Südtirol: Großes Kino am Gipfel

Meran - Der Tschögglberg bei Meran überrascht mit magischen Steinfiguren und einem Open-Air-Kino ohne Leinwand. Im Knottnkino läuft 365 Tage im Jahr der gleiche Naturfilm.
Man merkt es gleich: Das ist keine Touristenseilbahn. Das ist öffentlicher Personennahverkehr. Zwischen Burgstall vor den Toren Merans und Vöran am Tschögglberg pendeln vor allem Hausfrauen zum Einkaufen, Kinder auf dem Weg zur Schule, Handwerker zur Baustelle. Das ist schneller als mit dem Auto oder Bus. Morgens geht's ins Tal, am Nachmittag oder Abend wieder zurück in die Höhe. Sonst lassen sich ein paar Wanderer und Mountainbiker vom Etschtal näher an die lockenden Almregionen shutteln. So sparen sie sich fast 1000 Höhenmeter - von den Apfelplantagen und Weinbergen hinauf in die Welt der Bergler.
Die Welt dort oben birgt Unerwartetes. Wie etwa das Knottnkino - das ungewöhnlichste Kino Südtirols. Wer von Vöran über den Schützenbründlweg durch Bergwald Richtung Hafling wandert und alsbald links abbiegt, der gelangt zum Rotsteinkogel. Auf diesem "Roatstoanknottn" - als "Knottn" bezeichnen die Südtiroler einen Felsen - stehen fest verankert 30 robuste Stühle aus Stahl und Kastanienholz. Kinosessel wie aus den noch etwas unbequemeren Zeiten des Filmeguckens. Eine Leinwand braucht es nicht. Die Natur schreibt das Drehbuch und inszeniert einen nie endenden Film.
Beeindruckend, spannend, fesselnd!
So dachte sich das auch der Südtiroler Künstler Franz Messner, als er vor einigen Jahren das Knottnkino schuf. Vom Kinosessel schweift der Blick hinüber ins Ultental und hinunter an die Etsch. Kulisse spielen die Felswände der Texelgruppe, während als Requisiten unten im Tal die Orte Meran, Lana, Eppan sowie die umliegenden Dörfer fungieren. Das Wetter sorgt für die Beleuchtung und die Special Effects in 3D. Der Natur-Dokumentarfilm läuft 365 Tage im Jahr bei kostenlosem Eintritt. Popcorn und Eiskonfekt werden jedoch nicht verkauft. Muss auch nicht sein. Man würde sich nur den Appetit verderben für die deftigen Gerichte der Berggasthöfe.
Denn der Tschöggelberg, der Bergrücken zwischen Bozen und Meran, ist Wandergebiet. Und was gibt es Schöneres beim Bergwandern als die Freude auf eine schmackhafte Brotzeit, die hier Marende heißt. Solch ein lukullisches Ziel ist die Leadner Alm - vom Felsenkino noch knapp eine Stunde aufwärts durch den Nadelwald. Ein schöner, angenehmer Weg. Und wenn der Wanderer Glück hat, dann steht unterwegs am Weberhof wieder die kleine Saftstation mit selbst gemachtem Holundersaft und Mineralwasser zur Selbstbedienung - gesund und erfrischend. Für diese gute Idee wirft man gern ein paar Münzen in die Kasse.
Jenseits der 1900-Meter-Marke sieht die alpine Welt ganz anders aus
Bei den Forrers auf der Leadner Alm wird dann aufgetischt: Buttermilch mit Himbeeren, Lammbraten, Zwetschgenkuchen und zur Verdauung ein Obstwasser - alles aus eigener Produktion. Der Genusswanderer freut sich danach auf eine kleine Mittagsruh auf der Liegewiese nebenan. Kollektives Dösen auf der Alm, also nichts für Aktivisten. Die sind längst auf dem Weg in höhere Gefilde, hinauf zum Vöraner Joch.
Dort oben, jenseits der 1900-Meter-Marke, sieht die alpine Welt ganz anders, viel rauer aus: kein Wald mehr, nur grasige Bergkuppen, ein paar Kühe und im Hintergrund die Felsmassive der Plattenspitzen und des Ifinger. Wenn dichte Wolken oder gar Nebel auftauchen, wechselt die Stimmung auf mystisch bis bedrohlich. Vor allem, je näher man den Stoanernen Mandln kommt. Auf dem Plateau des Schönecks, auch Große Reisch genannt, verteilen sich um das Gipfelkreuz dutzende mannshohe Steinmänner.
Stoanerne Mandln schmücken das Schöneck
Für das Gebirge ist das eigentlich nichts Ungewöhnliches, dienen sie doch der Orientierung im weglosen Gelände. Doch die vielen Stoanernen Mandln dort oben haben eine andere Bedeutung. Sie schmücken das Schöneck schon seit einem halben Jahrtausend. Glaubt man Gerichtsprotokollen aus dem Jahr 1540, so sind dort einst Hexentänze und Teufelsfeiern abgehalten worden. Eine gewisse Barbara Pachler aus dem benachbarten Sarntal wurde damals bezichtigt, sie hätte sich auf dem Berg mit Teufeln und Hexen getroffen. Noch heute strahlt der Ort einen nicht zu leugnenden Zauber aus, der grandiose Ausblick von dem genau 2003 Meter hohen Gipfel tut das Seinige.
Da schwankt so mancher Wanderer zwischen Furcht und Faszination, und ist manchmal ganz froh, wenn er sich etwas weiter unten bei Speck und Bergkäse in der Stube der Vöraner Alm für den Rückweg stärken kann. Die erlebnisreiche Tschöggelberg-Runde ist von Vöran aus nämlich nur zu schaffen, wenn man früh morgens aufbricht und Kondition für fünf bis sechs Stunden reine Gehzeit mitbringt - und etwas Muße für Mystisches und die grandiose Natur.
Armin Herb
Kontakt: Tourismusverband Meraner Land, Gampenstr. 95, I-39012 Meran, Telefon 0039/0473/200443, www.meranerland.com und www.burggrafenamt.com