Wintersonnenwende auf Spitzbergen: Wenn die Sonne nie aufgeht

Viele Menschen leiden unter der Dunkelheit und den kurzen Tagen zur heutigen Wintersonnenwende. Auf Spitzbergen scheint wochenlang nur der Mond. Wie man die Polarnacht genießt.
von  Heidi Geyer
Influencerin Cecilia Blomdahl mit ihrem Hund Grim. Während der Polarnacht kann man auf Spitzbergen Nordlichter beobachten.
Influencerin Cecilia Blomdahl mit ihrem Hund Grim. Während der Polarnacht kann man auf Spitzbergen Nordlichter beobachten. © picture alliance/dpa/Cecilia Blomdahl

Spitzbergen - Man stelle sich vor, wie es dämmert und Nacht wird. Und die Sonne einfach gar nicht mehr aufgeht. Was nach einem düsteren Szenario nach dem Credo "Winter is coming" bei "Game of Thrones" klingt, ist für die Menschen auf Spitzbergen während der Polarnacht für fast drei Monate Realität.

Die Inseln des Archipels Svalbard gehören zu Norwegen, liegen in der Nähe des Nordpols und haben zwar Mitternachtssonne im Sommer - aber eben auch Wochen und Monate im Winter, in denen die Sonne überhaupt nicht aufgeht. Zweieinhalb Monate ist es komplett dunkel, in vier Monaten sieht man die Sonne nur ein kleines bisschen.

Im europäischen Winter kommt es zur Polarnacht am Nordpol.
Im europäischen Winter kommt es zur Polarnacht am Nordpol. © Grafik: RE

Warum tut man sich das an?

Die deutsche Meereswissenschaftlerin Katharina Beutner ist 2016 über ein Austauschprogramm ihrer Universität in Spitzbergen gelandet. "Ich bin damals am Flughafen angekommen und war schon verliebt in die Insel", erzählt Beutner der AZ. Sie hat sogar ihren Master auf der Insel gemacht und danach angefangen, dort in der Tourismusbranche zu arbeiten.

"Dunkelheit ist nicht so schlimm wie dauernd hell"

"Die erste Polarnacht habe ich gar nicht so richtig mitbekommen", sagt Beutner. Damals habe sie studiert, sei ohnehin viel drinnen gewesen und hochkonzentriert. "Das ist auch nicht anders wie in Deutschland, wenn man arbeitet: Man sitzt unter irgendwelchen Neonröhren und geht abends raus und es ist eben dunkel", sagt die 31-Jährige.

Dass sogar die Wimpern eisig sind, schreckt Katharina Beutner nicht ab.
Dass sogar die Wimpern eisig sind, schreckt Katharina Beutner nicht ab. © privat

Sie räumt aber auch Verständnis ein, dass das für viele Menschen undenkbar sei, monatelang in der Dunkelheit zu leben. "Man legt hier sehr viel wert auf Gemeinschaft. Wir machen zusammen Sport, spielen Brettspiele oder gehen Wandern. Dann ist es gar nicht so schlimm, dass es dunkel ist." Mit Stirnlampe ziehen sie und ihre Freunde oftmals los. Außer es ist Vollmond: "Dann ist es so hell, dass ich kein Licht brauche." Mit dabei ist zudem immer das Gewehr, um sich vor Eisbären schützen zu können. Denen ist auch Beutner schon öfter begegnet.

2,4 Millionen Follower wollen das Leben in der Polarnacht sehen

Die Influencerin Cecilia Blomdahl hat aus der Faszination vieler Menschen für die Polarnacht gar ein Geschäftsmodell gemacht. Auch sie lebt in der kleinen Gemeinde Svalbard. Auf Tiktok hat sie 2,4 Millionen Follower. Die gebürtige Schwedin ist vor sieben Jahren nach Spitzbergen gekommen. "Eigentlich wollte ich nur ein paar Monate bleiben", erzählt Blomdahl der AZ.

Tatsächlich kam sie Mitte November in dem abgeschiedenen Archipel an. "Genau dann, wenn es am dunkelsten ist. Man konnte gar nichts sehen", sagt die Influencerin. Ihr gefiel die gemütliche Stimmung im Ort und die Ruhe während der Polarnacht. "Es war einfach auch spannend, so etwas Extremes zu erleben und ich konnte es kaum erwarten, den Ort mal bei Vollmond richtig zu sehen." Noch heute ist sie fasziniert von der Polarnacht und sie vermutet, dass es ihren Followern ähnlich geht.

Polarnacht bedeutet Ruhe

Die Ruhe und Gemächlichkeit der Polarnacht genießen Blomdahl und Beutner. "Wenn ich nach Deutschland komme, um meine Eltern zu besuchen, ist das jedes Mal ein Schock", sagt die junge Deutsche. Sie räumt aber schon ein, dass sie während der Polarnacht einen geregelten Tagesablauf brauche. "Wenn ich mal zwei oder drei Tage frei habe, dann komme ich tatsächlich manchmal nicht vor zwölf aus dem Bett."

Im Sommer sei es das genaue Gegenteil, weil die Mitternachtssonne einfach so stark wach halte. Blomdahl findet sogar die Zeit der Mitternachtssonne viel schwieriger als die Polarnacht. "Bei einer Wanderung sind wir deshalb tatsächlich mal 40 Kilometer gelaufen", sagt Beutner. Doch sie weiß auch, dass nicht jeder mit der Polarnacht klar kommt. "Es gibt gerade bei den Studenten viele, die abbrechen." Wobei das auch mit der Kälte und der Abgeschiedenheit in Svalbard zu tun habe.

Der Umgang mit der Dunkelheit ist vor allem Einstellungssache, fand die amerikanische Forscherin und Journalistin Kari Leibowitz heraus. Sie lebte selbst lange Zeit im norwegischen Tromsø, das zwar keine Polarnacht hat, aber zumindest sehr kurze Tage.

Leibowitz wunderte sich, dass laut Studien weniger Menschen dort an saisonaler Depression im Winter litten als in ihrer amerikanischen Heimat. Leibowitz wollte wissen, woran es liegt, und forschte sogar für ihre Doktorarbeit an der Stanford University zu dem Thema. Die gute Nachricht: Es ist reine Einstellungssache. Wer den Winter zu schätzen weiß, wird von der Dunkelheit auch nicht depressiv, fand die Wissenschaftlerin heraus.

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