Wolfgangsee: Vom Himmel hoch
St. Gilgen - Unaufhörlich schweben die Flocken vom Himmel. Mal sind es winzige Sterne, dann wieder dicke, flaumige Batzen. Es schneit und schneit ohne Unterlass. Das Salzburger Land will in den weißen Massen versinken. Die Dächer der Stände auf dem Adventmarkt von St. Gilgen tragen dicke Schneehauben. Die Putten auf den barocken Malereien, mit denen die Hütten geschmückt sind, haben die rosa Bäckchen wie mit Puderzucker bestäubt. Glühwein und Punsch dampfen in Tassen. Ein Wetter wie gemacht für den Weihnachtsmann. Aber der hat hier Auftrittsverbot. Genauso wie bunte blinkende Lichterketten und süßliche „Jingle Bells“-Schnulzen.
Aus den Lautsprechern über dem Adventmarkt ertönt leise Zithermusik. Und an den Ständen wird angeboten, was das Alpenland an Wahrem, Schönem und Gutem zu bieten hat. Ischler Lebkuchen und Edelbrände. Holzschnitzereien und Wolldecken aus einer seit 1888 bestehenden Manufaktur. Kleine Sträuße aus Latschenkieferzweigen, Zimtstangen, Sternanis, deren Duft bis zum Frühjahr hält. „Advent wie damals“ wird versprochen - ohne Kitsch und mit nur ganz dezent inszeniertem Kommerz. Das Stichwort heißt Authentizität. Seit zehn Jahren wird der Wolfgangseer Advent gefeiert. Immer von Donnerstag bis Sonntag an den Wochenenden der Vorweihnachtszeit. Und danach, sozusagen als Verlängerung der besinnlichen Zeit, weiter als Silvestermarkt, bis das Jahr endet. Drei Orte sind dabei: St. Wolfgang, wo alles begonnen hat; St. Gilgen mit Mozarthaus und Museum; und Strobl, der kleinste der Schauplätze, die alle direkt am See liegen und mit einer Schifffahrtslinie verbunden sind, die für den Transport sorgt.
Jeder Ort will eine eigene „Handschrift“ zeigen
Dafür wurden die Dampfer extra mit einer Heizung nachgerüstet. Man will sich schließlich aufwärmen können, wenn das Boot über den winterlich silbriggrauen See zieht. Schon im dritten Jahr seines Bestehens wurde der Wolfgangseer Advent von zwei Zeitungen zum schönsten in ganz Österreich gewählt. Trotz der feierlichen Dreieinigkeit will jeder Ort eine eigene „Handschrift“ zeigen. St. Gilgen punktet mit allgegenwärtigen opulent-sinnenfrohen Dekorationen im Barockstil der Wiener Künstlerin Raja Schwahn-Reichmann. Und mit seinen überall präsenten roten Kerzen, gegossen aus Fieberglas und innen von Lichterketten erhellt. Die kleinsten sind nicht größer als ein Bierseidel, die größten etwa mannshoch. Sie stehen auch in den Fenstern, auf den Balkonen und vor den Türen fast jedes privaten Hauses und thronen im Doppelpack auf den Straßenlaternen.
Natürlich kann man sie auch auf dem Adventmarkt kaufen. Oder bei Annemarie Eisl, der Wirtin des Hotels Schernthaner und Obfrau des hiesigen Adventsgeschehens, die einem gern erzählt, wie es zu der einheitlichen Beleuchtung kam. Jedenfalls glimmt ganz St. Gilgen in Rot. Und in der Apotheke gibt es Weihrauch in „Pontifikalqualität“. St. Wolfgang, hinlänglich bekannt durch sein operettenseliges „Weißes Rössl“, verzaubert mit einer im See schwimmenden, fast 20 Meter hohen Laterne als Friedenslicht sowie mit mächtigen, von Engelsskulpturen getragenen Adventstoren und einem Künstlermarkt. Allerdings sind hier, im Epizentrum des Wolfgangseer Advents, vor allem an Wochenenden jede Menge Besucher unterwegs. Wer das Gedränge heimatlicher Weihnachtsmärkte satthat, ist in Strobl genau richtig. Nur 30 mit Holzschindeln gedeckte Hütten verteilen sich locker in den Straßen.
Bis zum Weihnachtsfest muss die Krippe ohne Jesuskind auskommen
Strobl versteht sich als Krippendorf. Im Gemeindesaal präsentierten die Grundschulkinder ihre Krippen aus Moos, Wurzeln und Steinen. In den Gassen stehen Stücke von Baumstämmen, die ausgehöhlt wurden und nun von der Heiligen Familie bewohnt werden. Eine gigantische Krippe mit lebensgroßen handgeschnitzten Figuren findet sich kurz vor dem mit Tannenbäumen dicht bestückten Riesenfloß am Seeufer. Bis zum Weihnachtsfest muss die Krippe ohne Jesuskind auskommen - es ist ja noch nicht geboren, also wird es auch noch nicht ausgestellt. Man hält hier viel auf die Tradition. Und weil man in einer katholischen Region lebt, will man ausdrücklich keinen Weihnachtsmann dabeihaben.
Santa Claus, im Nebenberuf als Ausfahrer für braune Brause und als Fassadenkletterer tätig, gehört einfach nicht hierher. Im Gegensatz zum Christkind, einer weitaus geheimnisvolleren und werbetechnisch sehr viel unschuldigeren Figur, die keinen Rentierschlitten benötigt, weil ja die Engelsflügel viel praktischer sind. Das Christkind zwängt sich auch nicht einbrechertechnisch durch Kamine, sondern schwebt still und sanft einher, unsichtbar und zauberhaft, wie Weihnachten ja sein soll. Zurück nach St. Gilgen, wo das weiße Gestöber sich inzwischen zu einem fauchenden Schneesturm entwickelt hat. „I’m Dreaming of a White Christmas“ muss hier nicht dudeln, denn weiße Weihnachten sind garantiert.
Weil aber der Flockentanz es gar zu toll treibt, flieht man in das nach Mozarts Schwester benannte Café Nannerl. Und während man versonnen bei Einspänner und Topfenstrudel sitzt, fällt der Blick auf die bunten Teller an der gegenüberliegenden Wand. Zwischen zwei Exemplaren mit der klaren Losung „Ich glaub’ ans Christkind“ hängt mittig ein rotbackiger Alter mit knapper Botschaft: „Ho, ho ho!“ Die Gattin des Kaffeehauswirtes sei aus Irland, erfährt man später. So hat er doch noch sein Plätzchen am Wolfgangsee gefunden, der Weihnachtsmann. Allerdings zwischen dem doppelten Bekenntnis zum Christuskind. Schwamm drüber, Ruhe jetzt und Friede auf Erden!
So wird das Reisewetter in Europa
Anreise
Per Pkw sind es von Stuttgart knapp 380 km, von Ludwigshafen 540 km. Mit der Bahn ab 29 Euro/Strecke. Von Salzburg fährt der Bus 150 nach St. Gilgen mit Anschluss an die Adventsschiffe.
Unterkunft
Hotel Schernthaner in St. Gilgen, gemütliches Drei-Sterne-Haus, wenige Schritte vom Adventmarkt, DZ mit Frühstück ab 94 Euro, www.hotel-schernthaner.at .
Wer es nobel liebt, geht ins legendäre Weiße Rössl in St. Wolfgang direkt an See und Markt, DZ mit Frühstück ab 214 Euro, www.weissesroessl.at .
Gasthof Weberhäusl in Strobl, gemütlich und traditionell, DZ mit Frühstück ab ca. 85 Euro, www.weberhaeusl.com
Adventsmärkte
Noch bis 22. Dezember jeweils donnerstags bis sonntags von 12 bis 19.30 Uhr. Dann weiter als Silvestermarkt vom 26. bis 31. 12, täglich von 14 bis 19 Uhr.
Allgemeine Informationen
Wolfgangsee Tourismus: www.wolfgangsee.at und www.wolfgangseer-advent.at
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