Schichtwechsel im Ruhrgebiet
Duisburg - Sie gilt bis heute als „die schönste Zeche der Welt“. Bis zu 8000 Kumpel haben unter dem Doppelturm im Essener Norden in Spitzenzeiten mehr als 12 000 Tonnen Kohle täglich gefördert; gleich vor Ort wurde sie in der 600 Meter langen, weltweit größten Kokerei zu Koks veredelt. Doch das sind längst vergangene Tage - 1986 war Schicht im Schacht, die Zeche Zollverein wurde geschlossen. Für immer. Seither stirbt das Zeitalter von Kohle und Stahl im Revier Jahr für Jahr ein bisschen mehr. 14 000 Menschen sind heute noch in ganz Deutschland im Bergbau beschäftigt, Tendenz fallend.
2018 laufen die Steinkohlesubventionen aus
Auf 2018 ist das Haltbarkeitsdatum des deutschen Bergbaus festgelegt, dann laufen die Steinkohlesubventionen aus. Die Schachtanlage Prosper IV im Bottroper Bergwerk Prosper-Haniel wird dann als letzte Zeche im Revier das Licht ausmachen. „Die Kohle hier würde noch 350 Jahre reichen“, sagt Frank Switala mit leiser Wehmut in der Stimme. Switala steht für den Wandel des Ruhrgebiets. Sein Großvater hat an den Hochöfen der Thyssen AG in Duisburg-Meiderich gearbeitet. Wo einst rohes Eisen zu Stahl verarbeitet wurde, führt Switala heute Touristen über die Industriebrache. Das Gelände heißt jetzt Landschaftspark Nord und zieht jährlich rund 700 000 Besucher an. Im Laufe von mehr als zehn Jahren wurde das 200 Hektar große Areal zu einem Multifunktionspark umgewandelt - bei freiem Eintritt. In einem alten Gasometer entstand Europas größtes künstliches Tauchsportzentrum, in einer ehemaligen Gießhalle und zwischen Hochöfen spannt sich ein gigantischer Hochseilparcours, die Erzlagerbunker sind zu einem Klettergarten umfunktioniert, ein erloschener Hochofen wurde zum Aussichtsturm.
Der Landschaftspark Duisburg-Nord ist einer von 53 Spielorten bei der „Extraschicht“ am 30. Juni. Bergwerke, Zechen, Umspannwerke, Kläranlagen werden ebenso spektakulär in Szene gesetzt wie Brauereien, Museen und Theater. Die lange Nacht der Industriekultur lockt alljährlich bis zu 200 000 Besucher in den Pott, die sich von 18 bis 2 Uhr auf eine Entdeckungsreise durch die industrielle Geschichte des Ruhrgebiets begeben. „Die ,Extraschicht‘ ist eines der größten Kulturfeste Europas“, sagt Axel Biermann, Geschäftsführer von Ruhr Tourismus, nicht ohne Stolz. Mehr als 1000 Künstler treten an diesem Abend bei 200 Veranstaltungen in 23 Städten auf - Muse trifft Maloche.
„Dortmund und das Ruhrgebiet sind heute der Nabel der Logistikforschung“
Arbeit im Ruhrgebiet, das war jahrzehntelang Schwerstarbeit unter Tage. Heute entstehen die Arbeitsplätze in der Forschung, im IT-Bereich und in der Logistik. Auf diesen Strukturwandel richtet die Industrie- und Handelskammer (IHK) Dortmund bei der „Extraschicht“ den Fokus und veranstaltet bereits am Nachmittag Extratouren zu Industrieunternehmen und Logistikbetrieben. Ein Höhepunkt ist dabei der Blick hinter die Kulissen des Ikea-Europalagers in Dortmund - das weltweit größte Verteilzentrum des schwedischen Möbelherstellers. Das Gelände mit der Fläche von rund 200 Fußballfeldern bietet Platz für 430 000 Paletten und Arbeit für 1300 Beschäftigte. „Dortmund und das Ruhrgebiet sind heute der Nabel der Logistikforschung“, sagt Stefan Peltzer von der IHK Dortmund und verweist auf mehr als 550 Wissenschaftler, Ingenieure und Professoren, die sich in der Stadt des deutschen Fußball-Meisters damit beschäftigen, Logistikkonzepte zu entwickeln.
Zu den Höhepunkten des Ruhrgebiets gehören aber nicht nur die Zechentürme, sondern auch die Halden. Die aus Bergschutt oder Schlacke aufgehäuften Hügel überragen ihre Umgebung teils um mehr als 100 Meter und gehören zu den höchsten Erhebungen des Landstrichs zwischen Emscher und Ruhr. Häufig zieren eindrucksvolle Installationen, Großskulpturen und Aussichtsplattformen die Gipfel dieser Landmarken. Etwa die Großskulptur „Tiger & Turtle - Magic Mountain in Duisburg“, eine Art begehbare Achterbahn, der Tetraeder in Bottrop, das „Geleucht“ in Moers oder die Halde Hoheward in Herten mit ihrem Horizontobservatorium und dem Obelisk samt Sonnenuhr. Wem die Halde mit ihren 152 Metern für einen Spaziergang zu hoch ist, der kann sie auch bequem mit einem Segway erklimmen.
Anreise
Die Bahn bietet ICE-Verbindungen von Stuttgart und Mannheim zu den Ruhrgebietsmetropolen Duisburg, Essen, Bochum und Dortmund.
Tickets
Das „Extraschicht“-Ticket berechtigt zum Eintritt an allen 53 Spielorten in der Nacht der Industriekultur. Die „Extraschicht“ beginnt am 30. Juni um 18 Uhr und endet um 2 Uhr. Tickets gibt es für 14 Euro bei Ruhr Tourismus unter Telefon 0 18 05 / 18 16 50 sowie im Internet unter www.extraschicht.de. An der Abendkasse kostet das Ticket an allen Spielorten 16 Euro.
Mobilität
Das Ticket der „Extraschicht“ gilt für das gesamte Nahverkehrsnetz und sämtliche Shuttle-Linien vom 30. Juni bis um 7 Uhr am Folgetag. Auf 22 Sonderlinien sind 170 Shuttle-Busse im Einsatz. Besonderes Highlight sind acht Shuttle-Schiffe, die zwischen dem Innenhafen Duisburg, Schloss Oberhausen und Nordsternpark Gelsenkirchen sowie der Künstlerzeche Unser Frist 2/3 und dem Umspannwerk Recklinghausen pendeln. Ideales Fortbewegungsmittel zwischen den Schauplätzen ist das Fahrrad.
Allgemeine Informationen
Tourismusverband des Ruhrgebiets, Telefon 0 18 05 / 18 16 10, www.ruhr-tourismus.de.
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