Stille Stunden in hektischen Zeiten

München - Kraft schöpfen, Stille genießen - der Besuch eines Klosters auf Zeit und der Austausch mit den Ordensbrüdern wird bei Urlaubern immer beliebter.
Um sechs Uhr morgens ist es kühl und still hinter den alten Klostermauern. Nur draußen, im Klostergarten, haben die Vögel bereits begonnen zu singen. Es ist die Zeit der morgendlichen Meditation, zu der sich ein Kapuzinerbruder und sein Gast niederlassen. Sie leitet den Tag ein, der dem täglichen Gebetszyklus, den Stillezeiten, Gesprächen und der Arbeit gewidmet. Müßiggang ist nicht vorgesehen bei "Kloster auf Zeit". Stattdessen lautet das Motto des Aufenthalts bei den vier Kapuzinerbrüdern und drei Franziskanerinnen im Kloster Stühlingen im Südschwarzwald "ora et labora" - bete und arbeite.
In der Stille des Klosters dem Alltag entfliehen
Die Stille des Klosters lockt immer mehr Menschen an, die dem hektischen Alltag entfliehen möchten. Die Verpflichtung, innerhalb der Klostermauern das Handy auszuschalten, nehmen viele dankbar an. Wie tief die Klosterbrüder und -schwestern auf Zeit bei ihren stillen Ferien in das klösterliche Leben eintauchen, ist ganz unterschiedlich: Während manche Stifte Gästehäuser leiten, in denen der Klosteraufenthalt zum Erholungsurlaub mit Wellness-Programm wird, gilt in anderen sogar das Schweigegebot. Viele Mönche und Nonnen bieten ihre Gastfreundschaft nicht nur religiös Interessierten an, sondern auch Urlaubern, die eine günstige Unterkunft für Fahrradtouren suchen. Damit hat sich das "Kloster auf Zeit" zwar von seinem ursprünglichen Ziel, der Suche nach Nachwuchs, entfernt. Auf der anderen Seite wird so das Gebot der Gastfreundschaft gelebt, das der Heilige Benedikt in Regel 53 formulierte: "Alle Fremden, die kommen, sollen aufgenommen werden wie Jesus Christus".
Zusatzangebote sorgen für Abwechslung
Für einige Orden hat sich der Klosterurlaub sogar zu einem wichtigen finanziellen Zubrot entwickelt - ein Grund, die Zusatzangebote stetig zu erweitern. Im Kloster Kostenz im Bayerischen Wald stehen den Gästen eine finnische Sauna, ein Kneipp-Rondell und ein Gesundbrunnen zur Verfügung. Im Kloster Gerode im Südharz wird Yoga geübt, und das Koblenzer Kloster Arenberg bietet Kurse in der japanischen Kunst des Blumensteckens (Ikebana) und Familienaufstellungen an. So umfangreich sind die Angebote kleinerer Stifte nicht. Dort lebt es sich dafür intensiver mit den oft nur sechs, sieben Brüdern oder Schwestern zusammen, wie beispielsweise im Franziskanerkloster in Marienthal im Rheingau.
Offenheit und Toleranz
Bei kleineren Orden muss der Gast noch stärker das mitbringen, was seine Gastgeber ebenfalls beweisen: Offenheit und Toleranz. Die zeigt sich bei einigen Klöstern darin, dass sie auch Gäste anderer Konfessionen Unterkunft gewähren - solange diese den klösterlichen Alltag inklusive Gebets- und Stillezeiten respektieren und mancherorts auch bereit sind, in Klostergarten oder -küche mitzuarbeiten. Schließlich geht es nicht allen um Urlaub: Immerhin rund 15 Prozent der Besucher nutzen die Chance, sich über ihre mögliche Berufung zum Klosterleben klar zu werden. Sie bleiben dann auch oft länger als die eine Woche, die die Deutsche Ordensobernkonferenz (DOK) Klosterneulingen für den Erstaufenthalt empfiehlt.
Guter Rat inklusive
Im Gegenzug für die Mitarbeit finden die Besucher nicht nur Stille, sondern auch guten Rat. Ob Eheprobleme oder die Frage nach der beruflichen Neuorientierung - Gespräche mit einem Geistlichen helfen oft, das eigene Leben aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Dabei ist weniger relevant, aus welchem Orden der Zuhörer stammt. Geistliche Unterstützung finden Suchende ebenso in der Prämonstratenserabtei Speinshart wie im Kapuzinerkloster Luzern. Denn auch in der Schweiz hat der Urlaub im Kloster Hochkonjunktur. Die österreichischen Klöster werden schon seit gut zehn Jahren unter dem Namen "Klösterreich" professionell vermarktet.
Urlaub im Kloster - das liegt im Trend
2008 konnten die meisten deutschen Orden gleichbleibend hohe oder wachsende Besucherzahlen verzeichnen. In Krisenzeiten suchten die Menschen schon immer Rat und Ruhe bei der Kirche; die Zahlen dürften also weiter ansteigen. Wem es da in den deutschen Klostern zu voll wird, der findet inzwischen auch zahlreiche Angebote im Ausland. Tina Esch schrieb bereits vor fünf Jahren ihre Diplomarbeit über das Thema und gründete später den Veranstalter "Klosterreisen - retreats and more". Sie hat unter anderem eine Reise in das buddhistische Kloster Weduwa in Sri Lanka im Angebot, Sonne und Sandstrand inklusive. Esch: "Allerdings muss der Gast viel Toleranz mitbringen - wegen der Sprachbarriere und auch, weil die Unterbringung eher einfach gehalten ist." Aber schließlich ist die Konzentration auf das Wesentliche ja eine der Hoffnungen, die viele Menschen für eine kurze Zeit ins Kloster treibt.
Weitere Informationen zum Urlaub im Kloster
Die Deutsche Ordensobernkonferenz (DOK) gibt jährlich die "Kloster auf Zeit"-Broschüre "Atem holen" heraus, schriftlich bestellbar beim Haus der Orden, Wittelsbacherring 9, 53115 Bonn. Eine Übersicht über die besucheroffenen katholischen Klöster ist auch im Internet verfügbar unter www.orden.de. Eine Übersicht über Angebote in evangelischen Kommunitäten, Bruder- und Schwesternschaften gibt es bei der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Tel. 0511/27960, Internet: www.ekd.de Klöster in Österreich: Klösterreich, Tel. 0043/27/3555350, Internet: www.kloesterreich.at; Canisiuswerk, Tel. 0043/1/5125107, Internet: www.canisius.at. Klöster in der Schweiz: Übersicht bei der Konferenz der Vereinigungen der Orden und Säkularinstitute der Schweiz unter www.kath.ch.
Diese Reiseveranstalter bieten Urlaub im Kloster an
SKR Studien-Kontakt-Reisen: Klosterurlaub im deutschsprachigen Raum (z.B. Kloster Kostenz), in Kroatien, auf Lesbos, auf Mallorca und am Sinai, Tel. 0228/9357320, Internet: www.skr.de. Weg der Mitte: Klosterurlaub in Gerode mit Yoga-Kurs, Tel. 036072/8200, Internet: www.wegdermitte.de. Kloster Arenberg: Klosterurlaub mit diversen Kursangeboten, direkt beim Kloster buchbar, Tel. 0261/64012090, Internet: www.kloster-arenberg.de. Klosterreisen - retreats and more, Klosterurlaub u.a. in Nepal, Sri Lanka, Bulgarien und auf Gozo, Tel. 0511/5343597, Intenet: www.klosterreisen.de.
Kay Szantyr