Moritat vom Mönchlein Martin
Erfurt - Pfarrer Neumann greift zur Klampfe und hebt an: „In diesem lieblichen Waldestal, geschah es vor langer Zeit einmal, im Jahre Fünfzehn und Zwanzig und Ein, am 4. Mai, da musst es wohl sein.“ Die Moritat erzählt, wie Martin Luther dereinst am 4. Mai 1521 im nahen Glasgrundbach von fünf Vermummten entführt und zu seinem eigenen Schutz auf die Wartburg gebracht wurde. Während er singt, kurbelt der Silberhaarige auf einem Gestell eine Rolle 30 Jahre alter, handgemalter Bilder herunter, die das Geschehen verdeutlichen. Und er erzählt, wie das Dorf Möhra 1983 zu Luthers 500. Geburtstag die Entführung als Spektakel nachstellte — so lebensecht, dass mancher Stasi-Mann im Publikum zusammenzuckte. Wohlwollend blicken ein gläserner Luther und sein Freund Philipp Melanchthon vom Kirchenfenster auf den Sänger herunter. Gern lassen sie sich huldigen in Möhra. Immerhin wurde der Reformator hier gezeugt, im gleichen Jahr 1483, in dem seine Eltern nach Eisleben zogen, wo er am 10. November zur Welt kam.
2017 jährt sich zum 500. Mal der Anschlag der Thesen zu Wittenberg, die Geburtsstunde der Reformation — ein theologisches, aber auch ein touristisches Großereignis. Und bereits jetzt präsentieren in Thüringen die Orte, die mit seinem Leben verbunden sind, „ihren“ Luther auf höchst unterschiedliche Art und Weise. Auf der Wartburg über Eisenach ist noch die Kammer erhalten, in der er das Neue Testament aus dem Griechischen ins Deutsche übersetzte. Zumindest der Fußboden und die breiten, groben Bretter der Wandverkleidung sind noch von damals. Luthers Schreibtisch aber zerlegten gläubige Pilger schon früh und schleppten die Partikel als Reliquien nach Hause.
Ganz Thüringen feiert seinen Luther: Von Eisenach bis Eisleben
Unten im Ort Eisenach ging Luther zur Lateinschule. Er wohnte im Hause des Patrizierehepaars Cotta, dem heutigen Lutherhaus. Luthers „Kätchen“ erwartet die Besucher, in rotem Kleid, straff geschnürtem Mieder und rotgoldener Haube. Luther war 42, sie 26, als sie 1525 heirateten. Und Alexandra Husemeyer, Angestellte im Lutherhaus, schwärmt von „ihrem“ Martin, als hätte sie sich wahrlich in ihn verliebt: „Er war ein ekstatischer und fröhlicher Mensch, liebenswert, weil ehrlich und gerecht.“ In dem schönen Fachwerkhaus zeigt die neue Katharina von Bora die Bilder des eifrigen Schülers und das kleine Stübchen unterm schrägen Dach, wo der „Streber“ angeblich seine Vokabeln paukte. Abends im Eisenacher Hof tritt der Meister dann persönlich in Erscheinung. Beim „Lutherschmaus“ biegt sich der Tisch unter den Schüsseln. Das Trinkhorn mit süßem Met kreist, und Minnesänger Hallodrie gibt „Wohl in dem Rosengarten“ zum Besten.
Zu später Stund tritt dann Martin, der Mönch, in dunkler Kutte an den Tisch. Zurück zur historischen Wirklichkeit geht es anderntags in Erfurt. 1501 wurde „Martinus Ludher ex Mansfeld“ an der Universität immatrikuliert. Das beweist eine Urkunde. Er absolvierte sein philosophisches Grundstudium, begann dann mit Juristerei, trat aber 1505 ins benachbarte Augustinerkloster ein, in dem man heute übernachten kann. In der Kirche, auf einer Grabplatte aus Sandstein vor dem Altar liegend, legte er sein Ordensgelübde ab. Im Dom St. Marien leuchtet der reich mit Säulen und Heiligen verzierte Altar wie eine angestrahlte Tropfsteinhöhle aus dem Halbdunkel. Hier wurde Luther 1507 zum Priester geweiht. In dem geschnitzten Chorgestühl aus Eiche saß er mit den anderen Scholaren, sang, dachte und betete, kritisch beaufsichtigt von den Stiftskanonikern in der Reihe dahinter. So manches Mal dürfte er auch durch das schöne Erfurt spaziert sein, über die 120 Meter lange Krämerbrücke, die lückenlos mit Häusern besetzt ist, so dass man die darunter fließende Gera nie zu Gesicht bekommt. Eine der 38 Kirchen war immer in Sicht, manchmal passierte er die Synagoge, die heute die älteste Mitteleuropas ist. 1508 zog Luther weiter nach Wittenberg, wo er 1517 seine 95 Thesen öffentlich machte, die die Kirche und ganz Europa erschüttern sollten. Doch das ist eine Geschichte, die in Sachsen-Anhalt erzählt wird. Und auch dort bis 2017 noch auf vielerlei Art und Weise.
Luther-Dekade
Das Jahrzehnt von 2008 bis zum Jubiläumsjahr 2017 wurde von der Evangelischen Kirche
Veranstaltungen
Noch bis zum 22. April widmen sich zum Beispiel die Thüringer Bachwochen dem Thema „Luther und die Musik“. Gotha zeigt ab dem 5. Mai die Ausstellung „Mit Lust und Liebe singen“, Herkunft und Werdegang der schönsten Kirchenlieder. In Eisenach stehen vom 7. bis zum 15. Juli die Telemann- Tage unter dem Motto „Telemann als lutherischer Kirchenmusiker“. Weitere Veranstaltungen unter www.luther-in-thueringen.com.
Unterkunft
In Eisenach: Das Hotel Eisenacher Hof liegt direkt am Stadttor, in Fußnähe zum Zentrum. Das Doppelzimmer gibt es ab 74 Euro, der reichhaltige mittelalterliche „Lutherschmaus“ kostet 19,50 Euro pro Person. Katharinenstr. 11–13, 99817 Eisenach, Telefon 0 36 91 / 2 93 90, www.eisenacherhof.de. In Erfurt: In den Zimmern des „Augustinerkloster“ lenkt abends kein Fernseher von der inneren Einkehr ab. Das Doppelzimmer kostet 80 Euro, Frühstück inklusive. Augustinerstr. 10, 99084 Erfurt, Telefon 03 61 / 57 66 00, www.augustinerkloster.de.
Allgemeine Informationen
Tourist Information Thüringen, Willy-Brandt-Platz 1, 99084 Erfurt, Telefon 03 61 / 3 74 20, www.thueringen-entdecken.de.
Weitere Links: www.eisenach.info, www.wartburg.de, www.lutherhaus-eisenach.de, www.lutherstammort-moehra.de, www.erfurt-tourismus.de.
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