Wie einst im Stall von Bethlehem

Es ist die Atmosphäre der Stille, die auf der Wanderung zum Eremitenkloster Betlem im einsamen Norden der Insel so begeistert.
von  Abendzeitung
Wanderer auf dem Weg zum Kloster, Foto: Heidi Siefert
Wanderer auf dem Weg zum Kloster, Foto: Heidi Siefert © srt

Mallorca - Es ist die Atmosphäre der Stille, die auf der Wanderung zum Eremitenkloster Betlem im einsamen Norden der Insel so begeistert.

Seit Tagen haben wir gescherzt, "Weihnachten gehen wir nach Bethlehem", und nun stehen wir vor einer langen Allee und fühlen ein feierliches Kribbeln in der Magengegend. Am Ende des Weges liegt eine knapp 200 Jahre alte Eremitage, ganz ruhig und verlassen an diesem Sonntag im Advent – im Norden Mallorcas.

Unvermittelt taucht die Ermita de Betlem im Blickfeld auf

Ein paar Stunden Fußmarsch haben wir hinter uns. Kniehohe Palmen haben an den Beinen manchen Kratzer hinterlassen. Aber das war ein geringer Preis verglichen mit der Sonne und Wärme, die wir auf der Baleareninsel genießen, während sich in Deutschland die Temperaturen um den Gefrierpunkt eingependelt haben. Vom neun Kilometer entfernten Artá sind wir herauf gekommen durch Orangenhaine und über sanfte Hügel. Mit Blick auf die Bucht von Alcúdia, weit unten, schlängelte sich der Weg unter überhängenden Felsen eng am Hang entlang. Bis unvermittelt die Ermita de Betlem im Blickfeld auftauchte.

1805 wurde sie auf Bestreben des Erzbischofs von Palma erbaut, weil einige mallorquinische Eremiten nicht länger als Bettelmönche von Haus zu Haus gehen, sondern sich ganz auf die Suche nach Gott konzentrieren wollten. Doch das Anwesen, das den fünf Mönchen aus Trinidad und Sant Honorat gegeben wurde, war ärmlich. Ein verfallenes Landgut, in dessen altem Stall sie ihre ersten Gottesdienste feierten. Einfach aber glücklich, eine neue Heimat gefunden zu haben. Das Szenarium erinnerte das Quintett an die biblische Geschichte und verhalf so der Klause zu ihrem Namen: Bethlehem, Betlem.

Einst war das Kloster ein gut besuchter Wallfahrtsort

"Heute ist Betlem eine von mehr als 70 Einsiedeleien und Klöstern auf der Insel", erklärt der alte Mann, der am Eingang zur Kirche Kerzen, Gebetszettel und allerlei Devotionalien verkauft. Er erzählt von den Zeiten, als der mittlerweile zu veritabler Größe angewachsene Klosterkomplex ein gut besuchter Wallfahrtsort war. Inzwischen ist es wieder ruhig. Auch auf dem großen Picknickplatz, an dem wir unsere Brotzeit genießen. Nur das Plätschern der Quelle Font de S’Ermita ist zu hören. Sonst ist es ganz still, fast feierlich.

Drinnen in der Wallfahrtskirche beeindruckt die Kuppel mit ihren Fresken. Und darunter die edel gewandete Holzfigur Sant Crist, ein Geschenk der Kapuziner aus Palma, die vor allem in der Adventszeit häufig von Besuchern bestaunt wird. "Hierher kommen Leute, die die Einsamkeit suchen", erklärt der alte Mann am Eingang und schickt uns in die benachbarte Chiesa del Castillo, deren lebende Krippe er selbst für viel spannender hält, als die Beschaulichkeit von Betlem.

Kontrastprogramm in Palma

Das Kontrastprogramm liefert Palma, über deren Innenstadt sich die leuchtende Weihnachtsdekoration aus unzähligen Glühbirnen wie ein Zeltdach spannt. Doch auch die Inselhauptstadt hat im "hivern", wie die Einheimischen in Abgrenzung zur Saison ("temporada") die Zeit von November bis April nennen, ihren Reiz. Dann hört man auf der weihnachtlich geschmückten Rambla vornehmlich Mallorquin, gönnt sich eine Tüte heißer Maroni und genießt dieses besondere Flair der Adventszeit auf der größten Baleareninsel, die nicht nur in Betlem viel Ruhe bietet.

Heidi Siefert

Anreise

Von Artá aus fährt man zuerst auf den Burghügel zu. Kurz bevor die Straße den Burghügel hinaufführt, biegt man aber links ab und fährt über die kleine, gewundene Landstraße in Richtung der Berge. Nach rund neun Kilometern - zum Teil durch Olivenhaine - ist die Ermita erreicht.

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