Im Reich der Eisbären

Auf Spitzbergen leben 2600 Menschen – und 3500 der riesigen Raubtiere. Wie die Bevölkerung der Inselgruppe, die nur gut 1000 Kilometer vom Nordpol entfernt liegt, mit dem pelzigen Nachbarn auskommt
Tobias Wolf |
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Gibt’s nur auf Spitzbergen: Eisbär-Warnschilder.
9 Gibt’s nur auf Spitzbergen: Eisbär-Warnschilder.
Eiserne Eisbär-Skulptur im Hauptort Longyearbyen.
9 Eiserne Eisbär-Skulptur im Hauptort Longyearbyen.
Die einstige Minenarbeiter-Siedlung Longyearbyen ist das nördlichste Städtchen der Erde.
9 Die einstige Minenarbeiter-Siedlung Longyearbyen ist das nördlichste Städtchen der Erde.
Spaß für jeden Adrenalin-Junkie: Mit dem Schneemobil durch die Wildnis Spitzbergens.
9 Spaß für jeden Adrenalin-Junkie: Mit dem Schneemobil durch die Wildnis Spitzbergens.
Die Norwegerin Trude zeigt ihr Gewehr aus dem Zweiten Weltkrieg. Eine Waffe ist für die Guides Pflicht.
9 Die Norwegerin Trude zeigt ihr Gewehr aus dem Zweiten Weltkrieg. Eine Waffe ist für die Guides Pflicht.
Im Husky-Schlitten geht’s rasant durch die weite, weiße und arktisch kalte Wildnis Spitzbergens.
9 Im Husky-Schlitten geht’s rasant durch die weite, weiße und arktisch kalte Wildnis Spitzbergens.
Im Camp Barentz außerhalb von Longyearbyen lassen sich die Nordlichter besonders gut bestaunen.
9 Im Camp Barentz außerhalb von Longyearbyen lassen sich die Nordlichter besonders gut bestaunen.
Das Spitzbergen-Rentier kommt nur auf der Arktisinsel vor.
9 Das Spitzbergen-Rentier kommt nur auf der Arktisinsel vor.
Die spitzen Gipfel geben der Arktisinsel Spitzbergen ihren Namen.
9 Die spitzen Gipfel geben der Arktisinsel Spitzbergen ihren Namen.

Langsam ragen am Horizont weiße Berge in die Höhe. Spitz wie Fangzähne laufen ihre Gipfel zusammen. Nahe liegt der Name des Archipels, dem sich das Flugzeug nähert: Spitzbergen. Doch noch viel mehr als die markante Gebirgskette steht etwas ganz anderes symbolisch für die arktische Inselgruppe, von der es nur noch 1000 Kilometer zum Nordpol sind: der Eisbär.

Bereits im Terminal am Flughafen grüßt ein ausgestopftes Exemplar des größten an Land lebenden Raubtieres der Erde. Und auch vor der Tür des Airports wird klar: Svalbard – so der norwegische Name des Archipels – ist das Reich der Eisbären, darauf weist ein Warnschild unmissverständlich hin.

Zweibeiner und Vierbeiner haben sich gut arrangiert

Rund 2600 Einwohner zählt die Inselgruppe, gut 2000 davon leben im Hauptort Longyearbyen, eine ehemalige Kohleminenarbeiter-Siedlung. Weitere 500 überwiegend russische und ukrainische Bergleute sind in der russischen Siedlung Barentsburg zuhause, die noch heute hauptsächlich vom Kohleabbau lebt. Hinzukommen übers Jahr verteilt etwa an die 100 Wissenschaftler, die im Forschungszentrum Ny-Ålesund ihrer Arbeit nachgehen.

Demgegenüber stehen knapp 3500 Eisbären, die den Archipel bevölkern. Doch Zweibeiner und Vierbeiner haben sich gut arrangiert. Die Inselbewohner sind an der Westküste zuhause, wo das Klima dank des Golfstroms milder ist. Die Eisbären hingegen leben im ausgedehnten Eis der Ostküste, wo Robben – ihre Hauptspeise – zahlreich vorkommen.

Dennoch: Wer Longyearbyen und seine bunten Holzhäuschen verlässt und in die weiße Wildnis Spitzbergens vordringen möchte, der muss eine Waffe mitführen und den Ausflug anmelden.

Eisbär-Attacken: Schuld ist immer der Mensch

Touristen stehen dafür Guides zur Verfügung, wie die Norwegerin Trude und der Australier Tim. Die beiden begleiten Urlauber auf Gletscherhöhlen-Touren.

Behutsam zeigt Trude ihre Waffe, ein Gewehr der Wehrmacht aus dem Zweiten Weltkrieg. „Das ist auch bei den eisigsten Temperaturen noch zuverlässig“, verrät sie. Auf einen Eisbären musste die Norwegerin ihre Waffe noch nie richten. „Zum Glück“. Das beruhigt.

Seit 1973 steht der pelzige Jäger auf Spitzbergen ganzjährig unter Schutz. Ihn anzulocken oder aktiv aufzusuchen ist streng verboten. Trotzdem kommt es zu Zwischenfällen. So geschehen im März vergangenen Jahres: Eine Gruppe von sechs Touristen macht sich mit Skiern und Schneemobilen auf in die arktische Wildnis Spitzbergens. In der Nacht schlagen sie ihre Zelte auf – und werden in der Dunkelheit von einem Eisbären überrascht. Für die Urlauber geht der Vorfall glimpflich aus, ein Mann wird am Arm und im Gesicht verletzt, überlebt aber. Der Eisbär wird erschossen.

Der Schutz der Tiere hat oberste Priorität

Seit 1971 wurden auf der Inselgruppe fünf Menschen von Eisbären getötet, zuletzt 2011. Schuld daran sei aber nie das Raubtier, betont Guide Tim. „Es ist immer der Fehler des Menschen“, sagt der Australier. Leichtsinnigkeit und Unachtsamkeit führten zu den gefährlichen Begegnungen.

Wer einen Eisbären tötet, der muss in einem oft stundenlangen Verhör die Gründe darlegen. Der Schutz der bedrohten Tiere hat oberste Priorität. Geldstrafen von mehreren Tausend Euro sind nicht selten, sogar eine Gefängnisstrafe wäre möglich, auch wenn diese noch nie verhängt wurde.

Wer sich aber an die Anweisungen der Guides hält, der kann sich sicher fühlen – und die Schönheiten Spitzbergens genießen. Etwa die Gletscherhöhle hoch oben über Longyearbyen, wo die herabhängenden Eiszapfen im Schein der Stirnlampen wie Diamanten schimmern. Oder auf rasanten Hundeschlitten- und Schneemobiltouren durch die weiße, weite und arktisch kalte Wildnis, wo das Spitzbergen-Rentier zuhause ist. Diese kleinere, dickere Unterart des Rens kommt nur hier vor.

Gemütlich ausklingen lässt sich ein Tag auf Spitzbergen im Camp Barentz einige Kilometer außerhalb Longyearbyens. Mit etwas Glück können Besucher hier den magischen Tanz der Nordlichter, die die schwarze Nacht in ein kräftiges Grün tauchen, besonders gut bestaunen.

Eine bunte Gesellschaft verschiedenster Nationen

Und obwohl Longyearbyen ein abgeschiedener Außenposten der Zivilisation ist, hat das kleine Städtchen noch mehr zu bieten. Seit der Kohleabbau an Bedeutung verliert und Tourismus und Forschung aufblühen, sind mitten in der Arktis ein Vier-Sterne-Hotel, Gourmet-Restaurants, Museen, eine Einkaufsstraße, ein Pub und eine Universität entstanden.

Eine bunte Gesellschaft verschiedenster Nationen hat sich hier im hohen Norden angesiedelt. Wie bei Australier Tim ist es vor allem die arktische Wildnis, die die Menschen anzieht.

Und noch ein Punkt spielt eine Rolle: Das lange Zeit staatenlose Spitzbergen gehört zwar inzwischen zu Norwegen, im Spitzbergen-Vertrag von 1920 ist jedoch festgeschrieben, dass alle Bürger aus den über 40 Vertragsstaaten auf der Insel gleiches Recht genießen.

Das heißt: Auch jeder Deutsche könnte auf Spitzbergen leben und arbeiten. Allerdings gibt es kein Steuer- und Abgabensystem und damit auch kein Sozialsystem. Mit durchschnittlich 35 Jahren ist die Bevölkerung der Arktisinsel deshalb sehr jung, die Älteren gehen zurück aufs Festland.

Zurück geht’s über kurz oder lang auch für jeden Spitzbergen-Urlauber. Einen Schnappschuss eines lebenden Eisbären haben dabei nur die wenigstens im Gepäck. Das ist auch gut so. Immerhin winkt zum Abschied das ausgestopfte Exemplar am Flughafen.

 

Reise-Infos für Spitzbergen

Anreise: Ab München fliegt Lufthansa täglich nach Oslo. Von der norwegischen Hauptstadt aus bietet SAS ebenfalls täglich Flüge nach Longyearbyen an, teilweise mit Zwischenstopps in Tromsø. Preise für hin und zurück: Je nach Buchungszeitpunkt und Airline zwischen 300 und 900 Euro.

Übernachten: Im Radisson Blu Polar Hotel (vier Sterne) ab 200 Euro pro Nacht für ein Doppelzimmer inkl. Frühstück. Einfachere Unterkünfte gibt’s teilweise für unter 100 Euro.

Reisezeit: Die Polarnacht dauert in Longyearbyen vom 26. Oktober bis zum 15. Februar, dann ist es rund um die Uhr finster. Die Zeit der Nordlichter geht von Mitte September bis Ende März. Die Mitternachtssonne scheint vom 20. April bis zum 20. August.

Geld: Gezahlt wird mit Norwegischer Krone. Kreditkarten werden akzeptiert. Das Preisniveau ist hoch.

Einreise: Spitzbergen liegt außerhalb des Schengen-Raums. Zur Einreise genügt aber ein Reisepass.

Kleidung: Das Klima auf Spitzbergen ist arktisch. Im Winter schwanken die Temperaturen zwischen -25°C und 5 °C, im Sommer liegen sei bei -2 C bis 17 °C. Sehr warme Kleidung – am besten in Schichten – ist Pflicht.

Aktivitäten: Gletscherhöhlen-Tour (fünf Stunden): ab 77 Euro; Ausflug mit dem Schneemobil (drei Stunden): ab 168 Euro; Fahrt mit dem Hundeschlitten (vier Stunden): ab 100 Euro.

Weitere Infos:

Visit Norway:  Tel.: (+49) 40 22 94 15 0, Mail: germany@innovationnorway.no oder www.visitnorway.com

Visit Northern Norway: Tel.: +47 91 19 86 28, Mail: ellen@nordnorge.com oder www.northernnorway.com

Spitsbergen Travel: Tel.: +47 79 02 61 00, Mail: Anika.Paust@spitsbergentravel.com oder www.spitsbergentravel.com.

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