehrsrecht habe ich so etwas noch nicht erlebt“, sagt er. Es gebe doch Zeugen für den Unfall. So habe einer der drei Fahrgäste den Taxler sofort darauf hingewiesen, dass er einen Menschen überrollt hat. Die Aussage sei Teil der Ermittlungsakte, sagt der Anwalt, der zudem weitere Unfallgutachten fordert. „Ich habe deshalb Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft eingelegt: Weil sie den Vorwurf der Fahrerflucht fallen gelassen hat.“
Besonders tragisch: Justins Vater war nach dem Tod des Sohnes nach München gereist um den Leichnam zu überführen. „Er hat darum gebeten, ihn über den Stand der Ermittlungen zu informieren“, sagt Claes. „Aber seit Dezember 2014 hat er nichts mehr von der Staatsanwaltschaft gehört.“ Erst auf Nachfrage des Anwalts erfuhr die Familie von dem Strafbefehl – und davon, dass es vermutlich keinen Prozess gegen den Unfallfahrer geben wird.
Dabei wäre es Michael B. unendlich wichtig, als Nebenkläger aufzutreten. „Er will dem Mann in die Augen sehen, der seinen Sohn überfahren hat“, sagt Manfred Claes. Eine Chance haben er und sein Mandant aber noch: Seit sechs Wochen liegt der Strafbefehl bei der zuständigen Amtsrichterin. Sie kann unterschreiben – oder eine Hauptverhandlung ansetzen.
Michael B. hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. „Ich will Gerechtigkeit für meinen Sohn“, sagt er traurig. „Auf Fahrerflucht steht in Australien Gefängnis.“