Tourist im Porzellanladen

In Meißen dreht sich zum 300-jährigen Jubiläum der berühmten Porzellanmanufaktur alles um die zerbrechliche Kunst.
Auf dem noch unglasierten Stück zieht die Porzellanmalerin eine knapp zentimeterlange gebogene Linie, eine zweite quert diese, dann kommen kurze Striche an den unteren Teil des Kreuzes. "Schwertern" heißt dieser kürzeste Arbeitsgang bei der Herstellung des Meissener Porzellans. Aber gerade der adelt die Kostbarkeiten, die seit 1710 die Porzellanmanufaktur verlassen. Das 300-jährige Jubiläum wird ausgiebig gefeiert.
Es war im Jahr 1710, als die Hofkanzlei von Kurfürst August dem Starken in einem "allerhöchsten Dekret" die Erfindung des europäischen Hartporzellans und die Gründung einer Porzellan-Manufaktur vermeldete. Die wurde auf der Albrechtsburg eingerichtet, weil man hoffte, das Geheimnis der Herstellung hoch über der Elbe am besten vor Spionen schützen zu können. Den Meißnern war das zuerst gar nicht recht. Das spannende Verhältnis zwischen der Stadt und der Manufaktur schildert eine Ausstellung im Stadtmuseum (bis 7. November 2010).
Nordic Walking auf dem Porzellanpfad
Heute ist Meißen Porzellan - überall. Am Turm der Frauenkirche erklingt ein Porzellanglockenspiel; in einem kleinen Park nahe der Manufaktur wachsen seltene Pflanzen, damit die Porzellanmaler sich dort Anregungen holen können; die Nikolaikirche birgt eine ganz aus Porzellan gestaltete Gedächtnisstätte für die Opfer der Kriege. Auch das Jubiläum findet vor allem in und um Meißen statt, mit Ausstellungen und Vorträgen, Festen und Konzerten, mit Spaziergängen und Nordic-Walking-Touren auf dem Porzellanpfad.
Und mit einem speziell ausgetüftelten "Menü auf Weissem Gold", also auf echtem Meissener Porzellan. Die Wirte von zwölf Gaststätten servieren sächsische Spezialitäten auf dem extra dafür angeschafften Service "Wellenspiel". Noch mehr Gelegenheit zum Genießen bieten die mit unterhaltsamen Vorträgen verbundenen Veranstaltungen "Tisch- und Tafelkultur bei Meissen" und "Tee, Kaffee und Schokolade - die drei heißen Lustgetränke".
Porzellane aus aller Welt
Das Highlight zum Jubiläum ist die Sonderausstellung "All Nations are Welcome. 300 Jahre Manufaktur Meissen als Brücke zwischen Kulturen, Nationen und Religionen" bis 31. Dezember 2010. Gezeigt werden Porzellane aus den Ursprüngen, erste Formen und Dekore, die überwiegend der ostasiatischen Keramik nachempfunden wurden, Stücke, die im Auftrag der russischen Zarin Katharina II. gefertigt wurden und moderne Kunstwerke wie die Großplastik eines Weißkopfseeadlers, welches das Foyer der amerikanischen Botschaft in Berlin schmückt.
Wer auch kaufen möchte, für den lohnt es sich zu wissen, dass Porzellan aus Meißen nicht automatisch Meissener ist. In der Stadt formen und malen und brennen schließlich noch andere (ganz legale) Werkstätten. Wer das Berühmte haben will, der kauft es am besten direkt in den Shops der Manufaktur. Die wurden für den erhofften Besucheransturm edel hergerichtet, vom preisgeschrumpften Outlet-Angebot bis zur makellosen Premium-Ware, vom barocken Prunkstück bis zum jugendlichen Sushi-Set, vom kleinen Souvenir bis zum 100000-Euro-Kronenleuchter gibt es alles.
Marlis Heinz
Weitere Informationen
Der Tourismusverband (Telefon 03521/76350, www.meissen2010.com) hält kostenlos den Reiseführer "Weisses Gold erleben" bereit. Die Pauschale "Auf den Spuren des Meissener Porzellans" enthält drei Übernachtungen, ein "Menü auf Weissem Gold", je eine Stadtführung in Meißen und Dresden, den Eintritt in die Porzellan-Manufaktur, ein Souvenir aus Meissener Porzellan und kostet pro Person ab 199 Euro.