Grossarl ist echt appgefahren!
Grossarl - Stillstand ist Rückschritt – mit diesem Grundsatz treten die Skigebiete in den Alpen in den jährlichen Wettbewerb um Touristen. Die einen versuchen es mit Superlativen – die längste Abfahrt, der größte Liftverbund, die meisten Beschneiungsanlagen –, andere festigen mit immer neuen Ideen ihren Ruf als Partyhochburg oder als Paradies für Romantiker.
Letzteres beansprucht auch das Großarltal zwischen Großarl und Dorfgastein für sich. Die Region im Salzburger Land ist gesäumt von Almen und Hütten im ursprünglich alpenländischen Stil. Gemütlich ist’s, und das Essen noch selbst gemacht. Weniger ursprünglich geht es seit diesem Winter auf den Pisten zu. Eine spezielle Applikation (App) fürs Smartphone und freies Internet geben einen Vorgeschmack auf das Skifahren der Zukunft.
Die App, die für den gesamten Liftverbund in Ski Amadé entwickelt wurde und dank zahlreicher W-Lan-Hotspots an Liftmasten und Pisten auch Ausländern permanent kostenloses Surf-Vergnügen bereitet, verfügt neben Grundlegendemwie Wetterbericht und Übersicht über freie Unterkünfte im Wesentlichen über zwei Besonderheiten: einen Routenplan sowie ein Fahr-Tagebuch.
Mit Hilfe von GPS-Navigation lässt sich eine Tour durchs ganze Skigebiet zusammenstellen – ausgerichtet am persönlichen Profil, welches man sich vorab einrichtet. Der Genussfahrer etwa schwingt sich über blaue Pisten von Hütte zu Hütte; für jene mit mehr sportlichem Ehrgeiz spuckt das Programm Varianten in Rot und Schwarz aus.
Klingt simpel und ist es auch – vergleichbar mit Autofahren nach Navi. Entscheidender Vorteil gegenüber dem Faltplan in der Jackentasche: Die auf dem Handy ausgearbeitete Fahrstrecke lässt keinen Zweifel an der Topografie. Anders als die blauen, roten und schwarzen Linien auf Papier schickt einen das Pisten-Navi dank detaillierter Routenbeschreibung in Schriftform auch wirklich nur bergab – und zeigt dabei auch noch an, welcher Lift oder welche Piste gerade gesperrt sind.
Nun man mag einwenden, dass in einem Skigebiet mittlerer Größe wie Großarl jeder Skifahrer mit Orientierungssinn auch ohne Handy den Weg ins Tal oder zur nächsten Hütte findet. Doch steht die Entwicklung ja erst am Anfang. Bald sollen auch komplexere Touren wie eine Kulinarik- oder eine Pulverschnee-Route programmierbar sein. Sie weisen einem den direkten Weg zur Hütte mit dem besten Vogelbeerschnaps oder in den feinsten Tiefschnee. Dank GPS-NotrufOrtung kommt man im Notfall auch schnell wieder raus. Und sicher finden sich bald auch Nachahmer der Handyanwendung. In einem Riesenskigebiet kann sich auch ein simpler Routenplaner als nützlich erweisen.
Zweites Highlight ist der sogenannte Pistentracker. Eine Art Fahr-Tagebuch, welches via GPS das Tagewerk aufzeichnet und nach Pistenschluss gefahrene Kilometer, Höhenmeter sowie Durchschnitts- und Spitzengeschwindigkeit anzeigt. Leider war die Funktion während unseres Testwochenendes noch nicht voll entwickelt. Verortet wird man aber auf alle Fälle über den Skipass – die Kartennummer ins Internet eingetippt, erfährt man ebenfalls, wie viel und wie schnell man unterwegs war. Wer das möchte.
Mehr als 20000-mal wurde die Anwendung seit Beginn der Ski-Saison kostenlos heruntergeladen, was für eine Skigebiets-App keine schlechte Bilanz ist. Und die Bewertungen der Nutzer sind überwiegend positiv. „Endlich amoi wos Gscheids vun uns Österreicher“, schreibt „Lux“.
Was die Sache gekostet hat, darüber möchten die Verantwortlichen nicht so gerne reden. „Dann heißt’s nur wieder, das schlagt’s auf den Skipass drauf“, sagt Thomas Wirnsberger vom Tourismusverband Großarltal. Die Summe sei aber überschaubar; von 10000 Euro für die Antennen ist die Rede.
Mit der Spielerei soll vor allem die Generation Facebook angesprochen werden. Fotos von der Pisten-Show und der Party beim Après-Ski direkt den Freunden zu Hause präsentieren – was Skifahrern gesetzteren Alters wohl weniger in den Sinn kommt, ist eine unendliche Spielwiese für Technikfans. Dank W-Lan funktioniert das Bilder-Hochladen nicht nur kostenlos, sondern auch schnell.
Insgesamt eine nette Sache also, die allerdings auch Haken hat. Die Akku-Laufzeit vorneweg: GPS kostet bei jedem Smartphone viel Batterie, noch dazu, wenn es kalt ist. Das Ladekabel ist deshalb am besten immer dabei. Dann die Technik, die bisweilen etwas deppert ist, wie der Österreicher sagen würde. Warum welche Teil-Anwendung gerade mal nicht richtig funktioniert, können nicht einmal die Entwickler erklären. In der Gondel bricht die Verbindung schon mal zusammen, und beim Mittagessen ist es mit dem Empfang meist auch nicht weit her. Den Wirten ist es selbst überlassen, ob sie sich W-Lan in die Hütte holen. Am besten, man stellt sich mit seinem Handy neben einem der Hotspots ins Freie. Den Spezialhandschuh mit Touchscreen-Fingerkuppen gibt es ja bereits.
Anreise
Das Großarltal liegt im Salzburger Land, etwa 80 Kilometer südlich von Salzburg. Von Stuttgart aus erreicht man das Gebiet über München und die A8 in etwa vier Stunden.
Unterkünfte
Übernachtungsmöglichkeiten gibt es in Großarl zur Genüge, die meisten an den beiden Liftstationen. Die App bietet eine Übersicht über freie Übernachtungen. Auch im Ortskern liegen Pensionen und Hotels. Das Hotel Alte Post (www.altepost.cc) zum Beispiel bietet nach dem Skitag geführte Schneeschuhwanderungen an.
W-Lan auf der Piste
Das Internet-/Appangebot gilt im gesamten Verbundskigebiet Ski Amadé mit insgesamt 860 Pistenkilometern. Jedes W-Lan-taugliche Gerät, ob Smartphone, iPad oder Laptop, kann dafür verwendet werden. Ein Passwort ist nicht nötig, Gebühren fallen keine an. Die Preise für den Tagesskipass liegen zwischen 39,50 und 42,50 Euro.
www.skiamade.com
www.grossarltal.info