Im Land der 10 000 Seen
Das Flugzeug durchbricht die Wolkendecke. Unter den Füßen der Passagiere erstreckt sich eine schier endlose Landschaft aus Seen, Flüssen und Wäldern. Fifty shades of green and blue – wenn man so will. Nur ab und an schleichen sich kleine rote Tupfer in das Bild: die typischen Schwedenhäuser.
Die westschwedische Provinz Värmland an der Grenze zu Norwegen ist eine riesige Naturattraktion. Zwischen den Fichten-, Birken- und Kiefern-Wäldern glitzern mehr als 10 000 tiefblaue Seen. Etliche Flüsse schlängeln sich durch die sattgrüne Landschaft.
Die meisten davon, darunter Schwedens längster Fluss Klarälven (460 Kilometer), münden in den See Vänern, mit 5500 Quadratkilometern rund zehnmal so groß wie der Bodensee – und damit der größte See in der Europäischen Union.
Am Ufer des Vänern liegt die Universitätsstadt Karlstad, trotz ihrer nur 62 000 Einwohnern gesellschaftliches und kulturelles Zentrum Värmlands – mit eigenem Flughafen.
Karlstad ist das Tor zu der vielfach noch unberührten Natur, die Värmland-Reisende fast für sich alleine haben. Denn: Die schwedische Provinz bietet jede Menge Platz. Gerade einmal 320 000 Menschen teilen sich die 22 500 Quadratmeter große Region. Auf jeden Quadratkilometer kommen somit nur 14 Einwohner. Zum Vergleich: In Bayern sind’s 182 Einwohner pro Quadratkilometer.
Der schwedische Amazonas
Als Ausgangspunkt zahlreicher Touren in die Wälder sowie auf die Seen und Flüsse Värmlands eignet sich das kleine 2200-Einwohner-Örtchen Charlottenberg, gut eine Autostunde nordwestlich von Karlstadt. Hier in der Nähe lebt Jerry Olsen. Der 55-jährige sympathische Schwede mit Glatze zeigt Gästen seine Heimat – ob per Kajak, Kanu oder zu Fuß. In seinem Element ist Jerry allerdings auf dem Wasser.
Der Vrångsälven nahe Charlottenberg gehört zu seinen Lieblingsflüssen. Name ist hier Programm: „,Vrång‘ bedeutet so viel wie schwierig oder herausfordernd“, erklärt Jerry. „Und ,älven’ ist ganz einfach der Fluss”. So schlängelt sich der Vrångsälven unaufhaltsam durch den dichten Wald. Begradigt, wie etliche Flüsse in Bayern, ist hier nichts. „,Amazonas light‘ hat ein Gast mal gesagt“, erzählt Jerry und taucht mit seinem Paddel kräftig ins Wasser ein. Doch bei schönem Wetter ist der Fluss ruhig, stabil liegt das Kajak auf dem Gewässer – auch bei ungeübten Paddlern. Nach so vielen Windungen, dass man gar nicht mehr mitzählen konnte, mündet der Vrångsälven schließlich in den See Hugn.
Knapp zehn Gehminuten von dessen Ufer entfernt liegt das Skigebiet Valfjället. Im Sommer kann man sich hier bei einem Lagerfeuer mit der schwedischen Spezialität „Kolbullar“, eine Art Pfannkuchen aus Wasser, Salz und Mehl mit Fleisch oder Speck, stärken. „Kolbullar, das ist eine traditionelle Speise der Köhler, Holzfäller und Bahnarbeiter“, erklärt Kurt Emtman, ein echter Naturbursche.
Elche? „Am besten stehen die Chancen während der Dämmerung“
Der Fotograf und Wanderführer nimmt seine Gäste mit in die Wälder – und auf Elchsafaris. Etwa 300 000 der imposanten Tiere leben in Schweden. Der „König des Waldes“, wie ihn die Schweden nennen, erreicht über zwei Meter Schulterhöhe und kann bis zu 800 Kilogramm schwer werden. Dennoch sind die Tiere relativ scheu. „Am besten stehen die Chancen während der Dämmerung“, weiß der 61-jährige Kurt. Dann trauen sich die Elche raus aus ihrem Reich und auf die Wiesen und Lichtungen.
Auch Braunbären, Wölfe und Luchse sind in Schwedens Wäldern wieder auf dem Vormarsch, aber nur selten anzutreffen – zum Glück?
Zurück aufs Wasser: Gerne nimmt Guide Jerry seine Gäste auch auf grenzüberschreitende Kajakfahrten mit, etwa auf dem See Utgårdssjön, rund eine halbe Stunde nördlich von Charlottenberg. Nach wenigen Paddelschlägen wechselt der See seinen Namen – und man treibt auf dem tiefblauen norwegischen Utgardsjøen. Über den Verbindungsfluss Jösseälven geht’s zurück nach Schweden, an das Ufer des Sees Vällen. Wer will, kann dort die Nacht im Zelt verbringen – und zuvor den schwedischen Sonnenuntergang bewundern. Obwohl verhältnismäßig weit südlich gelegen, verabschiedet sich die Sonne auch in Värmland im Sommer erst nach 22 Uhr.
Jerry entführt seine Gäste auch ganz ins Nachbarland Norwegen, auf den größten und längsten Fluss des Landes, den Glomma (621 Kilometer). Die Kajak-Tour startet bei Fetsund Lenser, Norwegens größtem Flößereimuseum, in das sich ein Abstecher lohnt. Der Ort Fetsund liegt nur gut eine halbe Stunde östlich von Oslo und knapp eineinhalb Stunden westlich von Charlottenberg.
Die historische Kajak-Fahrt – seit dem 13. bis Ende des 20. Jahrhunderts wurden hier Millionen von Baumstämme aus den umliegenden Wäldern geflößt – endet im Øyeren Delta, Nordeuropas größtes Flussdelta. Unzählige blau schimmernde Flussarme schlängeln sich hier an den sattgrünen Ufern vorbei. Fifty shades of green and blue eben.
Reiseinfos für Värmland
Anreise: Ab Frankfurt fliegt BMI Regional in Kooperation mit Lufthansa täglich zweimal nach Karlstad. Ab München fliegt Norwegian Montag, Mittwoch und Freitag direkt nach Oslo. Von dort aus sind es etwa zwei Stunden Autofahrt bis Charlottenberg in Värmland. Flugpreise variieren je nach Airline zwischen 200€ bis 600€ für hin und zurück.
Reisezeit: Zu empfehlen sind die Monate Juni bis August, dann sind die Temperaturen am höchsten und die Tage am längsten.
Währung: Schwedische Krone (1€ = 9,66 SEK). Kreditkarten werden nahezu überall akzeptiert.
Kleidung: Sowohl an warme als auch an wasserfeste und leichte Kleidung denken.
Aktivitäten: Kajak- und/oder Wandertouren mit Guide Jerry Olsen sowie Übernachtungen im Zelt gibt’s bei: www.edaoutdoor.se
Infos zu Elch- oder Bibersafaris mit Wanderführer Kurt Emtman: valfjallsbyn@gmail.com
Weitere Infos:
Visit Sweden
Telefon: 069/2222 3496
germany@visitsweden
www.visitsweden.com
Visit Värmland
info@visitvarmland.se
www.visitvarmland.se
Die Recherche-Reise wurde unterstützt von Visit Sweden und Visit Värmland.