Kinderüberraschung

Ein Wochenende im Kinderhotel ohne Mama - nur Papa, Moritz (4) und Arthur (2).
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Durch die Eingangshalle brettern Kinder auf Bobbycars, Foto: PR
srt Durch die Eingangshalle brettern Kinder auf Bobbycars, Foto: PR

Rimbach - Ein Wochenende im Kinderhotel ohne Mama - nur Papa, Moritz (4) und Arthur (2).

Wenn nur nicht alles so verwirrend wäre! Sollen wir nun erst in die „Spielscheune“ gehen und auf dem Weg dorthin beim Indianerdorf vorbeischauen, um am Lagerfeuer ein Stockbrot zu grillen, oder lieber vorher die Riesenrutsche testen und erst danach in die Spielscheune? Oder gibt es dann keine Stockbrote mehr? Es stellt sich schnell heraus, dass solche Fragen typisch sind für leicht überforderte Väter, während die Söhne die Lage im Griff haben. „Wir machen einfach alles“, schlägt Moritz, 4, vor. „Und morgen machen wir alles nochmal!“ Sein Bruder Arthur, 2, sieht das ähnlich: „Papa los jetzt!“ Okay, einmal tief durchatmen, wir schaffen das. Sagt auch Bob der Baumeister, das große Vorbild meiner Kinder, und meines inzwischen auch. Also: Erst zur Rutschbahn. Wo zum Teufel sind die Badehosen, Badeschlappen, Bademäntel? Gut, dass Moritz’ und Arthurs Mutter ungefähr so viele Klamotten eingepackt hat, als würde ich mit den Kindern nach Australien auswandern. Dabei ging es ja nur zum „Ulrichshof“ in den Bayerischen Wald, knapp zwei Autostunden von München entfernt. Ein Hotel, das als „Baby und Kinder Bio Ressort“ firmiert, wobei nicht so recht klar ist, was man darunter zu verstehen hat. Ist ja auch egal: Irgendwie scheint es dort gesund und „bio“ zu sein, Kinder sind willkommen, und die Action-Möglichkeiten sind enorm.

Auf dem monströsen Spielplatz locken Piratenschiffe und Trampoline

Der Parkplatz weist die vermutlich höchste Sharan-Dichte Süddeutschlands auf. Genau das richtige also für ein verlängertes Wochenende für einen Vater mit zwei kleinen Buben. Ein Erfolg ist der Trip jedenfalls schon, als wir losfahren: Wir lassen eine glückliche Frau mit der Aussicht auf zwei ruhige kinderfreie Tage zurück. Der Ulrichshof liegt in idyllischer Lage nicht weit von Cham, es gibt Pferde, Ziegen und Hasen, und auf dem monströsen Spielplatz locken Piratenschiffe und Trampoline, nicht zu vergessen das Indianerdorf. Durch die Eingangshalle brettern Kleinkinder auf Bobbycars, gleich neben der Rezeption in heller Ikea-Optik ist der Eingang zum Kindergarten. Erster Eindruck, erste Frage: Für Kinder mag das toll sein, aber können sich auch Erwachsene hier erholen? Die Frage führt gleich ins Eingemachte, beleuchtet Glanz und Elend sogenannter Kinderhotels. Eines ist ja klar: Kinderhotels sind vor allem Elternhotels. Was bedeutet: Eltern können sich dort von den lieben Kleinen erholen, ohne dabei ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Denn die Kinder bekommen dort alles geboten, was normalerweise den Erziehungsberechtigten obliegt: von der Bastelstunde über das Sportprogramm bis zum Geschichtenerzählen. Die Eltern relaxen so lange im Pool.

Nerven gehört gewissermaßen zum Konzept

Es gibt Kinderhotels, in denen dieses Konzept nicht funktioniert. Aus diesen Häusern kehren die Eltern völlig gerädert zurück. Warum? Weil man zwei Wochen Dauergeschrei aushalten musste sowie den Anblick von übermüdeten, frustrierten Müttern und Vätern, die abends am Tisch sitzen und ängstlich darauf lauern, dass ihr Babyfon zu quäken beginnt. Ein gutes Kinderhotel muss dafür sorgen, dass es nicht wie in der städtischen Kinderkrippe zugeht, wo man ausschließlich als Mutter oder als Vater wahrgenommen wird. Es gibt seinen erwachsenen Gästen das Gefühl, ganz normale Menschen zu sein, obwohl sie doch Eltern sind. Ob das im Ulrichshof gelingt? Zumindest tagsüber perfekt. Es geht schon damit los, dass man im Hotelrestaurant nicht das Gefühl haben muss, dass der Nachwuchs die distinguierten Mitgäste und alle Kellner zu Tode nervt. Im Gegenteil: Nerven gehört gewissermaßen zum Konzept und wird vom freundlichen Personal mit großer Lässigkeit pariert.

Ein Schlösschen löst Freudengeheul aus

Moritz verteilt die Pommes inklusive Ketchup zwanglos auf dem Tisch? Die Bedienung bringt mit einem Lächeln einen Stapel Papiertücher. Arthur bricht die Spitzen sämtlicher Malstifte am Tisch ab? „Da vorne sind noch mehr Stifte“, sagt der Kellner. Schon beim zweiten Mittagessen füllen sich die Söhne selbstständig die Teller am Kinderbüffet auf – und ich sitze geradezu entspannt am Tisch und beginne mich zu erholen. Mindestens zwei Minuten lang. Angenommen, man wäre nun als Elternpaar hier, könnte einer der beiden Erwachsenen mit den Buben den Streichelzoo besichtigen, während der andere angenehme Hot-Stone-Massagen und jeglichen anderen Wohlfühl-Schnickschnack über sich ergehen lassen könnte. Könnte. Meine Kinder weigern sich leider, den Kindergarten ohne Vater zu besuchen. Deshalb folgen wir der Tagesempfehlung: die Fahrt zu einem 20 Kilometer entfernten Schlösschen, bei dessen Anblick Moritz und Arthur in Freudengeheul ausbrechen: „Eine Ritterburg!“ Im angeschlossenen Shop erstehen wir zwei Holzschwerter plus Ritterhelme aus Pappe. Die beiden tragen sie auch im Auto und würden am liebsten damit einschlafen.

Im Restaurant treffen sich glückliche Paare zum Romantik-Vollzug

Abends, wenn der eine furchtlose Ritter seinen Schnuller und der andere sein Schlaftier mit ins Bett geholt hat, beginnt für den Vater der entspannende Teil des Aufenthalts. Und der offenbart eine kleine (und die vielleicht einzige) Schwäche des Ulrichshofs. Eine nette Lounge, eine gemütliche Kneipe zum Lesen oder sich mit anderen Eltern unterhalten wäre jetzt recht. Leider Fehlanzeige. Man hat die Wahl zwischen der riesigen Lobby (durch die immer noch Bobbycar-Piloten kurven) oder einem albernen Western-Saloon. In einem kleinen Restaurant treffen sich ausschließlich glückliche Paare zum Romantik-Vollzug bei Kerzenschein. Egal. Ich nehme ein Glas Wein mit ins Zimmer und höre meinen Kindern beim Schlafen zu. Etwas Schöneres gibt es nicht. Vor allem, wenn man weiß, dass der Tag um sechs Uhr mit der Frage beginnt: „Papa, gehen wir jetzt zur Riesenrutsche...?“

Arno Makowsky

Service Ulrichshof: Kinderhotel mit Bio-Küche

Der Ulrichshof liegt in Rimbach im Bayerischen Wald in der Nähe von Cham. Er wurde von der Zeitschrift "Geo Saison" gerade zum "besten Familienhotel in Europa" gewählt. Er bietet Kinderbetreuung bis zu 80 Stunden in der Woche und Erwachsenen ein umfassendes Wellness-Programm (gegen Aufpreis). Das Nichtraucher-Haus hat sich auf Lebensmittel aus biologischem Anbau spezialisiert. Das "Weekend-Special" (Do-So) kostet ab 216 Euro pro Erwachsenem. Kinder bis sechs Jahre sind frei. Eine Woche mit sieben Übernachtungen im März gibt es ab 654 Euro pro Erwachsenem. Weitere Informationen unter Telefon 09977/950-0, www.ulrichshof.com

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.