Luftsicherheitsassistent packt aus

Luftsicherheitsassistent Achim Lucchesi kontrollierte zwei Jahre lang die Passagiere am Frankfurter Flughafen. Über seine Erlebnisse hat er ein Buch geschrieben.
Was haben Sie schon im Handgepäck gefunden, was da nicht reingehörte?
Da gibt es die verbotenen Gegenstände, die man auch zu Hause nicht besitzen darf: Schlagringe, Butterflymesser, Munition, eine Handgranate, was einen mittelschweren Großalarm ausgelöst hat. Zu den ungefährlichen, gleichwohl aber verbotenen Funden zählen zum Beispiel Nutellagläser. Flugreisende nehmen das gerne mit, weil die Schokocreme anscheinend in Südeuropa anders schmeckt als bei uns. Ich gehe davon aus, dass die Hälfte der Welt-Nutella-Produktion an deutschen Flughäfen abgenommen wird, ungefähr fünf Tonnen im Jahr. Es darf aber nun mal nicht im Handgepäck sein, denn es ist cremig und zählt zu den Flüssigkeiten, die seit November 2006 nur noch in begrenzten Mengen mitgenommen werden dürfen. Ein ganz heißes Thema ist auch Marzipan. Es sieht genauso aus wie der Sprengstoff C4 und riecht auch so. Johann Lafer musste bei uns mal einen Sprengstoffdetektionstest wegen Marzipan machen, das er mit zu einer Kochsendung nehmen wollte. Apropos Kochen: Ganz schlimm sind auch Küchengeräte.
Küchengeräte?
Ja. Viele Reisende haben Haushaltsgeräte im Handgepäck. Staubsauger, Handmixer, Kaffeemaschinen oder Küchenmaschinen. Einmal hatten wir in einer Stunde bei völlig unabhängig voneinander Reisenden zehn von diesen amerikanischen Küchenmaschinen, diesen Kitchen Aids. Da haben wir uns auch gefragt: War irgendwo Werksverkauf? Und wenn man die Leute dann fragt, "Warum nehmen Sie das mit?", kommt immer die Gegenfrage: "Warum denn nicht?" Küchenmaschinen sind nicht verboten, müssen aber den Sprengstoffdetektionstest bestehen. Offensichtlich schalten manche Leute beim Betreten des Flughafens das Gehirn ab. Wahrscheinlich, weil sie schon im Urlaub sind. Sie wollen einfach nur von A nach B.
Hat es sich herumgesprochen, dass man keine Flüssigkeiten mitnehmen darf?
Keineswegs! Das Schlimme sind ja nicht die um 25 Milliliter zu großen Zahnpastatuben, sondern die großen Mengen. Ein Inder zum Beispiel hatte mal 30 Tetrapaks Apfelsaft dabei. Die mussten wir ihm natürlich abnehmen, worüber er sehr traurig war. Er erzählte, dass es in Indien zwar Apfelbäume gebe, aber kein Apfelsaft daraus gemacht würde. Und den trinkt er so gern. Da haben wir ihm erlaubt, noch an der Sicherheitskontrolle so viel wie möglich von seinem Saft zu trinken. Das ist sonst nicht üblich. Er hat etwas mehr als ein Paket abgepumpt, dann war Schluss. Oder zwei Schweizer, die im Duty-free flaschenweise Champagner gekauft hatten, Veuve Clicquot, Sonderedition, 100 Euro das Stück. Musste leider auch konfisziert werden.
Warum ist es nicht erlaubt, im Transitbereich gekaufte Duty-free-Waren mit an Bord zu nehmen?
Keine Ahnung, das ist für mich ein Mysterium. Und erklären Sie das mal den Passagieren! Wie die Vorschriften im Moment aussehen, weiß ich allerdings nicht. Zu meiner Zeit war es jedenfalls nicht erlaubt. Vor allem bei Reisen in die USA, wo die Standards noch höher sind als bei uns. Als diese Regeln eingeführt wurden, gab es beinahe Schlägereien an den Kontrollstellen. Und als Luftsicherheitsassistent steht man dazwischen und muss immer nett und freundlich sein.
Was passiert mit der konfiszierten Ware?
Am Anfang fand unter den Putzkräften ein reger Handel statt. Die Putzkolonnen verdienen unglaublich wenig Geld, so dass Begehrlichkeiten entstehen. Und eine richtige Vorschrift gab es nicht. Also wurden die Sachen, allesamt hochwertige Konsumartikel wie Kosmetik und Alkoholika, auf einer Art Basar verkauft. Bis das die Bundespolizei spitzgekriegt hat und ein rigoroses Verbot einführte. Ab da wurden die Sachen entsorgt.
Kann man damit denn nicht eine karitative Einrichtung beglücken?
Ja, da kamen die Verantwortlichen irgendwann auch mal drauf. Inzwischen werden die Werte, anstatt sie zu vernichten, versteigert und wohltätigen Zwecken gestiftet. Und das ist auch heute noch so.
Was halten Sie von den Vorschriften?
Na ja, die 100-Milliliter-Vorschrift ist meiner Ansicht nach die wahnwitzigste Regel, die das Luftfahrtwesen je hervorgebracht hat. Man darf zehnmal 100 Milliliter mitnehmen - ist ja auch wieder ein Liter. In den Cremetöpfchen könnten doch auch diverse Chemikalien sein, die im Sprengstoffdetektor als Einzelnes nicht erkannt werden können, die aber im Flieger gemischt eine wunderbare Bombe ergeben. Wenn man im Chemieunterricht ein bisschen aufgepasst hat...
Dass US-amerikanische Luftfahrtassistenten keinen Spaß verstehen, ist bekannt. Aber auch in Deutschland sollte man keine Scherze machen und das Wort "Bombe" erwähnen, richtig?
Ja, das ist Hölle. Wenn einer "Bombe" sagt, wird er von oben bis unten kontrolliert. Man kann ihn auch in den Wellnessbereich bitten, das ist die Kabine, wo man sich splitternackt ausziehen muss. Wenn er weiter Witzchen reißt, wird die Bundespolizei geholt, dann gibt es eine Personenkontrolle. Mit Sicherheit verpasst man seinen Flug. Wurde Reisegepäck eingecheckt, muss auch dieses kontrolliert werden. Also wird der Flieger wieder komplett ausgeräumt. Und das kostet richtig Geld: Wenn eine Boeing eine Stunde länger am Flughafen parkt als vorgesehen, werden leicht 1500 Euro fällig. Etwaige Regressansprüche von Mitreisenden noch gar nicht mitgerechnet. Und das zahlt keine Haftpflicht. Der Vorteil einer solchen Festnahme ist, dass in der folgenden Viertelstunde alle Passagiere lammfromm sind.
Anderen Leuten ins Gepäck zu schauen ist doch aber auch bestimmt interessant?
Na ja. Man hat es leider nicht immer mit akkurat gepackten Koffern mit frisch gewaschenen Klamotten zu tun. Da gibt es schon auch viele seltsame oder eklige Sachen. Benutzte Zahnseide, gebrauchte Wäsche, Erotikspielzeug, Leberwurstbrote, Schnupftabak mit getrocknetem Fisch drin. Manche Sachen glaubt einem kein Mensch. Ich habe kürzlich mit einem Kollegen telefoniert, der sagte: Achim, es hat sich nichts geändert. Wir entdecken jeden Tag was Neues.
Haben Sie daher den Job aufgegeben?
Nein, ich habe nicht gekündigt und wurde auch nicht entlassen, mein Vertrag ist einfach ausgelaufen. Das ist normal in der Branche. Die Fluktuation ist groß. Dabei wäre gerade Erfahrung in dem Beruf sehr wichtig, weil ein Luftsicherheitsassistent hoheitliche Aufgaben im Namen der Bundesrepublik Deutschland wahrnimmt und dazu beitragen soll, die Welt ein bisschen sicherer zu machen.
Was können wir alle in Zukunft besser machen, damit Ihre früheren Kollegen es nicht so schwer haben?
Ganz einfach: Anweisungen befolgen. Taschen ausleeren, alles aufs Band. Ohne Murren und Knurren. Dann geht das viel, viel schneller, fluffiger und lockerer.
Achim Lucchesi wurde 1960 in Dornburg bei Limburg geboren. Wegen einer Stauballergie musste er seinen Beruf als Bäcker und Konditor aufgeben und arbeitete danach in verschiedenen Branchen, unter anderem als Personenschützer und als Luftsicherheitsassistent bei Fraport Security Service (FraSec) am Flughafen Frankfurt. Heute schreibt der Hesse mit italienischen Vorfahren Bücher und arbeitet als Bodyguard. Lucchesi lebt mit Frau, Tochter und Hund im Rhein-Main-Gebiet. Wenn er verreist, dann am liebsten per Flugzeug in den hohen Norden – nach Grönland zum Beispiel. Sein Buch „Die Bombe is’ eh im Koffer“ ist im Heyne-Verlag erschienen (8,99 Euro).