Krishna und Keshar, die Sommertiroler
St. Leonhard - Krishna Gopal Shresta spricht Nepali, Englisch, Deutsch und Tirolerisch. Wenn ein Hüttengast fragt, wo er seinen gebrauchten Teller hinstellen soll, nimmt Krishna das Geschirr und sagt: „Passt scho“. Dabei war der 35-Jährige so gut wie nie in der Schule. „Drei Stunden zu Fuß, der einfache Weg“, das sei zu weit gewesen. Seinen Bruder Keshar brachte ein Onkel hin. Nun stehen die Brüder vor dem Taschachhaus im Tiroler Pitztal, auf 2434 Meter Höhe und schauen strahlend in die Landschaft. „Nach Österreich zu kommen, war ein Traum von mir“, sagt Keshar.
Die Brüder haben nicht von einem Urlaub in Tirol geträumt, sondern vom Arbeiten in Österreich. Hier verdienen sie in einem Monat 1300 Euro, das entspricht einem guten Jahresverdienst in Nepal. „Die Nepalesen sind hoch qualifizierte Arbeitskräfte“, sagt Hüttenwirt Christoph Eder. So müssten am Anfang der Saison Wege auf 3000 Meter Höhe instand gesetzt werden, „in der Höhe zu arbeiten kann niemand so gut wie sie“. Schließlich liegt das Dorf Najing, in dem die beiden geboren sind, auf 2200 Metern und damit fast so hoch wie das Taschachhaus. Sie arbeiten schon den vierten Sommer hier. In manchen Jahren konnten Wanderer 50 Nepalesen auf österreichischen Berghütten antreffen. Zu verdanken haben sie das der Nepalhilfe Tirol und im Pitztal dem Engagement von Hüttenwirt Christoph Eder und seiner Frau Barbara Klingseis. Als Bergsteiger fuhren sie oft nach Nepal. „Wir haben da unseren Spaß, aber die Nepalesen leben in nicht akzeptablen Zuständen.“ Fast die Hälfte der knapp 30 Millionen Nepalesen sind Analphabeten. Abseits der Touristenströme wohnten Familien in Häusern mit Plastikfolien vor den Fenstern „bei minus 20 Grad“.
Das Taschachhaus kommt mit acht Angestellten aus
So entstand die Idee, Nepalesen im Sommer in die Alpen zu holen. Eder sagt, wer in Nepal in eine Lodge komme, die von Leuten mit Europaerfahrung geführt wird, sehe den Unterschied, „vor allem, was die Hygiene betrifft“. Einen Sommer lang arbeitete eine junge Nepalesin im Taschachhaus. „Anfangs wollte sie sich zum Kartoffelschälen in der Küche auf den Boden setzen.“ Wie sie es eben von zu Hause kannte. Krishna beeindruckt das vorausschauende Arbeiten: „Nepalesen denken nur ans Jetzt. Europäer überlegen, wie man etwas verbessern kann, deswegen haben sie viele Geräte erfunden.“ Christoph Eder sagt, sie lernten hier rationeller zu arbeiten, allerdings sei das zweischneidig. „Eine Lodge in Nepal beschäftigt jede Menge Personal. Würden einige schneller arbeiten, bräuchte die Lodge weniger Leute und könnte besser wirtschaften, aber dafür hätten wieder ein paar Nepalesen keinen Arbeitsplatz.“ Das Taschachhaus kommt mit acht Angestellten aus, bei 160 Übernachtungsplätzen.
Es ist eine modern renovierte, schöne Hütte, hauptsächlich von Bergsteigern besucht. Die stehen um 4 Uhr auf und machen die Wildspitze oder eine der Nordwände am Brochkogel oder an der Petersenspitze. Die Nepalesen bekommen Kost und Logis frei, ihre Flüge bezahlen die Hüttenwirte. Das hat sich in Nepal herumgesprochen, es gibt Wartelisten mit Hunderten von Bewerbern. Krishna und Keshar reisten mit Taschen voll mit Mützen, Ketten, Armbändern an, die sie in der Hütte verkaufen. Keshar erzählt, die Mützen kaufen sie von alten Männern, die keine andere Arbeit mehr machen könnten. Auf die Frage, ob sie nicht auch etwas daran verdienten, lachen beide los. „Natürlich, das ist ein Geschäft!“ Es gibt keine festen Preise. „Wenn jemand fragt, sagen wir den Preis. Und wenn er nett fragt, wird es billiger.“ Tatsächlich lächeln die beiden so charmant, dass es schwer fällt zu handeln. Krishan hat zu Hause eine Trekkingagentur gegründet, in der auch sein Bruder arbeitet. Er nennt sie fairstep trekking. Auf dem Taschachhaus wird Fairtrade-Schokolade verkauft, Krishan ließ sich erklären, was es damit auf sich hat. Und er erkannte: „Trekkingtourismus in Nepal ist nicht ,fair‘. Die Träger verdienen nur gerade so viel, dass sie davon leben können. Sie müssten aber sparen, um etwas aus ihrem Leben zu machen.“
„Wir in Nepal müssen noch lernen, dass die Natur nicht nur für dich da ist"
Zudem arbeiteten viele weiter, wenn sie krank sind, aus Angst, den Job zu verlieren. Die Konkurrenz der Trekkingagenturen sei groß und der Träger das schwächste Glied in der Kette. „Wir bezahlen unsere Leute fair. Das macht unsere Reisen etwas teurer, aber anders geht es nicht.“ Auf der Terrasse des Taschachhauses wehen bunte Gebetsfahnen, die die Brüder mitgebracht und „an einem guten Tag im Sinne des Buddhismus“ aufgehängt haben. Krishna zeigt auf den Taschachgletscher: Vor vier Jahren sei der noch viel größer gewesen - erschreckend zu sehen. In Nepal falle es nicht auf, weil die Gletscher gigantisch sind. Geschult auf dem Taschachhaus, beschäftige er sich viel mit der Umwelt. In Nepal seien Naturverbrauch und Verschmutzung groß. Er rede mit seinen Trägern und Führern - und mit den Touristen, damit niemand auf seinen Trekkingtouren Müll liegen lasse. „Wir in Nepal müssen noch lernen, dass die Natur nicht nur für dich da ist, sondern für alle und für alle Nachkommen.“
Krishna und Keshar kommen reich zurück. An Erfahrungen, aber auch mit sehr viel Geld für nepalesische Verhältnisse. „18 Geschwister“, sagt Keshar nur. Sie ernähren eine ganze Großfamilie. Das Taschachhaus initiierte ein Schulprojekt in Najing, der Heimatgemeinde der Familie. Krishna sagt: „Natürlich fragt uns auch die Gemeinde, wenn sie Geld braucht. Ob wir ein halbes Jahr das Gehalt einer Lehrerin für die Schule übernehmen können. Wir sind da einfach in der Pflicht.“ Am Everest ist Krishna einmal bis auf 815o Meter hochgestiegen. In Tirol ging er an einem freien Tag auf die 3768 Meter hohe Wildspitze. „Auch ein schöner Berg“, sagt er diplomatisch. Auf dem Gipfel habe er sich nach seiner Heimat gesehnt. Das kommt sonst selten vor. Er vermisse kaum etwas von Nepal, wenn er hier ist. Und schon gar nicht das Essen: „Dreimal täglich Linsen Dal Bat! Wenn ich zu Hause bin, dann vermisse ich das österreichische Essen. Das Fleisch! Die Mehlspeisen!“ Natürlich denke er viel an zu Hause. Aber es sind wenig romantische Gedanken. „Ich denke immer nur: Wie kann ich das, was ich hier lerne, nach Nepal bringen? Was können wir tun, damit die Lebensumstände in Nepal besser werden?“
Anreise
Mit dem Zug nach Imst, dann mit dem Postbus ins Pitztal bis St. Leonhard/Mandarfen/Mittelberg oder mit dem Auto bis Mittelberg (Parkplatz Gletscherbahn), dann etwa 3 Stunden zu Fuß.
Taschachhaus
Die Nacht auf dem Taschachhaus kostet 26 Euro (für Alpenvereinsmitglieder die Hälfte). Geöffnet bis 23. September, www.taschachhaus.com. Das Taschachhaus ist Ausgangspunkt für den Fuldaer und den Offenbacher Höhenweg sowie für Touren auf die Wildspitze und zur Taschachwand.
Auskunft
Die Nepalhilfe Tirol ( www.nepalhilfe-tirol.at) widmet sich neben der Förderung der medizinischen Versorgung Nepals auch dem Sozialwesen. Informationen zur Trekkingagentur von Krishna Shresta: www.fairsteptrekking.com
Infos zu Ferien in Tirol: www.tirol.at