Haie und kleine Frösche
Mit dem größten Fisch der Welt auf Tuchfühlung und im „Spiderwalk“ durch tiefe Schluchten - wer das eiserne Land im Westen Australiens erleben will, der braucht auch eiserne Nerven. AZ-Redakteurin Angela Böhm hat ihre getestet und überraschende Erfahrungen gemacht
Auf den engen, schwarzen Neoprenanzügen, in die wir uns zwängen, steht in großen blauen Buchstaben „Adrenalin“. Ein Stresshormon, das die Herzfrequenz steigert. Naja, ein bisschen Herzklopfen hat jeder von uns. Schließlich weiß keiner so recht, was auf ihn zukommt, wenn wir gleich mit unserem Schnorchel und den Flossen ins Wasser gleiten, um den größten Fisch der Welt zu beobachten.
Andy, unser Kapitän, hat uns genaue Anweisungen gegeben, wie wir uns verhalten müssen, wenn wir dem Walhai, der bis zu 18 Meter lang, 12 Tonnen schwer und 100 Jahre alt werden kann, nähern. Nur bis auf vier Meter dürfen wir ran. Aber nicht von vorne. Das ist tabu. Sonst würde uns sein starker Sog erwischen, den der angeblich friedliche Riese mit seinem gigantischen Maul wie ein überdimensionaler Staubsauger erzeugt. Durch seine rund 3600 Zähne, die in mehr als 300 dichten Reihen stehen, saugt er pro Stunde 6000 Liter Wasser mit seinem Lieblingsfressen Plankton an und presst es durch seine Kiemen.
Auge in Auge mit dem größten Fisch der Welt.
Seit 16 Jahren fährt Andy mit seinem Schiff hinaus aufs offene Meer vor das 260 Kilometer lange Ningaloo-Riff zu den Walhaien, den größten Fischen der Welt. Hier, an der Küste des roten Kontinents vor dem verschlafenen 3000 Einwohner-Nests Exmouth, bietet die Natur im Juli ein einzigartiges Schauspiel. Ohne Tauch-Kenntnisse kann man an einem Tag die „Big Three“ der Unterwasserwelt hautnah erleben: springende Buckelwale. Manta-Rochen, die durch die Tiefe des Ozeans fliegen. Und Walhaie, die für die Meeresbiologen noch unbekannten Wesen, die nur ein paar Meter unter der Wasseroberfläche treiben.
Vor neun Jahren ist Marcus Lorenz (43) als Urlauber hier gestrandet. Das Rätsel des schwimmenden Giganten hat es dem Tauchlehrer aus Heidelberg angetan. „Mit 15 Zentimeter besitzt der Walhai oben die dickste Haut aller Lebewesen, einen richtigen Panzer also“, erklärt er. „Und unten hat er nur eine dünne weiße Haut. Logischerweise müsste er sich deshalb in der Tiefe aufhalten und nicht oben unter der Wasserfläche, wenn er sich vor Feinden schützen will.“
Aber was ist schon logisch? Kapitän Andy gibt das Zeichen. Der kleine Flieger über uns hat einen Walhai geortet. Jetzt geht's los. Doch schon nach ein paar Schwimmzügen spielt mein Adrenalin verrückt. Statt die Energiereserven zu aktivieren, versetzt mich das Stresshormon in Panik. „Schnell zurück aufs sichere Schiff“, befiehlt mein Gehirn. Ich gehorche. Dabei hatte ich mich bisher in meinem Leben immer für furchtlos gehalten.
Ein Walhai präsentiert sich in seiner ganzen Pracht.
„Keine Angst“ , baut mich Net auf. Die 24-Jährige ist Tauchlehrerin. „Beim nächsten Walhai schwimme ich neben dir her.“ Der ist leider viel zu schnell gefunden. „Du schaffst das, bist doch auch ein Fisch, zumindest vom Sternzeichen“, pauke ich mir regelrecht ein. Net packt mich am Ellenbogen, zieht mich zu sich ran. Ein paar Schläge mit meinen gelben Flossen und schon sehe ich ihn vor mir: erst die Schwanzflosse, dann die Rückenflosse des „Rhincodon typus“, wie er auf Lateinisch heißt. Mit seinen weißen Punkten und Streifen präsentiert er sich mir in seiner ganzen Pracht. „Sechs bis sieben Meter lang und zwischen 20 und 30 Jahre alt wird er sein“, analysiert Net. Vier solche Exemplare bekommen wir an diesem Tag zu Gesicht. Eine „Lady“ schwimmt zum Abschied ganz dicht an unserem Boot vorbei, als wenn sie meine Angst gespürt hätte: „Schau her, hier kannst du mich nochmal aus dem sicheren Boot anschauen.“
Schnell haben sich meine Nerven wieder beruhigt. Fünf Orkas machen vor unserem Boot Luftsprünge. Delphine umkreisen uns auf dem Rückweg. Eine Seekuh schaut uns neugierig nach.
Die nächste Herausforderung wartet nur eine Tagesreise entfernt.
In der trockenen, staubigen Steppe des Karijini-Nationalparks spaltet sich plötzlich die Erde, als würde man in eine Prinzregententorte schneiden. Schicht über Schicht haben sich hier eisenhaltige Sedimente formiert. Hundert Meter geht es in die Tiefe. „2,5 Milliarden Jahre ist dieser Platz alt, nur Grönland ist älter", erklärt Pete, unser Führer. „Ihr steht hier auf Metall.“ Er hat sich der Umgebung schon angepasst. Seine Jeans ist so rostrot wie die Erde. Eine Waschmaschine gibt’s im australischen Outback nicht. Vor mehr als 20000 Jahren haben die Aborigines diese grandiose Kulisse entdeckt. Dramatisch stürzen sich Wasserfälle in die Tiefe, plätschern danach gemächlich über grüne Kaskaden und sammeln sich in idyllischen Pools, umgeben von Amphitheatern, wie sie später die Römer bauten. Hier hat die Erde ihr eigenes Wellness-Center kreiert. Die Ureinwohner aber sind sicher: Nach der Sage waren es Riesenschlangen, die hier ihren Weg gesucht haben.
Wieder zwängen wir uns in Neoprenanzüge, klettern wie Bergziegen die steile Wand hinunter, an Abbrüchen vorbei, die ausschauen, als hätten Riesen mit Bauklötzen gespielt. Wir müssen durch Wasserrinnen schwimmen und im „Spiderwalk“ auf allen Vieren durch enge Schluchten krabbeln, uns manchmal sogar an den zwei gegenüber liegenden Felswänden mit Fuß und Hand ansaugen. So zwängen wir uns zum Kermit-Pool. „Sei jetzt bloß kein Frosch“, schießt es mir durch den Kopf. Geschafft! Über dem türkisblauen Wasserbecken bilden die rostigen Schichten bizarre Kathedralen. Ein heiliger Ort für die Ureinwohner, der offensichtlich auch Städtern aus dem fernen Europa ungeahnte Kräfte verleiht.
Service: Schiffstouf zu den "Big Three"
Singapore Airlines fliegt täglich von München über Singapur nach Perth: Der Hin-und Rückflug kostet 1290 Euro pro Person. Dazu gibt es ein Stopoverpaket für Singapur ab 49 Euro.
Eine ganztägige Schiffstour zu den „Big Three“ mit Verpflegung kostet pro Person rund 300 Euro. Geschnorchelt wird in kleinen Gruppen in Begleitung eines Tauchlehrers (www.oceanecoadventures.com.au).
Das Novotel Ningaloo gilt als derzeit schönstes Hotel in Exmouth. Zimmer pro Person ab 100 Euro in der Hochsaison (www.novotelningaloo.com.au).
Seinen Preis nicht wert ist das Karijini Eco Retreat. Die so genannten Luxuszelte kosten pro Nacht 200 Euro und bieten alles andere als Komfort. Leider gibt’s keine Alternative außer das eigene Wohnmobil oder Zelt (www.karijiniecoretreat.com.au).
Dagegen lohnt sich die Tour durch die Schluchten mit Pete für rund 190 Euro (www.westozactive.com.au).
Alle Infos über Westaustralien bei www.westernaustralia.com
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