Legenden in Weiß

Die zehn spektakulärsten Skiabfahrten der Alpen: Hier ist Nervenkitzel garantiert.
von  Hans-Werner Rodrian
Abfahren vor grandioser Bergkulisse bietet die Lagazuoi-Abfahrt zwischen Cortina d' Ampezzo und Alta Badia.
Abfahren vor grandioser Bergkulisse bietet die Lagazuoi-Abfahrt zwischen Cortina d' Ampezzo und Alta Badia. © srt-Bild/Fabian von Poser

(srt) Begeisterte Skifahrer sammeln sie wie andere Leute Briefmarken: Traumpisten, die man natürlich nicht nur besichtigt haben, sondern selbst gefahren sein will. Einige dieser Legenden in Weiß versprechen kilometerlangem Gleitgenuss und kapitale Höhenunterschiede, andere unvergessliche Natureindrücke oder einfach auch nur glühende Oberschenkel. Wir stellen die zehn Superpisten der Alpen vor.

 

Die Königin: Vallée Blanche

Auf ihrer Krone schimmert Gletschereis. Die Abfahrt durch das Vallée Blanche nach Chamonix ist die Königin aller europäischen Skiabfahrten und mit 20 Kilometern auch die längste. 2790 Höhenmeter lässt man auf der hochalpinen Skiroute zu Füßen des Mont-Blanc hinter sich. Wirklich knifflig ist allerdings nur der Pisteneinstieg über einen 300 Meter langen, vereisten Grat, der per Seil gesichert ist. Die Strecke selbst führt durch eine faszinierende Gletscherwelt: Eiskletterer sind zu bewundern, bläulich leuchten Gletscherspalten links und rechts. Ihretwegen sollte man sich an dieses alpine Schmankerl nur in Begleitung eines Führers wagen.

 

Die höchste: Kleinmatterhorn

Höher geht es nicht mehr: Knapp unter dem himmelnächsten per Seilbahn erreichbaren Punkt Europas (3885 m) startet die Abfahrt vom Kleinmatterhorn nach Zermatt. 2300 Höhenmeter nonstop liegen vor den Carvingski. Im oberen Teil am Trockenen Steg wedelt man noch gemütlich über sanfte Gletscherpisten. Zur Sache geht es dann aber auf den engen und steilen Pisten am Furggrat. Fast berührt die Strecke den Fuß der furchteinflößenden Ostwand des Matterhorns, bevor nach 21 Kilometern Pistenspaß das autofreie Zermatt erreicht ist.

 

Die wildeste: La Grave

Was heißt da Piste? Zwischen dem Girose-Gletscher und dem Bergsteigerdorf La Grave bei Les Deux Alpes in Frankreich gibt es nur eine Seilbahn, einen Berg und 2000 Höhenmeter wildestes Gelände - nichts als Gletscher, spitze Felsen und Schnee. Die "Couloirs" genannten Rinnen sind steil wie ein Aufzugschacht. Was anderen als Schreckgespenst aus der alpinen Geisterbahn erscheinen mag, lockt aber die Cracks erst recht an. Präpariert ist dort natürlich nichts, aber mit Skiautobahnen haben Könner ja eh wenig im Sinn.

 

Die teuflische: Schilthornabfahrt

"Im Geheimdienst Ihrer Majestät": James Bond persönlich adelte die 16 Kilometer lange Abfahrt vom Schilthorn nach Lauterbrunnen im Berner Oberland. Unterhalb des Drehrestaurants, in dem George Lazenby am Piz Gloria dem glatzköpfigen Erzschurken Blofeld (Telly Savalas) sein todbringendes Handwerk legte, spielt sich alljährlich im Januar auf den 2170 Höhenmetern das wildeste Volksrennen der Welt ab, das "Infernorennen". Auch wer sich allein in den brutalen Gipfelhang stürzt, der kann Bonds spektakuläre Flucht vor Blofelds Schergen hautnah nachvollziehen. Nur der finale Gleitschirmsprung ins Bodenlose dürfte nicht jedermanns Sache sein.

 

Die elegante: Indren-Abfahrt

Italiens Abfahrt Nummer 1: Das ist für viele die Piste von der Punta Indren nach Alagna. 2064 Höhenmeter überwindet die schönste Skiabfahrt der Westalpen. Los geht der Spaß auf 3260 Meter Höhe inmitten des Monte-Rosa-Massivs. Dort ist es entsprechend eng, ab dem zweiten Drittel wird die Piste jedoch von Meter zu Meter breiter. Weites Gelände ab der Mittelstation Bocchetta signalisiert dann auch schwächeren Fahrern freie Fahrt ins Tal.

 

Die grandiose: Pista Lagazuoi

Grandios die Bergkulisse, hochgelobt die Küche: Beides kombiniert sich perfekt auf der Lagazuoi-Abfahrt zwischen Cortina d'Ampezzo und Alta Badia. Wo sich im Ersten Weltkrieg Kaiserjäger und Alpini verschanzt hatten, surrt heute eine Großgondelbahn auf die steile Dolomitenspitze. Die präparierte Abfahrt führt durch ein grandioses Kar, über 7,5 Kilometer vorbei an himmelhohen Felswänden, gefrorenen Wasserfällen und der gemütlichen Scotonihütte. Unten angekommen, wartet ein ganz besonderer Lift: zwei Haflingerpferde, an die sich die Gäste auf dem Weg zur Straße per Seil anhängen können.

 

Ein weißer Rausch: Vallugaabfahrt

Der Mythos Arlberg: Auf dem Vallugagipfel wird er greifbar. Dem Gast bleibt die Puste nicht nur wegen der 2800 Meter Seehöhe weg. Vor den Skispitzen liegen ihm die halben Ostalpen wie auf dem Präsentierteller. Schindlergrat, Mattunjoch, Tanzboden: Welchem Skifreund läuft nicht schon beim Gedanken an diese Auswahl das Wasser im Mund zusammen? Nur noch einmal Sonnenöl nachgelegt und die Sonnenbrille zurecht gerückt, und dann geht es ab in die glitzernde Welt. Schwung reiht sich an Schwung, in weitem Bogen spritzen die Schneekristalle. Tiefschnee überall, nur eine einzige Piste entlässt die Skifahrer auf präpariertem Schnee aus dieser Höhenregion: die Abfahrt vorbei an der Ulmer Hütte zur Alpe Rauz - ein weißer Rausch über 1000 Höhenmeter.

 

Die berühmteste: Streif

Fernsehzuschauer lieben sie, Rennläufer fürchten sie: Die "Streif" über Kitzbühel ist der Welt berühmteste Abfahrtsrennstrecke. Und erst, wer sie selbst in weiten Bögen gefahren ist, bekommt einen Eindruck, was die Aktiven erleiden. Vom Startschuss vergehen keine neun Sekunden bis zur 85 Grad steilen "Mausefalle". Schnell heißt es über Geschöss und Lärchenschuss gleiten - und zum Schluss den leicht 50 Meter langen Sprung über die Hausbergkante meistern. Die Sieger sind im Ziel 140 Stundenkilometer schnell - der Amateur freut sich, wenn er noch lebt.

 

Die steilste: Harakiri

Ein Totenkopf markiert die Piste 14 über Mayrhofen im Zillertal, daneben steht der Name "Harakiri". Ungewarnt landet niemand auf Österreichs steilster Skipiste (Die steilsten Stellen der Streif gelten offiziell als unpräparierte Skiroute). 78 Grad sind es genau, gefühlt geht es fast senkrecht in die Tiefe. Die Anlaufspuren einer Skiflugschanze sind jedenfalls flacher. "Wer sich da hinunterstürzt, der ist ein Sieger über sich selbst", wirbt die Bergbahngesellschaft. Und er hat abends beim Après-Ski dank des obligatorischen Fotos im Zieleinlauf die Bewunderung sicher - auch wenn er wie die meisten nur in ganz vorsichtigen Schrägfahrten durch den 150 Meter langen, allersteilsten Hang gekratzt ist.

 

Im Freien Fall: Kandahar

Deutschland hat sicher nicht die längsten, aber einige der sportlichsten Abfahrten der Alpen. Zum Beispiel die vor der Ski-WM 2011 noch mal "geschärfte" Kandahar-Weltcupabfahrt über Garmisch-Partenkirchen. Schon die Buckel am Starthang veranlassen die meisten Hobbyskifahrer, lieber reumütig auf den Umfahrungsziehweg zu wechseln. Der Könner zielt genau, um die Einfahrt vom Tröglhang in die Olympiakurve nicht zu verpassen und duckt sich dann im Stegerwald in die Rennhocke. Volle Konzentration heißt es "Auf der Mauer": Nach dem Kramersprung folgt hier der Abflug in den "Freien Fall", mit einem Gefälle von 92 Prozent die steilste Stelle im gesamten Skiweltcup. Erst wer die gemeistert hat, darf vor der Zielhangtribüne abschwingen. So fühlen sich Weltcupsieger!

 

Weitere Informationen gibt es hier:

Vallée Blanche: Office de Tourisme Chamonix, Tel. 0033/450/530024, www.chamonix.com und www.compagniedumontblanc.com;

Kleinmatterhorn: Zermatt Tourismus, Tel. 0041/27/9668100, www.zermatt.ch und www.matterhornparadise.ch;

La Grave: Office de Tourisme Maison des Deux Alpes Tel. 0033/476/792200, www.les2alpes.com und www.la-grave.com;

Schilthorn: Lauterbrunnen Tourist Information, Tel. 0041/33/8568568, www.mylauterbrunnen.com und www.jungfrau.ch;

Punta Indren: Turismo Valsesia Vercelli, Tel. 0039/0163/922988, www.atlvalsesiavercelli.it und www.monterosa-ski.com;

Lagazuoi: Tourismusverband Alta Badia, Tel. 0039/0471/836176, www.altabadia.org;

Valluga: Tourismusverband St. Anton am Arlberg, Tel. 0043/5446/22690, www.stantonamarlberg.com und www.skiarlberg.at;

Streif: Kitzbühel Tourismus, Tel. 0043/5356/6660, www.kitzbuehel.com und www.bergbahn-kitzbuehel.at;

Harakiri: Tourismusverband Mayrhofen, Tel. 0043/5285/6760, www.mayrhofen.at und www.mayrhofner-bergbahnen.com;

Kandahar: Tourist-Information Garmisch-Partenkirchen, Tel. 08821/180700, www.gapa.de und www.zugspitze.de

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