Wiens Zentralfriedhof und alle seine Toten
Die Wiener haben ein inniges Verhältnis zum Tod. An Allerheiligen geht es auf dem Zentralfriedhof zu, wie sonst nur am Prater-Ringelspiel.
Leicht, locker, luftdurchlässig: So muss die perfekte Friedhofserde beschaffen sein. Als die Stadt Wien 1863 einen neuen Gottesacker suchte, legte die Gemeinde Simmering die passendste Bodenprobe vor und bekam den Zuschlag - der berühmte Zentralfriedhof entstand vor den Toren der Stadt. Mit drei Millionen Toten ist er der größte Europas.
Doch längst nicht alle 330000 Grabstätten werden noch gepflegt. So sind auf dem Alten Jüdischen Friedhof seit 1918 nur noch einige Ehrengräber hinzugekommen. "Der Bereich ist ein Naturrefugium für Rehe, Hasen und Fasane - im Winter knabbern sie den Efeu von den Gräbern", erzählt Stadtführerin Gabriele Buchas. Für sie ist der 250 Hektar große Friedhof, der eher einen großzügigen Park gleicht, auch ein Naturrefugium, "in dem man tagelang unterwegs sein kann".
Zum Vergnügen auf den Friedhof?
Tatsächlich haben die Wiener ein unverkrampftes Verhältnis zum Tod, Allerseelen und Allerheiligen gelten gar als heimliche Staatsfeiertage. Man wirft sich in Schale, trifft Bekannte und der Friedhofseingang gleicht einem Marktplatz.
Seit jeher fühlt sich die Alpenrepublik auch einer besonderen Begräbniskultur verpflichtet: "A schöne Leich" mit Pomp und Gepränge ist den Wienern wichtig. Kein Wunder, dass sich die Idee Kaiser Josephs II. nicht durchsetzen konnte: Er wollte einen mehrfach verwendbaren, klappbaren Sparsargs einführen.
Typisch Wien: Ein eigenes Museum widmet sich solch seltsamen Ideen und anderen Gebräuchen wie etwa dem Totenwecker - eine Schnur, die mit einem Glöckchen verbunden war, mit der sich versehentlich begrabene Scheintote bemerkbar machen konnten. "Heute wird manchmal ein Handy mit in den Sarg gelegt", weiß Buchas.
Ganzjährig ein Top-Spot der Donau-Metropole
Der Zentralfriedhof zählt zu jeder Jahreszeit zu den Hauptsehenswürdigkeiten Wiens. Immerhin sind hier jede Menge berühmte Persönlichkeiten begraben. In illustrer Runde gruppieren sich die Grabmäler von Ludwig van Beethoven, Johann Strauß Sohn, Franz Schubert und Mozart um ein Jasmingebüsch, Johann Strauß' Vater ruht um die Ecke. Die Stadt lässt sich den Tod etwas kosten: Für 350 Ehrengräber wird die Pflege bezahlt, daneben bestehen noch 600 "ehrenhalber gewidmete" Grabstätten.
Neben Obelisken, Engeln und Schwänen gibt es auch Modernes zu bewundern: In der Gruppe 31/B hat Bildhauer Alfred Hrdlicka einen "Liebesakt mit dem Tod" gestaltet, die Grabstätte des Komponisten Arnold Schönberg ziert ein schiefer Kubus. Im Trend liegt jedoch die schlichte Bepflanzung eines Grabes mit Gras zu liegen - zweckmäßig und leicht zu pflegen, das Rasenmähen übernehmen die Friedhofsgärtnereien.
Die protzigsten Gräber leisteten sich die kommunalen Politiker des 19. Jahrhunderts. Buchas kommentiert dazu: "Nicht im Tod sind alle Wiener gleich, sondern erst unter der Erde." Das meistbesuchte Grab auf dem Zentralfriedhof ist ihrer Einschätzung nach das von Hans Hölzel, besser unter seinem Künstlernamen Falco bekannt. Eine verwegene Glasplatte, die seinen abstürzenden Stern symbolisieren soll, wird von seinem Konterfei und seinen größten Hits geziert, dahinter steht ein Obelisk.
Übrigens: Wer auch nur einen Teil des Zentralfriedhofs erkunden möchte, der muss Zeit und Kondition mitbringen - oder den Bus nehmen. Die Linie 106 verkehrt innerhalb des Areals zwischen neun und 15.30 Uhr im Halbstundentakt.
Sibylle von Kamptz
Service Zentralfriedhof
Geführte Touren: Stadtspaziergang "Verkauft's mein G'wand, ich fahr' in Himmel - der Wiener Zentralfriedhof" Samstag um 14 Uhr, 14 Euro pro Person, Termine unter www.wienguide.at.
Unter www.friedhoefewien.at kann man auf allen 48 Wiener Friedhöfen nach Prominentengräbern suchen.
Bestattungsmuseum: Goldeggasse 19, A-1041 Wien, Telefon 0043/1/501950, www.bestattungsmuseum.at. Geöffnet Montag bis Freitag zwölf bis 15 Uhr, Besichtigung nur mit Führung und Voranmeldung.
Allgemeine Auskünfte: Wien-Hotels & Info, Telefon 0043/1/24555, Fax 24555666, www.wien.info.