Urlaub in fremden Zimmern

Ein bezahlbares Loft für den Urlaub? Im Internet bieten Privatleute ihre Unterkunft zur Miete an.
von  Ingmar Volkmann
Schöner wohnen in Krefeld: Dieses Wohnzimmer wird über Wimdu vermittelt. Wer will da noch vor die Tür?
Schöner wohnen in Krefeld: Dieses Wohnzimmer wird über Wimdu vermittelt. Wer will da noch vor die Tür? © Wimdu

Am Wochenende kam die Nachricht von Laurence. "Es tut mir sehr leid, aber die Toilette ist kaputt. Seid ihr mir böse, wenn ich euch doch noch absage?" Beim heiligen Super-GAU des Reisens, ja, wären wir gewesen, denn innerhalb von vier Tagen eine Bleibe in Paris zu finden, die nur 50 Euro die Nacht kostet, schien ähnlich realistisch wie die Vorstellung, Lothar Matthäus könnte eines Tages einen Verein in der Bundesliga trainieren.

Also per E-Mail mit Laurence um die Ferienwohnung und eine funktionierende Toilette gekämpft - und siehe da, dank Mitbenutzung des Etagenklos wurde es doch noch etwas mit der kleinen, feinen Bleibe im angesagten Pariser Viertel Belleville. Bucht man sein Feriendomizil wie wir von einer Privatperson über Internetportale wie www.airbnb.de, www.wimdu.de oder www.9flats.com, macht man eine Urlaubserfahrung, die nichts mit klassischem Hotelalltag zu tun hat - inklusive Vor- und Nachteilen.

Der neue Reisetrend klingt ein wenig nach Couch-Surfing, kostet aber Geld. Als Individualreisender kann man eine ganze Wohnung mieten oder nur ein Zimmer bei einem Vermieter, der dann bestenfalls auch noch als privater Reiseführer fungiert. Als Vermieter kann man sich ein paar Euro dazuverdienen, wenn man etwa viel unterwegs ist, zu viel Platz hat und nicht gerade in Wanne-Eickel wohnt, in einer Ecke also, in der die touristische Nachfrage eher überschaubar ist.

Marktführer in diesem Bereich der Urlaubsgestaltung ist der amerikanische Anbieter Airbnb, der im August 2008 gegründet wurde und seit Sommer auch ein Büro in Hamburg betreibt. Das Start-up wirbt damit, Unterkünfte in fast 200 Ländern und in fast 20 000 Städten vermitteln zu können, und feierte vor einem halben Jahr die millionste gebuchte Übernachtung.

Die beiden wichtigsten deutschen Portale heißen 9flats und Wimdu. 9flats aus Berlin ging im Februar 2011 "als Alternative zum klassischen Hotel" an den Start und verfügt nach eigenen Angaben aktuell über 25 000 Privatunterkünfte in 50 Ländern, "für jeden Geschmack und jedes Budget". Gründer ist Stephan Uhrenbacher, der in Deutschland mit dem Bewertungsportal Qype.com schon einmal bewiesen hat, dass er ein erfolgreiches Start-up auf den Markt bringen kann. Einen Monat später als 9flats ging Wimdu.de an den Start. Über die Seite kann man derzeit rund 35 000 Unterkünfte in rund 100 Ländern buchen.


Was aber macht den Reiz der neuen Portale aus? Die Betreiber sparen nicht mit Superlativen und beschwören einen neuen Typus des Reisenden. "Der Nicht-Tourist ist eine neue Generation Reisender", schwadroniert Uhrenbacher von 9flats etwa. Und Konkurrent Arne Bleckwenn, Mitgründer von Wimdu, ergänzt: "Fast alle Menschen lieben es, fremde Kulturen zu erkunden. Doch bei einem klassischen Hotelurlaub bekommt man vom landestypischen Charme wenig mit. Wer sich hingegen bei Einheimischen einquartiert, lernt viele spannende Aspekte seines Urlaubsziels kennen."

Etwas zugespitzter formuliert könnte man diese Form des Reisens auch als Urlaub 2.0 bezeichnen, denn alle Anbieter vertrauen auf die Macht sozialer Netzwerke, lassen User ihre Vermieter und Unterkünfte bewerten und setzen auf einen direkten Austausch von Vermietern und Mietern: Vermieter können sich bei Airbnb etwa durch eine Verknüpfung zu Facebook über den Interessenten informieren, der Mailverkehr wird als SMS auf dem Smartphone abgebildet, und selbstverständlich gibt es für den hippen Individualreisenden auch eine recht vernünftige Application fürs Smartphone.

Bedenkenträger, die sich vom schicken Social-Media-Faktor nicht beruhigen lassen wollen, sollen durch ein angeblich sicheres Zahlungssystem und hohe Versicherungssummen beruhigt werden. Bei Airbnb landet die Miete zum Beispiel nicht direkt beim Vermieter, sondern erst beim Internetportal: Der Gastgeber bekommt das Geld erst 24 Stunden nach Ankunft seines Gastes auf sein Konto überwiesen, damit der Urlauber noch genügend Zeit hat, die Überweisung zu stoppen, falls sich das schicke Loft in L.A. doch als heruntergekommene Mehrzweckhalle in einem kalifornischen Vorort entpuppen sollte.

Bei 9flats sind alle Buchungen mittlerweile gegen Schäden von bis zu 500 000 Euro abgesichert, bei Wimdu gibt man 50 000 Euro als versicherte Schadenshöhe an.

Angst vor etwaigen Schäden durch die neuen Internetanbieter hat übrigens die Hotel-Industrie. So fordert etwa der Tourismus-Chef der Stadt Berlin, Burkhard Kieker, angesichts der vielen Berlin-Angebote auf den Websites: "Da muss der Senat einschreiten. Das ist eine gewerbliche Konkurrenz, die der Berliner Hotelbranche nicht guttut."

Hätten wir unsere Bleibe in Paris nicht über Airbnb gebucht, sondern stattdessen in einem schnöden Hotelzimmer übernachtet, wir hätten elementare Einblicke in die französische Alltagswelt verpasst: Zum einen ist es zwar abenteuerlich, aber unpraktisch, seine Toilette mit einem knuffigen alten Franzosen zu teilen. Und zum anderen scheint es in Paris nur zwei Klempner zu geben, die entweder nach der Auftragsbestätigung untertauchen oder ihr Talent eher in anderen Bereichen zu haben scheinen. Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen: Die neuen Urlaubsanbieter 2.0 verleihen dem Volksmund zusätzliche Glaubwürdigkeit.


Buchen
Je mehr gute Bewertungen ein Vermieter hat, desto besser. Vorab sollte man klären: In welchen Stadtteil möchte ich? Brauche ich eine ganze Wohnung, oder reicht mir ein Zimmer? Der Unterschied zum Couch-Surfing: Wer mag, hat einen ähnlich engen Kontakt zu einem Einheimischen, der einen mit Tipps versorgen kann. Als Gast hat man aber ein viel besseres Gefühl, da man für seinen Aufenthalt bezahlt und deshalb auch eine saubere Wohnung erwarten darf. 

Bezahlung
Der Betrag wird dem Vermieter erst 24 Stunden nach dem vereinbarten Check-in überwiesen. Klappt etwas nicht, wird der Vermittler kontaktiert und das Geld zurücküberwiesen. Airbnb und Wimdu verlangen zusätzlich zur Miete eine Gebühr von sechs bis zwölf (Airbnb) und zwölf Prozent (Wimdu) für den Gast und jeweils drei Prozent für den Gastgeber, 9flats berechnet 15 Prozent für den Vermieter, aber null Prozent für den Mieter.

Adressen
www.airbnb.com; www.wimdu.de; www.9flats.com.

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