Skiurlaub auf die sanfte Tour

München - Wintersportorte mit gutem Gewissen: Immer mehr Skiorte in den Alpen werben mit klimaneutralen Ferien. Doch Umweltschützer sind skeptisch.
Tobias Schmid ist ein bescheidener Mensch. Abgeschieden lebt der Landwirt mit seiner Familie auf der 1296 Meter hohen Peters Alpe in den Bergen bei Oberstdorf: Kein Warmwasser, kein Stromanschluss. Nur ein alter Dieselmotor knattert hin und wieder, um Licht zu erzeugen oder Warmwasser für die schmutzigen Teller der Tagesgäste, die sich auf der Terrasse mit Allgäuer Spezialitäten verwöhnen lassen. Rußige Dieselwolken verpuffen dann in der Bergluft. Tagein, tagaus ging das rustikale Leben der Schmids so seinen Lauf, bis im vergangenen Frühjahr die Moderne auf der Peters Alpe Einzug hielt. Binnen weniger Stunden installierten Handwerker Solarzellen für Warmwasser und eine Photovoltaik-Anlage zur Stromerzeugung. Seitdem ist Schluss mit der Dieselverbrennung im Landschaftsschutzgebiet. Kein Motorenrattern stört mehr die Idylle. Statt dessen ist nur noch das leise Surren der Photovoltaik-Anlage zu hören.
6000 Euro aus der Klimabox
Die Aufrüstung der Peters Alpe ist Teil eines Modellprojekts. Finanziert wurde die Anlage aus dem Erlös einer im vergangenen Winter gestarteten Aktion. Erstmals hatten Wintersportler, die in einem der Oberstdorfer Skigebiete Fellhorn-Kanzelwand, Nebelhorn und Walmendingerhorn ihren Skiurlaub verbrachten, die Möglichkeit, diesen klimaneutral zu gestalten. In einer Tabelle konnten sie nachsehen, wie viele Abgase ihr Aufenthalt verursacht. Den Gegenwert der entstandenen CO2-Menge konnten sie bei den Oberstdorfer Bergbahnen als freiwilligen Obulus in die so genannten Klimaboxen werfen. Die insgesamt 6000 erlösten Euro flossen in das CO2-Ausgleichsprojekt auf der Peters Alpe und in ein ähnliches Projekt auf der Hinteren Seealpe am benachbarten Nebelhorn. "Mit dem Diesel ist seitdem Schluss", sagt Manfred Kurrle, Besitzer der Peters Alpe und Initiator der Naturschutzstiftung Allgäuer Hochalpen. "Wir produzieren nun klimafreundlichen Strom. Im kommenden Winter soll die Aktion fortgesetzt werden."
Ein Skigebiet pustet 400 t CO2 in die Atmosphäre
Was bei Flügen längst an der Tagesordnung ist, machen auch immer mehr Wintersportorte zum Programm: CO2-Emissionen, die an einer Stelle entstehen, an anderer ausgleichen. Das Oberstdorfer Projekt ist nur eines von vielen, die derzeit ins Leben gerufen werden. Auch der Feldberg im Schwarzwald setzt seit einiger Zeit auf Klimaschutz. Im Auftrag des 520-Betten-Hotels Feldberger Hof erstellte das Umwelt-Beratungsunternehmen Climate Partner im vergangenen Jahr einen so genannten CO2-Fußabdruck der nahe gelegenen Feldbergbahn mit allen ihren Liften und Pisten. Das Ergebnis: Der Betrieb der Liftanlagen sowie die Beschneiung der Pisten verursacht jährlich rund 400 Tonnen CO2. Gäste des Feldberger Hofs, die klimaneutral Ski fahren wollen, können ihre Liftkarten seitdem an der Rezeption abgeben. Auf Basis des CO2-Fußabdrucks wird dann die Pro-Kopf-Menge des ausgestoßenen CO2 ermittelt. Die so errechneten Emissionen werden von den Initiatoren später durch Investitionen in verschiedene Klimaschutzprojekte ausgeglichen. Jahrelang machten Bergbahnbetreiber und Tourismusanbieter in den Alpen, was sie wollten. Jetzt heizt ihnen der Treibhauseffekt mächtig ein. Klimaforscher prognostizieren Schneesicherheit in den kommenden Jahrzehnten erst oberhalb von 1500 Metern, weswegen sich vor allem niedrig gelegene Skigebiete wie Oberstdorf und der Feldberg verstärkt im Klimaschutz engagieren. Doch Umweltexperten sind skeptisch. Nicht, weil solche Aktionen keinen Sinn machen, sondern aus Prinzip. "Durch CO2-Ausgleichszahlungen wird ein falsches Bild erzeugt", sagt Jurrien Westerhof von Greenpeace Österreich. "Dem Urlauber wird dadurch vorgegaukelt, er könne weiter Energie verschwenden, wenn er dafür einen Ablass zahlt. Das ist paradox." Die Energie solle dort eingespart werden, wo sie verbraucht werde – zum Beispiel bei der Anfahrt. "Geht man von einer Autofahrt von zweimal 500 Kilometern aus, so reichen die dafür benötigten 100 Liter Sprit aus, um ein ganzes Hotelzimmer einen Monat lang zu heizen. Selbst wenn man den Energieverbrauch für den Lift dazunimmt, kommt unter dem Strich weniger dabei heraus als für An- und Abreise." Genau an diesem Punkt setzen die Alpine Pearls an. Unter diesem Namen haben sich 2006 17 Orte aus fünf Alpenländern zusammengeschlossen, um ihren Gästen eine so genannte Mobilitätsgarantie anzubieten. Das heißt: Alle Orte sind mindestens viermal täglich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Zwischen neun und 20 Uhr verkehren Busse zwischen den wichtigsten Zielen vor Ort, die Wartezeit beträgt maximal eine halbe Stunde.
An- und Abreise per Auto sind die folgenreichsten Klimakiller
Die beiden angeschlossenen Gemeinden Werfenweng und Arosa bieten ihren Gästen zudem klimaneutrale Ferien an. Bereits bei der Buchung gibt der Gast an, von wo er anreist. Die Emissionen der Anreise werden dann zu denen des Aufenthalts addiert. Die Kosten, die entstehen, um diese Emissionen an anderer Stelle einzusparen, übernehmen die Gemeinden selbst. Der Gast erhält als Nachweis, dass er seinen Urlaub klimaneutral gestaltet hat, ein Zertifikat. Mittlerweile ist der Verbund auf 22 Orte in sechs Ländern angewachsen. Neben dem österreichischen Werfenweng und Arosa in der Schweiz gehören unter anderem auch Hinterstoder, Neukirchen am Großvenediger, Interlaken, Les Gets und Morzine in Frankreich, Deutschnofen und Ratschings in Italien, Bled in Slowenien sowie die bayerischen Wintersportorte Berchtesgaden und Bad Reichenhall dazu. Und das Konzept scheint aufzugehen: Die Gemeinde Werfenweng zum Beispiel, seit Jahren ein Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit, registriert ständig wachsende Besucherzahlen. Und zunehmend Gäste, die mit dem Zug anreisen. "Die Zahl der Touristen, die mit der Bahn kommen, ist in den vergangenen Jahren von sieben Prozent auf 25 Prozent gestiegen", sagt Natalie Sanabria von Alpine Pearls.
Skifahren und Klimaschutz schließen sich nicht aus
Auch in der Schweiz ist der autofreie Urlaub stark im Kommen. Dort haben sich neun Skiorte zur Gemeinschaft Autofreier Schweizer Tourismusorte (GAST) zusammengeschlossen. Neben Wengen, Saas-Fee und Zermatt gehören auch Braunwald in der Ostschweiz sowie Rigi-Kaltbad und Stoos in der Zentralschweiz dazu. In allen Orten gilt ein Fahrverbot für Autos. Elektrobusse bringen die Gäste kostenlos vom Bahnhof zu den Hotels und von dort zu den Talstationen. "Das ist nicht nur gut für die Umwelt. Der Gast profitiert auch von hoher Luftqualität und Bewegungsfreiheit in den Straßen", heißt es bei GAST. Auch Oberstdorf setzt neuerdings auf klimaschonende Anreise. So haben die Bergbahnen auf ihrer Webseite kürzlich eine Mitfahrzentrale eingerichtet. Die Idee kam Bergbahn-Chef Augustin Kröll beim Bahnstreik. "Die Seite wurde hervorragend angenommen. Der Verkehr bei uns hat sich seitdem erheblich reduziert", sagt Kröll.
Dass sich Ski und Klimaschutz nicht grundsätzlich ausschließen, davon sind nicht nur die Bergbahnbetreiber überzeugt. "Für viele Menschen ist der Skiurlaub eine der wenigen Möglichkeiten im Jahr, Zeit in der Natur zu verbringen. Das sollen sie auch weiterhin tun", sagt Greenpeaceler Jurrien Westerhof. "Allerdings sollte das bewusster geschehen als bisher. Für Megadiscos und DJ Ötzi muss man nicht unbedingt in die Alpen fahren, für verschneite Pisten dagegen schon." Gerade in schneearmen Wintern sei es wichtig, nicht um jeden Preis Ski fahren zu gehen. Nur so verhindere man eine weitere Erschließung der Berge, den Bau von noch mehr Straßen, noch mehr Pisten und noch höher gelegenen Aufstiegshilfen. Sonst geht es den Liftbetreibern in den Alpen möglicherweise schon bald so wie den Kollegen in Spanien. In San Glorio in der Provinz León hat ein Gericht erst in diesem Frühjahr den Bau eines riesigen Wintersportzentrums mit 55 Kilometern Pisten untersagt. Wegen der Klimaerwärmung, so der Oberste Gerichtshof der Provinz Castilla-León in seinem Urteil. Der durch die Gäste entstehende Schaden sei der Umwelt nicht zuzumuten. Ein nicht nur für Spanien richtungsweisendes Urteil.
Hier gibt es weitere Informationen
Informationen rund um Oberstdorf und die Skiberge Nebelhorn, Fellhorn, Kanzelwand und Walmendingerhorn: www.oberstdorf.de; Zahlreiche Informationen rund um den höchsten Berg im Schwarzwald: www.feldberg-schwarzwald.de; Hotelzimmer und Ferienwohnungen direkt am Fuß der Feldbergbahn: www.feldberger-hof.de; Alles rund um den freiwilligen Klimaschutz: www.climatepartner.com; Greenpeace Österreich mit Informationen zu allen ökologischen Fragen und den klimatechnischen Problemen der Alpenrepublik: www.greenpeace.at; Zusammenschluss von 22 Orten in Österreich, Deutschland, Italien, Frankreich, Slowenien und der Schweiz, die nachhaltigen und klimaschonenden Urlaub in den Alpen anbieten: www.alpine-pearls.com; Gemeinschaft Autofreier Schweizer Tourismusorte (GAST), zu der sich insgesamt neun Wintersportorte angeschlossen haben: www.gast.org.
Fabian von Poser