Verjüngungskur für eine Grande Dame

Zum 100-jährigen Jubiläum will das Bozener Parkhotel Laurin jung und trendig werden.
Jetzt donnern Sie wieder gen Süden, die Pfingsturlauber, die am Gardasee oder an der Adria italienische Luft atmen wollen. Bozen lassen die meisten links, pardon: rechts der Autobahn, liegen. Nur wenige legen hier eine Pause zum Tanken oder auf einen Espresso ein. Dabei ist die Hauptstadt Südtirols mehr wert als nur einen Abstecher.
Ja, hier ist es schön: Die Altstadt zwischen den Flüssen Eisack und Talfer mit ihren Geschäften in den historischen Laubengängen, dem farbenfrohen Obstmarkt, dem sonnigen Waltherplatz und seinen verlockenden Cafés. Da mag man sich am liebsten an den erstbesten Tisch setzen und die Zeit genießen.
Um die Wette schnattern und möglichst großstädtisch tun
Einen interessanten Kontrast bietet dabei nicht nur der Blick durch die Rhododendron-Blüten auf die schneebedeckten Dolomitengipfel. Das Stadtbild prägen nämlich auf der einen Seite die schicken Italiener, etwa dreiviertel der Bevölkerung stellen. Bei Prosecco und Aperol auf Eis schnattern sie schon vormittags in den zahlreichen Bars und Cafés der Altstadt um die Wette und tun möglichst großstädtisch. Auf der anderen Seite begegnet man den deutsch-stämmigen Südtirolern, oft noch tirolerisch-bäuerlich gewandet, die gerne die Zeit anhalten, oder bisweilen auch politisch zurückdrehen würden.
Fröhlich sind die rund 100.000 Bozener aber auch heute noch allemal. Wie etwa der Gastwirt Cobo, zu dem Bozener und Touristen in Scharen pilgern. Cobo heißt eigentlich Rino Zullo und ist gebürtiger Veroneser, vor allem aber Weltbürger. Rom, New York, Paris, – hat er alles schon gesehen. „Aber Bozen ist der schönste Ort der Welt“, predigt er und schenkt den Lagrein dunkel nach.
Wer allerdings ein wenig großstädtisches Flair bevorzugt, muss in Bozen lange suchen. Vielleicht wird er demnächst ausgerechnet in einem Haus fündig, das vor fast 100 Jahren, 1910, eröffnet wurde – dem Parkhotel Laurin.
Unweit des zentralen Waltherplatzes mitten in der Altstadt Bozens gelegen, versprüht es auch heute noch den teilweise etwas düsteren deutschen Jugendstilcharme des vergangenen Jahrhunderts.
Geht es nach Hotelbesitzer Franz Staffler, soll es bald ein Hort zeitgemäßer und weltoffener Hotelkultur werden, wie sie etwa in London gepflegt wird. Hoteldirektor Roland Margesin, seit etwa einem Jahr im Amt, hat erkannt: Die Grandhotels haben ein Problem – sie sterben aus. Nur wer sich ändert, kann überleben. Die alte Dame Laurin lässt er deshalb liften.
Kunstwerke von Oskar Kokoschka und Maria Lassnig
Erste Änderungen an der Figur der Grand Hoteldame hat er schon vorgenommen: Zimmer und Räumlichkeiten wurden grundlegend renoviert. Hier ein wenig Zeit zu verbringen, lohnt sich: Kunstsammler Franz Staffler – sein Großvater hat das Hotel erbaut – macht den Gästen zahlreiche Kunstwerke von Oskar Kokoschka bis hin zu Maria Lassnig zugänglich.
Der mediterrane Garten, in dem im Sommer auch die Mahlzeiten serviert werden, duftet und verzaubert jetzt im Frühsommer wie eh und je. Und weil ein flottes Mädchen auch ein trendiges Auto braucht, parkt Margesin seinen knallroten Oldtimer-Fiat „seicento“ direkt vor dem Hoteleingang.
Jetzt soll die Grande-Dame sogar einen neuen Stil bekommen: „Wir wollen frisch und peppig sein, lässig, individuell und kommunikativ“, so der Hotelchef. Für die Küche hat er deshalb den 33-jährigen Egon Heiss aus dem benachbarten Sarntal verpflichtet. Seine Erfahrungen sammelte der in einigen der renommiertesten internationalen Hotels und Restaurants wie Mosiman‘s Private Dining Club sowie dem Gordon Ramsey Restaurant, beide in London. Er zählt zu den Shooting-Stars am Herd, nicht zuletzt weil er Geschmack und Design der regionalen Südtiroler Küche neu definiert. „Mit ihm wollen wir weg vom Champagner und Trüffel-Image eines Grand Hotels und möchten dem sozialen Geist Rechnung tragen, dem sich immer mehr Gäste ebenfalls verpflichtet fühlen“, sagt Margesin.
So kann der Gast im Laurin selber entscheiden, ob er beim Speisen auch ein wenig zur Verbesserung der Welt beitragen möchte. Etwa 20 Prozent der Zutaten– die auf der Speisekarte auch so gekennzeichnet sind - stammen aus „fairem Handel“, den Chefkoch Egon Heiss auf seinen Stationen in Asien kennengelernt hat. Zum Einkauf fährt er deshalb nicht nur in die Großmarkthalle sondern auch in „Eine-Welt-Läden“ und auf ausgewählte Bauernhöfe der Umgebung. Brot backt er selber.
Hier kann man sogar Shakira an der Bar treffen
Frischen Pepp in der Hotelbar – als Kontrast zu den martialisch-mittelalterlichen Wandmalereien der Dietrich-Saga - soll ein anderer Südtiroler wieder herbeizaubern – der Meraner Ernesto Lechthaler. Der Altmeister des gepflegten Cocktails zelebriert seine Künste sonst auf Oscar-Verleihungen, Kreuzfahrtschiffen und Filmfestspielen. Im Laurin leitet er die Barkeeper an, entwickelt neue Drinks und versucht, einen Hauch „der coolen und kreativen Londoner Barkultur zu etablieren. Dort sind vor allem leichte oder alkoholfreie Cocktails im Kommen“, so Lechthaler. Seine jüngste Kreation: Der „Laurini“ - ein Mix aus Prosecco, Mineralwasser und Holunderblütensirup. Und bisweilen kann der Gast sogar anders als in München Stars wie Ute Lemper oder Shakira persönlich an der Bar treffen, wenn sie nach einem Konzert dort Stopp machen, bevor sie im Zimmer verschwinden.
Trotz des Liftings tut sich das Laurin schwer, rundum frisch zu wirken – man meint irgendwie immer, das Kölnisch Wasser zu riechen. So gibt es einen Spa oder Fitnessraum erst gar nicht, das Personal interpretiert die Drink-Rezepte von Meister Ernesto bisweilen recht langweilig– und lässige Lounge-Atmosphäre will sich auch nicht wirklich einstellen: Was der Barkeeper „Smooth-Jazz“ nennt, kennt der Gast eher als Begleitmusik zur Fahrt auf der Warenhaus-Rolltreppe. Und aus manchen der verrupften Armlehnen der 80er Jahre-Sessel quillt üppig die Rosshaarfüllung.
Aber wie die Bozener selber sollte man das vielleicht gelassen sehen. Und vor dem Barbesuch im Laurin erstmal beim Altstadtbummel keine 200 Schritte vom Hotel entfernt in der Dr. Streiter-Gasse an Cobos Fischbänken hängen bleiben. Seit mehr als 15 Jahren bewirtet der Hobby-Künstler und Wein-Philosoph seine Gäste an marmornen Tischen im Freien, auf denen früher Fisch verkauft wurde, mit Bruschette und heimischen Spitzenweinen. Die Wände seiner Bar im Stil einer spanischen Strandkneipe hat er rundherum mit Weisheiten gespickt, die er selber handschriftlich – natürlich in italienisch und deutsch – dorthin gepinselt hat. Eine davon lautet: „Willst du Gott zum Lachen bringen, erzähl‘ ihm Deine Pläne.“
Heiner Sieger
Anfahrt: München- Brenner- Bozen, 270 Kilometer, Ausfahrt Bozen Nord, der Beschilderung zum Zentrum folgen, Hotel ist ebenfalls ausgeschildert.
Preisbeispiel: Doppelzimmer Standard inklusive Frühstück 136 Euro/Nacht. Zuschlag Halbpension 28 Euro/Person
Die AZ reiste auf Einladung des Parkhotels Laurin.