Totgesagte leben länger

Trotz Internet schätzen mehr und mehr Urlauber wieder die persönliche Beratung im Reisebüro.
von  Hans-Werner Rodrian

Während im gerade abgelaufenen Jahr Internetportale anteilmäßig auf der Stelle traten, machten die klassischen Reisebüros fast zehn Prozent mehr Geschäft. Mehr und mehr Urlauber wollen ihre Ferien wieder bei einem Menschen statt bei einer Maschine buchen.

Der Deutsche Reise-Verband (DRV) hat erstaunliche Zahlen veröffentlicht. Die 10240 Laden-Reisebüros in Deutschland verkauften 2011 um 9,5 Prozent mehr Flüge und Urlaubsreisen. Nach zehn Jahren Erfahrung mit dem Internet weiß der Reisekunde eben, dass auch im Web nur mit Wasser gekocht wird. Mit drei Klicks ist es nicht getan. Geschlagene neun Stunden, fand die Reiseanalyse 2011 der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen heraus, sitzt der durchschnittliche Internetbucher vor dem Rechner, bevor er sich entscheidet.

Billiger ist es im Internet jedenfalls nicht. Alle renommierten Reiseunternehmen sorgen für identische Preise in allen Vertriebskanälen. Das ist auch nötig. Denn Internetreisebüros haben keineswegs automatisch niedrigere Kosten. Wenn man die hohen Entwicklungskosten und Werbeaufwendungen einschließt, ist eher das Gegenteil der Fall. Eindeutig sind die Kunden durchs Internet preissensibler geworden. Allerdings bezweifelt nicht nur DRV-Präsident Jürgen Büchy, dass die Internetportale wirklich Preistransparenz bieten: „Bei manchen sieht die Rechnung ganz anders aus, wenn man bei der Endsumme angekommen ist.“ Da ist man im klassischen Reisebüro auf der sicheren Seite.

Die breitere Auswahl, die Internetvertreter wie Michael Buller vom Verband Internet Reisevertrieb für sich reklamieren, ist relativ. Schließlich hat der Reisebüromitarbeiter auch Zugriff auf alle Angebote im Internet. Ob er sie nutzt, ist eine andere Frage. Oft lässt er zu Recht die Finger davon. Nicht alle Reiseveranstalter sind schließlich gleich verlässlich. Oder wie es Neckermann-Reisen-Chef Peter Fankhauser formuliert: „Ein Computer, eine Schnittstelle zu Datenbanken, ein Logo und eine Website: Mehr ist heute nicht nötig, um Reiseveranstalter zu werden.“ Dass Reisebüros manchmal mehr auf ihre Provision schielen als auf den Superurlaub für den Kunden, ist eine Tatsache. Aber im Internet ist das nicht anders. Auch dort wird am eifrigsten beworben, was am einträglichsten ist. Im Reisebüro kann man jedoch nachfragen: Ist der Anbieter der günstigste? Der Verkäufer ist verpflichtet, wahrheitsgemäß zu antworten.

Rechtlich gesehen besteht zwischen der Buchung einer Pauschalreise im Internet und im Reisebüro kein Unterschied. Doch wenn am Ende etwas schiefläuft, hat man im Reisebüro einen echten Ansprechpartner und nicht nur ein Mängelformular vor Augen. Vor allem aber haben die Reisebüros an Beratungsqualität zugelegt. Zugegeben geschah das nicht immer freiwillig. Den Flug von Frankfurt nach London bucht inzwischen fast jeder online. So bleibt den Reisebüros nur noch: gut beraten oder untergehen.

Von 20.000 Reisebüros um die Jahrtausendwende ist gerade mal die Hälfte übrig geblieben. Und das sind die, die ihren Job gut machen. Viele haben sich spezialisiert und kennen sich exzellent in ihrem Bereich aus. Die Verkäufer haben eine Hotline zu den Veranstaltern für Sonderwünsche, und sie kennen Tricks, wie man einen ausgebuchten Flug doch noch realisiert. Wie die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen festgestellt hat, kommt die Mehrzahl der Urlauber heute gut vorbereitet ins Reisebüro. Sie hat sich im Internet bereits schlaugemacht und bucht nicht sofort, sondern schaut sich das Hotel noch mal in aller Ruhe zu Hause an, bevor wirklich gebucht wird.

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