Hamburg: Züge, die baden gehen
Hamburg - „Nächster Halt: Fähre“ - leuchtet eine merkwürdige Information auf den Displays im Großraumwagen des ICE 35 von Berlin über Hamburg nach Kopenhagen auf. „Velkommen om bord“, begrüßt der deutsche Zugführer Holger Ohlsen die in Puttgarden zugestiegenen Fahrgäste in perfektem Dänisch. „Vi ønsker jer en behagelig overfart.“ Behaglich soll die Überfahrt werden? Und das, obwohl der ICE im deutsch-dänischen Grenzbahnhof auf der Insel Fehmarn den festen Boden unter den Füßen - pardon: unter den Rädern - verliert?
Der Schnellzug verschwindet im Fährschiff
Für die 45-minütige Fährpassage von Puttgarden nach Rødby über den Fehmarnbelt verschwindet der elegante Schnellzug tatsächlich im Bauch eines Fährschiffes der dänischen Fährgesellschaft Scandlines. 1963 wurde die markante Bogenbrücke über den Fehmarnsund eröffnet. Zeitgleich nahmen vor 50 Jahren die Zugfähren zwischen Puttgarden auf Fehmarn und dem dänischen Rødby ihren Betrieb auf. Damit konnten erstmals durchgehende Züge auf der Vogelfluglinie von Hamburg nach Kopenhagen verkehren. Pünktlich um 15.08 Uhr gleitet der vierteilige Diesel-ICE im Schritttempo aus dem Bahnhof in Richtung Fähranleger. Draußen an der Mole wartet schon die „Deutschland“ mit weit aufgerissener Bugklappe. Soeben sind die letzten Lkw und Reisebusse polternd auf die unterste Etage des Fährschiffs eingefahren. Und über die kleine Brücke sind rund 120 Pkw auf das darüber liegende Autodeck gerollt. Kurz vor dem Ablegen der Fähre sichert Werner Wulf mit einer Fahne die Einfahrt des Zuges. Die letzte der vier Fahr- und Gleisspuren im Schiffsrumpf ist für den Zug reserviert. Zwischen dicken Tiefkühl-Brummis mit Südfrüchten aus Spanien und Reisebussen findet der weiß-rote Zug sicher seinen Parkplatz.
Der Mann mit der neongelben Warnweste fuhr Jahrzehnte als Schlosser im Maschinenraum der großen Eisenbahn-Fährschiffe der Deutschen Bahn auf der Vogelfluglinie zwischen Puttgarden und Rødby über den Fehmarnbelt. Doch als 1997 die „Karl Carstens“ als Flaggschiff der Fährflotte ihren Dienst quittieren musste, war die Seefahrt auch für Werner Wulf vorbei. Seither weist er fünfmal täglich einen Direktzug von Hamburg nach Kopenhagen in Puttgarden auf die Fähre ein. Und ebenso oft winkt er die Gegenzüge von der Fähre über die Hafenstraße hinweg in den Bahnhof von Puttgarden ein. Doch schon bald hat er das Rentenalter erreicht. Dann quittiert auch er den Dienst. Auch die dänischen Eisenbahnfähren werden als Relikt einer gemütlichen Reise-Epoche schon bald ausgedient haben. Seit Anfang der 1960er Jahre gab es Pläne für eine feste Verbindung zwischen Deutschland und Dänemark über die sogenannte Vogelfluglinie.
Der Baubeginn ist auf 2015 angesetzt
2008 wurde schließlich nach langem Hickhack zwischen Deutschland und Dänemark ein Staatsvertrag für eine feste Fehmarnbelt-Querung unterzeichnet. Nach ersten hochfliegenden Plänen für eine 19 Kilometer lange Brücke ist nun für 2015 der Baubeginn eines knapp sechs Milliarden Euro teuren Tunnels terminiert, der ab frühestens 2020 Fehmarn mit dem dänischen Lolland verbinden soll. So lange aber heißt es „ab in den Bauch“ der Fähre. „Alle passagerer skal derfor forlade toget under overfarten og ga til færgens øvre dæck“, schallt es kurz vor Puttgarden aus den Lautsprechern. „Wir müssen Sie bitten, den Zug nach Ankunft auf der Fähre zu verlassen und die oberen Decks aufzusuchen“, wird danach auf Deutsch übersetzt.
Und alle Fahrgäste steigen zwischen den benachbarten Lastwagen aus und klettern über die Treppenhäuser der Fähre auf das Oberdeck. Der Boden schwankt leicht, nachdem die Fähre abgelegt hat. Mulmiges Gefühl beim Treppensteigen. Nur 45 Minuten wird die Fahrt über die Ostsee dauern. Die Restaurants, Cafeterias und der Duty-free-Shop an Bord des Fährschiffes füllen sich schnell mit Schaulustigen. Draußen an der Reling lassen sich die neugierigen Touristen den salzigen Ostseewind um die Nase peitschen. Gespannt warten sie darauf, dass die Hafenanlage von Rødbyhavn in Sicht kommt. Und dann zeichnen sich auch schon bald die endlosen Windkraftanlagen am dänischen Küstenstreifen ab.
Dänen, die regelmäßig die Vogelfluglinie zwischen Hamburg und Kopenhagen nutzen, sitzen im Innenraum des Fährschiffs bei einer Tasse Kaffee, lesen Zeitung oder checken E-Mails. Schneller als gewünscht werden die Passagiere gebeten, sich wieder in ihre Autos oder in den Zug zu begeben. Die feste Verbindung durch einen Tunnel würde die Fahrzeit von Hamburg nach Kopenhagen (340 km), egal ob mit dem Auto oder mit dem Zug, von 4:45 Stunden deutlich auf knapp drei Stunden reduzieren. Das Eisenbahnabenteuer, eine Zugfahrt mit einer Schiffsfahrt zu verbinden, ist dann leider vorbei.
Mit dem Zug auf die Fähre
Täglich verkehren fünf Direktverbindungen als ICE oder EC von Hamburg über den Fehmarnbelt in die dänische Hauptstadt Kopenhagen und zurück. Ein Zug verbindet sogar Berlin mit Kopenhagen über den Fehmarnbelt. Mit dem Sonderangebot „Europa-Spezial“ der Deutschen Bahn gibt es Tickets bereits ab 39 Euro nach Kopenhagen. Auf kurzen Strecken (von Hamburg) kostet das Europa-Spezial sogar nur 29 Euro. Auf längeren Verbindungen (von Stuttgart) bezahlt man 59 Euro. Mit Bahncard gibt es zusätzliche Vergünstigungen. In der Fahrt inbegriffen ist das einmalige Erlebnis einer 45-minütigen Fährfahrt mit dem ICE von Puttgarden nach Rødby
Von Hamburg aus gibt es weitere ICE-Direktverbindungen nach Dänemark ins grenznahe Jütland. www.reiseauskunft.bahn.de
Allgemeine Informationen
Auskünfte und Unterkünfte sowie Broschüren gibt es bei Visit Denmark, Dänemarks offizielle Tourismuszentrale, Postfach 70 17 40, 22017 Hamburg Tel. 01 805 / 32 64 63, www.visitdenmark.de
- Themen:
- Deutsche Bahn AG
- ICE