Plätze voller Kraft und Mystik
Kraftorte nennen die einen sie, magisch die anderen: Orte, die den Besucher verzaubern, die ihn nicht mehr loslassen. Wir stellen sieben davon vor.
Mykene: Ruinen von archaischer Wucht. Es sind gewaltige Steine, die im zweiten Jahrtausend vor Jesus Christus für die zyklopische Rundmauer aufeinander gestapelt wurden. Das "Löwentor" lässt noch etwas ahnen von der Pracht der Vorantike. Mykene, die Stadt des Perseus ist heute ein Ruinenfeld von geradezu archaischer Wucht. Aus dem 16. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung stammen die königlichen Schachtgräber, in denen die Ausgräber unter Heinrich Schliemann Goldschmuck, Masken und wertvolle Gefäße fanden. Unter den großen Kuppelgräbern aus dem 13. Jahrhundert v.Chr. ist das "Schatzhaus des Atreus" das prächtigste. Die dicken Mauern von Mykene waren in der griechischen Sagenwelt Zeugen blutiger Tragödien, Schicksalhaftes scheint hier gebündelt wie in einem Brennglas - und genau das ist es wohl, was diese Ruinen zu einem magischen Ort macht. Mykene liegt auf dem Peloponnes etwa zehn Kilometer von Argos entfernt und ist vom 10. April bis 31. Oktober geöffnet. Eintritt 8 Euro. Info: odysseus.culture.gr.
Blautopf: Unergründlich blaue Quelle
Die schöne Lau ist die schwäbische Schwester der Loreley. Eduard Mörike erzählt das Märchen der Wasserfrau "mit langen fließenden Haaren" und übergroßen blauen Augen. Ihr Reich war der Blautopf. Hier lebte sie in einem unterirdischen Schloss, bis sie der Wasserkönig heim ins sein Reich im Schwarzen Meer holte. Doch der kleine, kreisrunde See beim Städtchen Blaubeuren hat die Magie der geheimnisvollen Nixe bewahrt, sein tiefes, unergründliches Blau erinnert an die Augen der schönen Lau. Und die "bodenlose Tiefe", von der manche Sagen erzählen, zieht die Taucher geradezu magisch an. Sie fanden auch Mörikes "Wasserschloss", ein gigantisches Höhlensystem mit gewaltigen Hallen - und in einer davon auch die schöne Lau, einen zwei Meter hohen Tropfstein in Gestalt einer Frau. Info: www.blaubeuren.de
Der Jakobsweg: Auf dem Weg zu sich selbst
Nicht erst seit Hape Kerkeling sind die 800 Kilometer des Jakobswegs nach Santiago de Compostela der europäische Pilgerweg schlechthin. Pilgern ist wieder in, und das Jakobusgrab in Santiago de Compostela das Ziel von Hunderttausenden aus aller Welt. Junge und Alte pilgern nach Santiago - unter Entbehrungen und mit Blasen an den Füßen die einen, andere machen's im Schnelldurchgang und übernachten komfortabel in Hotels. Doch auch sie können sich der Magie des Weges nicht entziehen. Der Jakobsweg, seit 1993 Weltkulturerbe, ist zu einem Massenphänomen geworden wie in alter Zeit: Menschen machen sich auf den Weg, unabhängig von ihrem Glauben. Sie sind auf der Suche nach dem Spirituellen, auf dem Weg zu sich selbst.
Burgen der Katharer: Anziehende Ruinen
Sie stehen da, als wollten sie immer noch der Zeit trotzen und dem Ansturm der feindlichen Heere: Die Burgen der Katharer in Südfrankreich sind steinerne Zeugen eines grausigen Vernichtungsfeldzugs. Die hohlen Türme, die leeren Fensterhöhlen, die zerstörten Mauern und brüchigen Treppen haben eine fast unheimliche Anziehungskraft. 1209 hatte der Papst zum Kreuzzug gegen die "Ketzer" aufgerufen. Die Menschen auf den Trutzburgen leisteten erbitterten Widerstand - bis in den Tod. Nach zehnmonatiger Belagerung fiel 1244 Montsegur: 215 Katharer starben auf einem riesigen Scheiterhaufen, weil sie ihrem Glauben nicht abschwören wollten. Heute gehen Touristen den Weg der Katharer, und manche glauben, in den Ruinen noch etwas zu spüren vom kalten Hauch des Schicksals. Info: www.payscathare.org.
Pompeji: Schaurig-schöne Katastrophe
Ein Vulkanausbruch hat die Stadt weltberühmt gemacht. Im Jahre 79 nach Jesus Christus löschte er eine blühende Stadt aus. Vieles steht heute noch so wie damals, an jenem sonnigen Spätsommertag, an dem die Stadt zur tödlichen Falle wurde. Und doch lebt Pompeji. Archäologen haben die Stadt ausgegraben, die Asche hat Kunstwerke und Alltägliches erhalten wie ein Schutzfilm. Selbst viele Tote wurden mumifiziert. Man ahnt ihre Panik in der auf ewig konservierten Abwehrhaltung. So wirkt Pompeji auf die Nachgeborenen wie eine Zeitkapsel, eine schaurig-schöne Warnung vor den Naturgewalten. Info: www.pompeiturismo.it, www.pompeiservice.it.
Rosslyn Chapel: Geheimnisvolle Ornamente
Um rätselhafte Ereignisse geht es im "Da Vinci Code" von Dan Brown. Bei dessen Verfilmung hat Rosslyn Chapel nahe Edinburgh eine wichtige Rolle gespielt. Nur schade, dass das Wunderwerk aus Stein gerade eine Baustelle ist. Das zarte Muster der Steinmetzarbeiten ist so nur teilweise zu bewundern. Doch auch das genügt, um zu faszinieren. Kaum zu glauben, dass Rosslyn Chapel jahrhundertelang als Stall missbraucht wurde. Erst seit 1862 wird sie wieder als Kapelle genutzt. Und bis heute gibt sie Rätsel auf - mit dem gemeißelten Totentanz, dem Dudelsack spielenden Engel, dem "grünen Mann", dem die Blattranken aus dem Mund wachsen, und mit Ornamenten von Pflanzen, die es damals nur in Amerika gab. Wie kamen sie hierher, lange bevor Columbus Amerika entdeckte? Info: www.rosslynchapel.org.uk.
Rütli-Wiese: Urmythos der Schweiz
Eine Wiese, was sonst? Aber was für eine Geschichte! Auf der Bergwiese am westlichen Ufer des Urnersees sollen sich die ersten Schweizer Kantone 1291 zusammen geschlossen und den Rütlischwur geleistet haben. "Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern", heißt es in Schillers Drama "Wilhelm Tell". Ob Tell je gelebt hat, ist bis heute Glaubenssache. Die "Wiege der Eidgenossenschaft" bliebe auch ohne ihn ein Mythos. Sie ist ja einiges gewöhnt: Die alljährlichen Rütli-Feiern am 1. August werden regelmäßig von Rechtsradikalen heimgesucht, die den Rütli für ihr nationalistisches Gedankengut instrumentalisieren wollen. Zum großen Ärger der liberalen Schweizer, für die diese unscheinbare Wiese ein Wallfahrtsort ist. Zum Rütli kommt man am besten von Brunnen aus per Boot (www.lakelucerne.ch). Der Anstieg zur Wiese dauert etwa zehn Minuten. Info: www.ruetli.ch.
Simone F. Lucas
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