Norwegen per Eisenbahn

Ein Schaffner in schwarz-roter Uniform schwingt seine Kelle und bläst in die Pfeife. Alle Passagiere sind an Board, die Türen schließen. Langsam nimmt die tonnenschwere rot-gelbe Diesellokomotive Fahrt auf und verlässt den Bahnhof in Trondheim.
In Richtung Norden führt die mit 730 Kilometern und rund neuneinhalb Stunden Fahrzeit längste Eisenbahnstrecke Norwegens durch die saftig-grüne Region Trøndelag und eine wilde Berglandschaft mit reißenden, fischreichen Flüssen.
Auf dem höchsten Punkt der Strecke gut 700 Meter über dem Meeresspiegel bahnt sich die Lokomotive ihren Weg vorbei am majestätischen Saltfjellet-Gebirge. „Bald überqueren wir den Polarkreis“, ertönt eine Durchsage. Der Lokführer drosselt das Tempo. Gespannt blicken die Zugreisenden aus den Fenstern. Hier, auf dem 66,5 Grad nördlicher Breite, weichen Wälder und Wiesen einer von Moosen und Flechten bedeckten Landschaft. Auch Ende Mai sind Schneefelder nichts Ungewöhnliches.
Auf dem Weg hinab zur Endstation, der Küstenstadt Bodø, blüht die Natur wieder auf. Steil hinaufragende Bergketten schmiegen sich an den Horizont. Die Gipfel spiegeln sich am zu Fuße liegenden Fjord.
Mit der Nordlandbahn lässt sich Norwegen auf eine ganz andere Weise erkunden. Rasant wechselt die Landschaft ihre Form, die Natur ihre Farben. Und neben der Zugfahrt an sich sind es vor allem die Stationen, die beeindrucken. Drei Beispiele:
Kultur und Kulinarik
Trondheim, die einstige Hauptstadt Norwegens, ist Ausgangspunkt der Reise mit der Nordlandbahn. Doch bevor es auf die Schienen geht, lohnt ein Tag in der drittgrößten Stadt des Landes, die trotz knapp 180 000 Einwohnern gemütlichen Dorfcharakter ausstrahlt.
Besonders erlebbar wird dieser bei einem Spaziergang durch Bakklandet, der Altstadt Trondheims. Junge Menschen plaudern vor kleinen Cafés, Musik ertönt aus den Gassen, in urigen Läden wird Handgearbeitetes angeboten. Am anderen Ufer, über die alte Stadtbrücke und vorbei an den farbenprächtigen, historischen Speicherhäusern, die sich im Wasser spiegeln, ragt Norwegens Nationalheiligtum in die Luft: der Nidarosdom. Er ist Pilgerziel des Olavsweges – und anders als seine große Schwester, die Kathedrale von Santiago de Compostela, bei weitem nicht so überlaufen.
Wer nach dem Stadtrundgang Lust auf Kulinarisches hat, dem ist die Mathallen (Markthalle) nahegelegt. Hier werden regionale Spezialitäten angeboten – und 4000 Biersorten.
Genuss und Gastfreundschaft
Nach gut einstündiger Zugfahrt wird Halt gemacht. Die Region Innherred im Norden Trøndelags lockt mit Gaumenfreuden.
Mit dem Bus oder per Auto lässt sich der „Goldene Umweg“ befahren. An ihm liegenzahlreiche urige Läden, gemütliche Restaurants und gastfreundliche Höfe.
Etwa der von Schafsbauer Svein Benfjord. Der Landwirt brennt seinen eigenen Aquavit, das Lebenselixier der Norweger. Besucher erhalten eine Kostprobe. „Einen Aquavit trinkt man nie kalt“, rät er.
Nur unweit liegt der Hof Gangstad Gårdsysteri seiner Kollegin, der Milchbäuerin Astrid Aasen. Mit Leidenschaft stellt die frühere Lehrerin zusammen mit Mann und Sohn Käse und Eis her. Sanddorn, Karamell, Lakritze oder auch herkömmliche Sorten wie Schokolade und Erdbeere bietet sie an. Sogar Elcheis hat Aasen im Sortiment. Fleisch ist freilich nicht enthalten. Um den „Geruch des Waldes, der Heimat der Elche, einzufangen“, wie sie erklärt, verwendet sie in Milch gekochte Fichtennadelspitzen und Preiselbeeren.
Regionalität wird auf dem „Goldenen Umweg“ großgeschrieben. So ist es nicht verwunderlich, dass im Restaurant Øyna von Frode Sakshaug Aquavit und Lammfleisch von Benfjord sowie Käse und Eis von Aasen auf der Karte stehen. „Wir wollen einfach wissen, woher die Produkte stammen, die wir unseren Gästen servieren“, betont Sakshaug.
Stadtleben und Stille
Viele Stopps an der Strecke der Nordlandbahn wären noch lohnenswert. Denen, die ausreichend Zeit mitbringen, ist ein Halt im Handelsstädtchen Mosjøen nahegelegt. Ein Muss für alle ist aber der Ausklang der Zugreise an der Endstation, der Küstenstadt Bodø.
Im Mai 1940 von den Nazis fast völlig zerbombt, blüht die 50 000-Einwohner-Stadt seit einigen Jahren auf. Im nagelneuen Konzerthaus Stormen kommen sowohl Liebhaber klassischer Musik als auch Rock- und Metalfans auf ihre Kosten. Auch Shopping-Möglichkeiten gibt es genügend. Und von der Stadtbibliothek aus eröffnet sich ein Panoramablick auf den Hafen und die umliegenden Berggipfel.
Wer nahezu völlige Stille sucht, der kann dem Trubel mit einer gut halbstündigen Bus- und Fährfahrt in den früheren Handelsort Kjerringøy entfliehen. Bunte Häuschen schmiegen sich an das Ufer. Beim Abendessen – fangfrischer Lachs – ist neben dem Rauschen der Wellen und Vogelgesängen kaum ein Ton zu hören.
Reise-Informationen
Anreise: Von München aus fliegt Scandinavian Airlines (SAS) via Kopenhagen oder Oslo nach Trondheim oder Bodø. Auch KLM bietet Flüge via Amsterdam an. Die Preise variieren je nach Fluggesellschaft und Reisezeit zwischen 200 und 600 Euro. Zugreise: Die Fahrt mit der Nordlandbahn von Trondheim nach Bodø kostet zwischen 48 Euro und 117 Euro. Gebucht werden kann unter www.nsb.no, hier wird auch angezeigt, ob es noch Tickets zum Sparpreis gibt.
Unterkunft: Eine Nacht in einem drei Sterne Hotel kostet etwa zwischen 70 und 120 Euro (für Mai/Juni).
Reisezeit: Für die Zugreise empfehlenswert sind die Monate Mai bis August, dann wird es kaum dunkel. In Bodø lässt sich von Ende Mai bis Anfang Juli die Mitternachtssonne bestaunen.
Temperaturen/Kleidung: Im Sommer kann das Thermometer sowohl unter 10° Celsius fallen als auch auf knapp 30° Celsius steigen. Deshalb schadet eine kurze Hose genauso wenig wie eine warme Jacke.
Bezahlung: Gezahlt wird in Norwegischen Kronen (NOK), allerdings kann nahezu überall problemlos mit Kreditkarte gezahlt werden. Das Preisniveau ist hoch.
Weitere Informationen: Visit Norway: Tel.: (+49) 40 22 94 15 0, E-Mail: germany@innovationnorway.no, Internet: www.visitnorway.com; Trøndelag Reiseliv AS: E-Mail: touristinfo@trondelag.com, Internet: www.trondelag.com. Visit Northern Norway: Tel.: +47 901 77 500, E-Mail: post@nordnorge.com, Internet: www.northernnorway.com.