Walhai in Sicht
Besuch bei den friedvollen Riesen: Schnorchel-Tour zum größten Fisch der Welt.
Schnorcheln? Gerne wird man belächelt für diese bescheidene Art, sich der Unterwassser-Welt zu nähern. Nur beim “wirklichen Tauchen” passieren die ganz großen Erlebnisse. Welch ein Irrtum! Im Baa-Atoll der Malediven können Touristen ohne jegliche Tauch-Kenntnisse mit einfacher Schwimmbad-Ausrüstung dem größten Fisch der Welt und seinen nicht minder eindrucksvollen Verwandten begegnen.
Ein ausgewachsener Walhai ist so lang wie ein Linienbus
“Wir wissen so gut wie nichts über sie”, sagt Guy Stevens und öffnet eine Mail aus West-Australien, die ihn in der vergangenen Nacht erreicht hat. Im Anhang zwei Fotos eines Musters, das perfekt auf ein szeniges T-Shirt von “Dolce & Gabbana” passen würde. Das ausgefallene Muster aus weißen und braunen Punkten mit braunen Strichen bedeckt die ganze Oberfläche der Walhaie – allerdings mit kleinsten Abweichungen in Farbe und Abstand. Dies könnte der Schlüssel für Guy Stevens sein, die verschiedenen Exemplare der Walhaie zu identifizieren und ihre weltweiten Reiserouten auszukundschaften. Deshalb hat er vor acht Jahren ein Programm der NASA zur Einordnung von Sternbildern übernommen und auf die Haut-Muster der Walhaie umgearbeitet. Der englische Meeresbiologe von der Universität Plymoth ist einer von wenigen Forschern weltweit, der sich mit dem Walhai, dem größten Fisch der Welt beschäftigen kann. Der “Rhincodon typus” (lat.) erreicht in ausgewachsenem Zustand mit 18 Metern Länge die Größe eines Linienbusses und ist dabei völlig ungefährlich, denn er frisst ausschließlich Plankton. Er lebt in einer Art Fressgemeinschaft mit seinen Verwandten, den Mantas: riesigen Rochen mit bis zu vier Metern Spannweite.
Wie Mönche in schwarzen Kutten umwehen uns die Mantas
All das erfahren wir bei der Vorbesprechung der “Manta/Walhai-Safari” im Marine-Biologischen Forschungszentrum des “Four Seasons”-Hotels auf der Insel Landaa Giravaaru im nördlichen Baa-Atoll der Malediven. Etwa 20 Bootsminuten von unserem Resort entfernt liegt in einem Meeres-Schutzgebiet “Hanifaru”. Man darf sich dieses Riff, das gerade einmal ein bis drei Meter unter dem Meeresspiegel liegt, vorstellen wie einen offenen Sack. Durch die Öffnung werden bei Süd-West-Monsun große Mengen von Plankton hinein gedrückt, die nicht wieder entweichen können. Das ist die Stunde der Mantas und Walhaie. Schon vom Boot aus sieht man die großen Schatten im unendlichen Türkis der Malediven. Danach geht alles so schnell, wie man es am Starnberger See gelernt hat: Maske/Schnorchel auf, Flossen an und dann tauchen wir ein in die Welt der Mantas: Wie Mönche in schwarzen Kutten umwehen sie uns, fliegen im Zentimeter-Abstand vorbei und schlagen dann vom Meeresboden aufsteigend mit weit aufgerissenen Mäulern einen Salto nach dem anderen, um sich mit noch mehr Wasserdruck das Plankton einzuverleiben. Und wir mittendrin. Gut eineinhalb Stunden dauert der Spuk, dann ist Hanifaru leer gefressen. Mindestens 23 Mantas haben die Meeresbiologen gezählt. Ein großartiges Erlebnis, das allein schon die ganze Reise rechtfertigen würde.
300 Babys im Bauch eines einzigen Weibchens
Wenn man einmal die seltenen Bilder der friedvollen Riesen in der Forschungsstation gesehen hat, ist es passiert. Jede ungeklärte Frage macht die Walhaie nur noch spannender. Etwa: Wie lange leben sie? Es werden fast ausschließlich Walhai-Männer gesichtet. Wo sind die Frauen und die Babys? Wie gebären sie?
In Taiwan haben Fischer ein totes, schwangeres Walhai-Weibchen gefunden, in dessen Bauch über 300 Babys waren - in völlig unterschiedlichen Entwicklungsstadien: vom Ei bis zum fertigen Fisch. Wer also, angeregt durch die vielen Fragen und die wenigen Antworten, die maximale Chance auf die Begegnung mit den Tieren wahrnehmen will, fragt am besten nach “Manta on call”. Sobald Walhaie und Mantas gesichtet werden, wird man in jedem Winkel der Insel aufgestöbert.
Nie direkt auf das Maul des Walhais zuschwimmen!
Es passiert ausgerechnet beim Termin im preisgekrönten Spa-Bereich mit dem indischen Ayurveda-Arzt: Zwischen den Fragen nach der Häufigkeit des Stuhlgangs und der endgültigen Erkenntnis, ob ich nun der Ayurveda-Typ “Vata”, “Pitta” oder “Kapha” bin.
“Walhai bei Hanifaru.” Elektrisiert vergesse ich Schnorchel-Ausrüstung, Sonnenöl, Reporterblock. Auf dem Boot hören wir, dass man sich dem Walhai nicht mehr als drei Meter nähern darf, an der Schwanzflosse vier Meter. Kein Blitzlicht. Und ganz wichtig: Nie direkt auf das Maul des Walhais zuschwimmen! Er ist das einzige Tier, das seine Nahrung mit einem mächtigen Sog einsaugt. Während die Flaschentaucher halbstundenlang mit allerlei technischem Gerät an Bord hantieren, geht bei mir alles sehr schnell.
Als ich ins Wasser springe, ruft mir die Meeresbiologin Katie noch freudig hinterher: ”Genieße es. Du bist ganz allein mit dem Walhai.” Hätt’s nicht gebraucht, denke ich, als ich die Augen aufbekomme und die riesige Silhouette neben mir sehe. Sie gleicht einem Flugzeug, einem großen. Mit kleinsten Bewegungen der Schwanzflosse gleitet er neben mir, saugt ständig Plankton ein. Das Wasser stößt er wieder aus durch Kiemen, die so groß sind wie die Lüftungsschlitze eines Sportwagens. Kleinste Pilot-Fische, aber auch Exemplare des “Hai-Saugers” mit bis zu einem halben Meter Länge schwimmen in seinem Windschatten. In Sekunden taucht der Walhai zum Meeresgrund ab, um im nächsten Moment wieder kerzengerade hochzukommen – eine andere Taktik um an möglichst viel Plankton zu geraten. Er ist ganz ruhig - ich werde es.
Genau bis zu dem Moment, in dem er seinen Kopf dreht und auf mich zusteuert. Wie hieß doch die Regel: ”Nie direkt vor dem Walhai schwimmen!” Links vorbei? Rechts vorbei? Und keine hektischen Bewegungen! Mein Gott, dieser Fisch ist nicht nur lang, sondern auch breit. Alle Angst umsonst. Er weicht der Kollision elegant aus und taucht gerade einmal einen Meter ab. Ich spüre den Sog, sein perfektes Muster schiebt sich blickfüllend unter mir durch.
Herbert Stiglmaier
Service Walhaie
Die Hauptsaison für die Reise zu den Walhaien und Mantas ist von Juni bis Oktober. Die Wahrscheinlichkeit, die Tiere zu sehen, beträgt innerhalb einer Woche Aufenthalt bei den Mantas 100 Prozent, bei Walhaien 50 Prozent. Erhöht sind die Chancen in der Voll- oder Neumondphase bei entsprechendem Tidenhub. Die “Manta-Walhai-Safari” kostet 58 US-Dollar, “Manta - Walhai on call” 95 US-Dollar. Preisbeispiel: 7 Nächte im “Four Seasons Resort” Landaa Giraavaru, Hin-und Rückflug München-Frankfurt-Male, Transfer mit dem Wasserflugzeug Male-Landaa Giraavaru-Male, 7 Übernachtungen in einem Beach Bungalow inkl. Frühstück pro Person 2859 Euro. Zu buchen bei Airtours, im Reisebüro. Weitere Informationen zu den Walhai-und Manta-Touren gibt es unter: www.fourseasons.com
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