Klangvolle Namen

In Scharen fallen Touristen in dem Dorf Fucking ein. Weil der Name eine zweideutige Bedeutung hat. Doch Fucking ist die Ausnahme.
Helge Sobik |
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Das Wörtchen „bad“ heißt im Englischen „schlecht“. Das dürfte der Grund sein, warum es nicht so ganz einfach ist, deutsche Kurorte im englischsprachigen Ausland zu vermarkten. Wer will schon nach Bad Schwartau oder nach Bad Griesbach oder nach Bad Kissingen. Urlaub lebt auch vom Klang - und davon, dass die Freunde „ah“ und „oh“ sagen, wenn man ihnen vom persönlichen Traumziel des diesjährigen Sommers erzählt. Nicht nur bei uns, auch im Ausland. Wie doof, wenn sie plötzlich grinsen müssen statt anerkennend zu nicken - einfach nur, weil es dem Urlaubsort am schönen Klang mangelt.

Die freudige Aussage „Wissen Sie, wir waren auf Krk“ ist so ein Fall. Statt „Oh, toll, davon träumen wir auch“ geantwortet zu bekommen, erntet man mitleidige Blicke. Und das, obwohl die drei Konsonanten für eine sehr sonnige kroatische Adria-Insel stehen. Leider ist ihr Name eher ein Geräusch, hat keinerlei Sound, klingt irgendwie nach Halsschmerzen, nach irgendwann falsch abgebogen und aus Versehen dort hängen geblieben. Und alles nur, weil die Vokale fehlen.

Mehr Schein als Sein

Wann immer ein Reiseziel aus der Retorte entsteht oder Marketing-Strategen eine bestehende Ferienregion der besseren Verkäuflichkeit wegen in neues Gewand kleiden möchten, greifen sie deshalb auf bewährte Begriffe zurück und zaubern mal schnell eine Riviera aus dem Hut: weil das nach teuren Sportwagen und ausgezeichnetem Essen, nach Belle-Epoque-Bauten und Yachthafen, nach gewissem Luxus und blauem Himmel klingt - auch wenn die Wirklichkeit dort ganz anders sein mag.

Deshalb gibt es auf der mexikanischen Yucatán-Halbinsel plötzlich eine Riviera Maya mit lauter Hotelneubauten am Rande des Dschungels. Deswegen gibt es auch eine Türkische Riviera. Aus demselben Grund war von den Stränden nördlich und südlich von Vancouver schon als kanadische Riviera zu lesen, obwohl das Wasser dort saukalt ist. Marbella an der südspanischen Costa del Sol ist im direkten Vergleich nicht allein wegen des Wetters im Ausland besser nachgefragt als der, gelinde gesagt, mäßig klangvolle Ort Peniscola an der weiter nördlich gelegenen Costa del Azahar.

Es muss am Ortsnamen liegen. Im konkreten Fall reißt auch die Tatsache nicht viel raus, dass die Spanier den Ort mit einer Welle auf dem n schreiben und ihn ungefähr „Penn-jis-cola“ aussprechen. Dagegen funktioniert immer alles ganz gut, wo Bel(le) oder Beau, Mar oder Beach im Eigennamen vorkommen. Bereits ganz anders sieht es aus, wenn es sich um einen französischen Badeort handelt, der folgerichtig das französische Wort für Strand im Namen führt. Es lautet „Plage“ - und existiert auch im Deutschen. Nur leider mit gänzlich anderer Bedeutung. Die Vermarktung der schönen Strände von Mimizan-Plage an der französischen Atlantikküste macht das hierzulande ähnlich schwer wie Marketing für einen deutschen Kurort in England.

Eine Gegend wie die australische Gold Coast lässt sich leichter bewerben als die Region Misty Fjords in Alaska. Denn welcher halbwegs normale Mensch will dort schon Urlaub machen, wo es ein bisschen mistig sein könnte. Auch wenn das in Wirklichkeit „neblig“ meint und schon die indianischen Ureinwohner die landschaftlich bahnbrechend schöne Gegend so genannt hatten. Wenn es um den guten Klang geht, dann kann Nizza dagegen ganz auf den eigenen Namen setzen - und hat in den letzten 130 Jahren Urlauber aus England und Amerika wie magisch angezogen.

Weil die Stadt auf Französisch Nice heißt. Und auf Englisch auch. Und weil nice übersetzt eben „nett“ bedeutet. Das sichert definitiv bessere Startbedingungen, als wenn man vom Schicksal ein hässliches „Bad“ vor den Ortsnamen montiert bekommen hat.

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