Toskana mit Schraubverschluss
Schon vor 30 Jahren hat Egger sich sein eigenes Stück südliche Sonne in der Maremma gekauft. Heute beherbergt er in seinem historischen Biobauernhof Gäste und lockt die Daheimgebliebenen mit eingelegten Antipasti und Biowein.
Der Mann ist ein Vulkan. Wie ein Feldherr blickt der Siebzigjährige über die liebliche Hügellandschaft, auf den Maremma-Naturpark und zur Badebucht von Talamone. Tatsächlich stehen er und sein zypressengesäumtes Biolandgut La Selva exakt dort, wo die Römer 225 v. Chr. bei der Schlacht von Telamon die Kelten vernichtend geschlagen haben. Bei Karl Eggers Schlachten dagegen stirbt höchstens das eine oder andere Vorurteil. Und meistens geht es dabei um Bio-Gemüse.
Ein Aussteigertyp ist Egger sicher nicht.
Aus Spaß hat der Gründer der Elektromarktkette Pro Markt Anfang der Achtziger sieben Hektar Grund gekauft, heute baut er auf 428 Hektar Bio-Kräuter, Tomaten und Gemüse an. Zwei Herrenhäuser wandelten sich in der Zeit zu mustergültig renovierten Ferienwohnungsanlagen. Eins davon - La Selva - gab auch den Namen für die Serie toskanischer Leckereien, die Egger quer durch die deutsche Ökosupermarktszene vertreibt. Nebenbei betreibt er ein erfolgreiches Jazzmusik-Label. Und den Bioverband Naturland hat er auch noch gegründet. Aber vor allem interessiert er sich für gutes Essen.
Vieles, was daheim so gut schmeckt, stammt aus einem flachen Bauernhaus in Wurfweite von La Selva. Da weckt ein Dutzend einheimischer Frauen die frisch geernteten Gemüse ein. Bei Bio-Pesto, erklärt Egger stolz, ist er in Deutschland Marktführer: "Das konventionelle kommt doch mittlerweile alles aus China."
Mit gerösteten Zwiebeln schmeckt's auch ohne Fett
Gerade nascht er von seinen neuesten Hits: halbgetrocknete Tomaten, "das muss man einfach probiert haben", und Peperonata mit nur 30 Kalorien pro 100 Gramm. Sofort erzählt er begeistert die Geschichte vom Chefkoch der Buchinger Kliniken am Bodensee, der "so ein Rezept aus dem Ärmel schütteln kann". Das Geheimnis: Röstaromen. Zwiebeln rösten und dabei ständig rühren, dann gelingt's ohne Fett. Und es schmeckt!
Der einstige Pasinger Elektrohändler macht auch in der Landwirtschaft vieles anders als die anderen und zeigt das Besuchern gern. Er pflügt zum Beispiel nicht, sondern er grubbert. 60 Zentimeter tief wird die Erde eher sanft gekrümelt als brutal gewendet. Kartoffeln, Tomaten, Artischocken pflanzt er in "Weiten Reihen", 1,20 Meter auseinander. Das ist zu viel für den Kartoffelkäfer und die Schädlingspilze, die von den Nachbarn nur mit viel Gift im Zaum gehalten werden können.
In zwei alten Herrenhäusern wohnen heute die Urlauber
Den Takt gibt bei Egger sowieso die Natur vor, die er aber auch gern unterstützt. 800 Tonnen Kompost im Jahr landen auf seinen Gemüsefeldern. Damit da auch genügend Inhaltsstoffe drin sind, baut er neuerdings Pappeln an. Die haben allerdings nur ein kurzes Leben, nach zwei Jahren werden sie Biomasse für den Kompost.
Egger schwärmt von Phosphor- und Stickstoffgehalten, als wäre es seine Lieblings-Jazzmusik. Das Ergebnis gibt ihm aber Recht. Die Tomaten schmecken - besonders die alten toskanischen Sorten, die er wieder ausgegraben hat und die jetzt der Renner im Hofladen sind.
Wir fahren ein kurzes Stück vom Hof Richtung Meer, da stehen die weißen toskanischen Rinder mit den sanften Augen: Chianinas. Und neben jedem Rindviech trippelt ein stolzer Vogel: Garzetta, der Seidenreiher. Der pickt seinem kuhäugigen Partner die Mücken von der Haut. Egger nickt versonnen: "Wir hatten dieses Jahr schon zwei Auffahrunfälle auf der Straße, weil jeder zu den Tieren rüberschaut statt auf die Straße."
Zehn Minuten von La Selva liegt Eggers Weinkeller.
Der Weg endet am Teich, den Egger kürzlich anlegen ließ, damit Bienen und Vögel ein Tränke haben. Gerade schwirrt da ein besonders hübscher Piepmatz vorbei mit eisblauem Federkleid und irrwitzig schnellen Flügelbewegungen. Ohne Vögel gäbe es kein Gleichgewicht aus Nützlingen und Schädlingen. Aber wie kann man sie wieder ansiedeln, wenn in Italien doch alles, was einen Schnabel besitzt, sofort abgeknallt wird? Egger wusste Rat und hat sich mit dem regionalen Ornithologenverband verbandelt, dessen Mitglieder ihm jetzt Nistkästen bauen und mit ihren Mopeds Streife fahren.
Zehn Autominuten sind es von La Selva durch die Hügel, dann ist man bei Eggers Weinkeller angelangt. Klar, dass auch dies nicht irgendein Zweckbau ist, sondern ein Stück moderne Architekturkunst mit Traumblick auf den Mauerring von Magliano. Außen blitzt rot grob gehauener Fels, innen schimmert glatt geschliffener Travertin - die richtige Bühne für ein Dutzend modernster Edelstahltanks und in einem Nebenraum für die französischen Allier-Eichenfässer. In denen lagern die besten Tropfen, mit denen er in den Weinführern punktet.
Egger ist das fast peinlich: Nein, um den Holzgeschmack geht es ihm bei den Eichenfässer nicht, sondern weil die Weine einfach Luft brauchen. Er seufzt: Nur so kommt der runde Geschmack zustande, aber gleichzeitig verdunstet im Fass jedes Jahr ein erklecklicher Anteil - der Engelswein, wie die Franzosen sagen. Das bricht dem gewitzten Kaufmann im Ökowinzer schier das Herz. Denn er weiß ja ebenfalls genau: Im Biosupermarkt darf sein Wein dann trotzdem nicht teurer sein als fünf Euro. Sonst verzichtet die deutsche Hausfrau auf ihr Stück sonnige Toskana.
Weitere Informationen:
Azienda Bioagricola La Selva, I-58010 San Donato - Albinia, Tel. 0039/564/885669, agriturismo@laselva-bio.eu, www.laselva-bio.eu. Gästezimmer pro Übernachtung je nach Saison 48 bis 78 Euro, pro Woche 487 bis 904 Euro.
Anfahrt: auf der Küstenschnellstraße SS1 Via Aurelia hinter Fonteblanda nach der Brücke über die Osa links, dann nach 3 km wieder links fahren.
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