Zu Besuch bei Lord und Lady
Hartland Abbey - Schon die Anreise ist fürstlich. Am Tor zum Anwesen schiebt Jenny eine CD in die Stereoanlage ihres Vans und stellt den Ton lauter: Aus den Lautsprechern dröhnt „Land of Hope and Glory“, der mitreißende Marsch Nummer eins von Edward Elgar, den die Briten so lieben. Begeistert dreht sich Jenny um und sagt: „Das passt doch!“ Und in der Tat, mit den pompösen Klängen im Ohr taucht plötzlich das Schloss auf: Hartland Abbey. Eine ehrwürdige Schönheit, fein gealtert, mit Brüstungen und Zinnen, Erkern, und Bogenfenstern - der Familiensitz von Sir und Lady Stucley.
Das Auto bringt die ersten Gäste nach Hartland Abbey, die einmal im Jahr inmitten der antiken Möbel, Gemälde und Familienfotos bei den Stucleys wohnen dürfen. Die Idee hatte Jenny Curtis-Beard, die als Veranstalterin von Garten- und Wanderreisen mit ihren Gruppen schon seit vielen Jahren die Küste North Devons erkundet. Sie wollte eine „House Party“ nachempfinden wie sie Adelige Anfang des letzten Jahrhunderts auf ihren Herrensitzen für Freunde veranstalteten. Tagsüber mit einem Ausflugs- und Unterhaltungsprogramm, abends mit Gesprächen am Kamin und einem mehrgängigen Abendessen in den repräsentativen Gemächern.
Nach der ersten Begeisterung stehen die Neuankömmlinge noch etwas unentschlossen vor ihrem Märchenschloss. Wie verhält sich der normale Bürger angesichts solcher Pracht? Entspannt - wie Lady Angela, die jeden herzlich beim Vornamen nennt, in Jeans und alten Pullovern durch den Park wuselt und überall ganz selbstverständlich mit anpackt, sei es beim Unkrautjäten oder beim Zubereiten der Mahlzeiten. Um die ehrwürdigen Gemäuer erhalten zu können, haben sich die Besitzer des großen Anwesens schon seit Generationen immer wieder etwas einfallen lassen müssen. Die heutigen Stucleys, die mit ihren Kindern nur im Sommer ständig im Schloss leben, haben sich dazu entschlossen, Park und Gärten sowie die repräsentativen Räume für ein zahlendes Publikum zu öffnen.
Verschlungene Pfade und breite Wege
Lady Angela restaurierte mit ihrem Gärtner Nigel die vier viktorianischen Mauergärten und den Sumpfgarten, den die berühmte Gartenkünstlerin Gertrude Jekyll entwarf. Sie befreiten den Farngarten von wucherndem Unkraut und pflanzten zusätzliche Rhododendren, Azaleen und Kamelien, die im milden Meerklima üppig gedeihen. Die Besucher danken es mit großem Andrang und genießen die vielen lauschigen Ecken, die Pavillons und Sitzplätze, die überall zum Verweilen einladen. Verschlungene Pfade und breite Wege führen durch den Wald bis zum Strand der Stucleys, wo sich eine ehemalige Mühle aus dem 15. Jahrhundert in eine Mulde schmiegt.
Hier wurde der Film zu Rosamunde Pilchers „Die Muschelsucher“ und der BBC-Dreiteiler zu Jane Austens „Sense and Sensibility“ gedreht. Lady Angelas neuester Coup ist ein Raum mit einer spannenden Schau zum Leben des Ahnen William Stukeley (die Schreibweise des Namens hat sich im Laufe der Jahrhunderte geändert), einem Universalgelehrten und Archäologen, dem es zu verdanken ist, dass Stonehenge im 18. Jahrhundert nicht als Steinbruch endete. Nach der Teatime fahren die Autos und Busse ab. Bis 14 Uhr am nächsten Tag gehört das Schloss wieder den Hausherren und ihren Gästen.
Die beziehen staunend die Zimmer, die mit historischem Mobiliar ausgestattet sind. Kleine Abstriche in Sachen moderner Komfort werden durch offene Kamine, hohe Decken, Stuck und grandiose Ausblicke in den Park mit Pfauen wettgemacht. Zum Aperitif treffen sich dann alle fein herausgeputzt in der Bibliothek. Zwischen Büchern aus dem 16. Jahrhundert, kostbaren Gemälden und privaten Fotos gibt Jenny einen kleinen Gin-Tonic-Mixkurs. Der Hausherr heizt persönlich den Kamin ein und erzählt die Geschichte der Abtei und der Besitzerfamilien, deren wichtigste Vertreter auf Porträts zu sehen sind. Die Zeitreise geht zurück bis ins Jahr 1539, als das Kloster Hartland Abbey aufgelöst und an William Abott, den Kellermeister Heinrichs VIII., verschenkt wurde.
Margaret Thatcher zählte zu den Gästen
Der Gong ruft die Gäste zu Tisch. Der steht im prächtigen Dining Room und wurde für diese Runde auf sein Maximum von 20 Personen erweitert. Jenny platziert geschickt die Englisch sprechenden Gäste links und rechts von Sir Hugh und Lady Angela. Die plaudern entspannt und erzählen von ihren Kindern und Enkeln, von berühmten Gästen wie Prinzessin Victoria von Schweden, Prinz William, Margaret Thatcher oder Kaiser Haile Selassie von Äthiopien, die alle schon einmal an diesem Tisch saßen. Dass der Junggesellenabend des Prinzen auf Hartland Abbey stattfand und niemand etwas ahnte, weder die Paparazzi noch Haushälterin Carol, erfüllt Lady Angela noch immer mit diebischer Freude.
Fröhlich erzählt sie, wie Carols Mann damals in der Tür stand und fassungslos sagte: „Ho, da draußen ist Prinz William und fotografiert den Pfau!“ Gegenüber bei Sir Hugh sind die schwarzen Schafe das Thema, von denen es hier eine ganze Herde gibt. Wer morgens früh aufsteht, kann beobachten, wie der Baron in Overall und Gummistiefeln seine „Rasenmäher“ zusammentreibt. Die Gäste der House Party genießen, schauen und staunen in diesen fünf Tagen, in denen sich Hugh und Angela um ihr Wohlergehen kümmern, sie mitnehmen auf spontane Spaziergänge oder Pflanzen ausgraben als Souvenir.
Mit Jenny geht es jeden Tag zu einem besonders schönen Plätzchen in der atemberaubenden Küstenlandschaft und zu stimmungsvollen Gärten in der Nachbarschaft wie Docton Mill und Rosemoor. Am letzten Abend nimmt die Runde nach dem Essen nicht in der Bibliothek zum Tee Platz, sondern im Großen Salon. Wo tagsüber blaue Kordeln die Besucher von den kostbaren Eichenmöbeln fernhalten, dürfen die House-Party-Gäste noch einmal ihre besondere Position genießen. Am Ende der Reise gibt es wieder Musik. Dieses Mal setzt sich Jenny ans Klavier und singt zum Abschied ein Goodbye.
Anreise
Von London ist Hartland mit dem Zug in ca. 3,5 Stunden über Exeter und Barnstaple erreichbar. Mit dem Auto dauert die Fahrt aus Süddeutschland rund 14 Stunden. Bei der Organisation der Anreise ist Jenny Curtis- Beard behilflich, Infos auch unter www.hartlandabbey.com
Sonntag Aktuell Touristikpreis
Eine House Party im Schloss mit Garten- und Wandertouren bietet Jenny Curtis-Beard jedes Jahr einmal im Frühjahr an (voraussichtlich Mai 2015). Infos zur Hartland-Reise und zu Wanderungen in England, am Comer See und im Montafon unter www.curtisbeardwalks.com.
Hartland Abbey
Schloss und Park können bis 5. Oktober besucht werden. Das Haus mit Museum ist von 14 bis 17 Uhr geöffnet, die Gärten und Wanderwege von 11.30 bis 17 Uhr. Ein Führer durchs Haus ist auch auf Deutsch erhältlich. www.hartlandabbey.com