Im Wilden Westen der Toskana

Buon Apetito: Zu Besuch in der Maremma, wo der ehemalige Münchner Elektrohändler Karl Egger seit den 80er Jahren als Bio-Großbauer lebt.
von  Abendzeitung
Der frühere Münchner Karl Egger hat in der Toskana mit Bio-Kost Karriere gemacht. Foto: PR
Der frühere Münchner Karl Egger hat in der Toskana mit Bio-Kost Karriere gemacht. Foto: PR © srt

Buon Apetito: Zu Besuch in der Maremma, wo der ehemalige Münchner Elektrohändler Karl Egger seit den 80er Jahren als Bio-Großbauer lebt.

Zypresse folgt auf Pinie, Pinie auf Zypresse: So muss die Allee zu einem echten südtoskanischen Landgut ja wohl aussehen. La Selva macht da keine Ausnahme, der Weg führt sogar noch vorbei an einem duftenden Feld voller Rosmarin, bevor er an der alten Hofstelle aus dem 16. Jahrhundert endet. Eine breite Außentreppe führt ins Obergeschoss zu den fünf Wohnungen für Urlaubsgäste. Wer dort Ferien macht, hat es nicht weit in den nächsten Bioladen: Der ist im Erdgeschoss eingerichtet.

Wir sind im Land der sagenumwobenen Etrusker, nur wenige Kilometer von der sandigen Badebucht von Talamone. Zwischen Olivenbäumen, Schirmpinien und gelbem Ginster stolpert man hier auf jedem Weizenfeld über eine Etrusker-Nekropole. Nebenan im Naturpark Monti Uccellina grasen Büffel. Im anschließenden Ombrone-Delta sind Wildpferde und Flamingos zu bewundern.

Eine Bilderbuchkarriere der Toskanafraktion

"Buon Giorno, wie geht es Ihnen?" Aus der Tür stürmt ein braungebrannter Mann, dem man seine 70 Jahre nicht ansieht. Karl Egger hat eine Bilderbuch-Karriere der Toskanafraktion hinter sich. Er war Elektrohändler in München, dann Mitbegründer der Naturland-Organisation und kaufte sich vor 30 Jahren sein Stück südliche Sonne am Fuß der Hügel von Scansano und Magliano.

Ein Aussteiger ist der Münchner Biobauer aber nicht. Mit sieben Hektar fing er an, heute baut er auf mehr als 400 Hektar Grund Kräuter, Tomaten und Gemüse an. Längst besitzt Egger eine eigene Fabrik, um all die guten Sachen einzuwecken und quer durch die deutsche Ökosupermarktszene zu vertreiben. Nebenbei betreibt er mit ECM ein erfolgreiches Jazzmusik-Label. Und jetzt will er mit seinen Pestos und Pastas auch noch Polen und Tschechien erobern.

Egger hat stets seine eigene Linie verfochten. Gerade macht er die Trockenlegung der Maremma wieder rückgängig, auf die der italienische Staat so stolz war. Na ja, zumindest auf seinen 428 Hektar, die er in den vergangenen 30 Jahren zusammengekauft hat. "Das war doch ein einziges Drama für die Zugvögel", sagt er kurz und zeigt auf die Wiese, aus der noch im Lauf dieses Jahres ein See werden soll - mit Unterstützung der Europäischen Union. Besonders freut sich Egger für die Bienen: "Die saufen am meisten an meinem neuen Teich." Bienen brauchen offenbar ganz viel Wasser, hat er beobachtet. Wie ja ohnehin alles mit allem zusammenhängt: Ohne Wasser keine Bienen. Ohne Bienen keine Bestäubung. Ohne Bestäubung kein Gemüse.

Ein paradiesisches Stückchen Land

Und ohne Bienen gibt's natürlich auch keinen Honig. Mmmh, Akazienhonig! Nein, da muss er uns enttäuschen. Sortenreine Honige gibt es von ihm nicht. Das klingt zwar naturnah. "Aber wissen Sie, dass Sie dann nach jeder Blüte die Waben schleudern müssen und was das für ein Stress für die Bienen ist?" Sein Honig heißt Millefiori und damit basta.

Was für ein paradiesisches Stück Land! Sonnenblumen wiegen sich im Wind, am Horizont leuchtet das tyrrhenische Meer. Und mittendrin die Insel Giglio. "Da vorn soll demnächst die Küstenautobahn gebaut werden", ereifert er sich. "Eine Verrücktheit." Aber offenbar haben sie es selbst schon gemerkt, merkt er noch an. Zuletzt sah man die Vermessungsingenieure wieder vorwiegend direkt neben der bestehenden Schnellstraße. Deren Ausbau wäre nicht nur sinnvoller, sondern auch viel günstiger.

Aus dem Gutshof wurde ein Ferienbauernhof

In einem lichten Wäldchen aus jungen Ulmen und Eichen taucht L'Origlio auf. Den Gutshof hat er vor 15 Jahren dazu gekauft und ebenfalls zum Ferienbauernhof gemacht. Wie in La Selva besitzen auch diese Ferienwohnungen eine zentrale Küche für die Gäste - weil es kommunikativer ist und einst bei den Landarbeitern der Maremma auch so war. Lukrativ sind Ferienwohnungen nicht, meint Egger, zumindest nicht, wenn man wie er seinen Mitarbeitern ein seriöses Gehalt zahlt. Aber egal: Wovon er überzeugt ist, das hält er auch durch.

Wie die Sache mit dem Olivenöl: Jahrelang haben ihn alle ausgelacht, weil man nach Bio-Richtlinien und mit vernünftigen Gehältern in der mafiösen Olivenölbranche nicht reüssieren könne. Ihn hat das nicht geschreckt. Diesen April kam der späte Lohn: Da hat ihn die Stiftung Warentest zum Testsieger des großen Olivenöltests gemacht - "Das war wie ein Sechser im Lotto".

Prima Causa heißt Eggers Paradewein

Wir fahren über die Maremmahügel zur neuen Cantina. Wein macht einer wie Karl Egger natürlich auch. Zwei Bicchieri gibt die italienische Weinbibel Gambero Rosso seinem Paradewein Prima Causa. Doch Egger ist gedanklich längst zwei Schritte weiter. Er will autochthone Rebsorten, die es nur vor Ort gibt, wieder aufleben lassen: Ciliegiolo und Pugnatello. Damit trifft man zwar nicht den Allerweltsgeschmack, aber das ist eh nicht sein Ding.

Robert Krebser heißt der junge Schweizer, der Eggers Wein und die Cantina betreut. Jeden Mittwoch um 17 Uhr zieht er ein weißes Hemd an und startet zur Betriebsbesichtigung mit Verkostung. Da kommen mal mehr, mal weniger Besucher. Egal, geführt wird immer. Denn so wie die lokalen Touristikmanager kann man's jedenfalls nicht machen, schimpft Egger. "Die sperren von Oktober bis Ostern alles zu und wundern sich dann, dass keiner mehr kommt."

Hans-Werner Rodrian

Weitere Informationen

Azienda Bioagricola La Selva, I-58010 San Donato-Albinia, Tel. 0039/564/885669, agriturismo@laselva-bio.eu, www.laselva-bio.eu. Gästezimmer pro Übernachtung je nach Saison 48 bis 78 Euro, pro Woche 487 bis 904 Euro;

Anfahrt: auf der Küstenschnellstraße SS1 Via Aurelia hinter Fonteblanda nach der Brücke über die Osa links, dann nach 3 km wieder links fahren.

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