Glanzpunkte einer legendären Tunisreise

1914 besuchten die Künstler August Macke, Paul Klee Nach und Louis Moilliet den Ort Sidi Bou Said in der Nähe von Tunis. Sie ließen sich von dem Farbreichtum des Landes bezaubern. Hundert Jahren später ist die ausgelöste Initialzündung weiterhin aktuell.
Dr. Bernd Kregel |
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Olivenverkäufer in der Markthalle von Tunis
Dr. Bernd Kregel 5 Olivenverkäufer in der Markthalle von Tunis
Farbenfrohe Kelime im Souk von Tunis
Dr. Bernd Kregel 5 Farbenfrohe Kelime im Souk von Tunis
Künstlerstadt Sidi Bou Said
Dr. Bernd Kregel 5 Künstlerstadt Sidi Bou Said
Klee-Ausstellung zu seiner Tunesienreise
Dr. Bernd Kregel 5 Klee-Ausstellung zu seiner Tunesienreise
Künstlerin Sedika Keskes auf den Spuren von Paul Klee
Dr. Bernd Kregel 5 Künstlerin Sedika Keskes auf den Spuren von Paul Klee

1914 besuchten die Künstler August Macke, Paul Klee Nach und Louis Moilliet den Ort Sidi Bou Said in der Nähe von Tunis. Sie ließen sich von dem Farbreichtum des Landes bezaubern. Hundert Jahren später ist die ausgelöste Initialzündung weiterhin aktuell.

 

Sidi Bou Said - „Mehr Licht!“ Niemand weiß, ob Johann Wolfgang von Goethe letzter Stoßseufzer in Erfüllung ging und ihm am Ende seiner Tage ein Licht von irgendwoher leuchtete, das ihm Klarheit und Wahrheit verschafft hätte. Mit seinem sehnlichen Wunsch jedoch, in die höheren Sphären eines imaginären Lichtuniversums vorzudringen, gab er unbeabsichtigt ein Thema vor, das sich erst nach ihm in künstlerischer Hinsicht wie mit einem Paukenschlag entfalten sollte. Und dies ausgerechnet auf einer Reise ins entlegene Tunis. Dorthin, wo das Licht in seiner Intensität erstmals in seiner Bedeutung für die Kunst angemessen gewürdigt wurde und dadurch zur Offenbarung werden sollte für eine ganze Künstlergeneration.

 

Es waren die Maler August Macke, Paul Klee und Louis Moilliet, die sich vor genau hundert Jahren von der Lichtintensität Tunesiens blenden ließen. Von der Leuchtkraft der Farben, die sie nun deutlicher als je zuvor wahrnahmen. Mit einer Ausstrahlung, die ihnen, stellvertretend für ihre Künstlerkollegen im fernen Nordeuropa, die Augen öffnete und sie zu einem künstlerischen Neuanfang animierte.

 

 

Traum in Blau und Weiß

 

 

Viele Nachahmer haben sich nach dem Ersten Weltkrieg auf ihre Spuren geheftet, um ebenfalls in der Farbintensität des Maghreb zu schwelgen. Und fanden sich wieder in dem inzwischen zu Berühmtheit gelangten Ort Sidi Bou Said in der Nähe von Tunis. Jenem Dorf, das schon ein Jahr nach dem Besuch der drei Tunis-Reisenden im Jahr 1915 als Künstlerort unter Denkmalsschutz gestellt wurde. Ein architektonischer Traum in Blau und Weiß, bestens dazu geeignet, mit dem intensiven Blau des Meeres und dem strahlenden Himmel farblich zu korrespondieren.

 

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Da Klee und Macke sich ihrerseits während ihres Aufenthalts von ihrem starken Interesse an Land und Leuten antreiben ließen, führte sie ihr Weg natürlich auch nach Hammamet, jener stolzen Küstenstadt mit ihrem starken orientalischen Einschlag. Zweifellos zog es sie hinauf in die Medina mit ihren bunten Gässchen und verwinkelten Häuserzeilen. Überragt von einer wuchtigen Festungsanlage, die den Blick freigibt auf einen halbmondförmig gebogenen überlangen Sandstrand.

 

 

Lifestyle-Universum

 

 

Wohl wegen seiner vorzüglichen Lage entfaltete sich Hammamet zum ersten größeren touristischen Zentrum der zwanziger Jahre. Alle künstlerisch Interessierten wollten nun das nordafrikanische Land mit eigenen Augen sehen und machten sich auf den langen Weg. So auch der aus Rumänien stammende Millionär Georges Sebastian. Der konnte sich darüber hinaus auch einen Lebenstraum erfüllen in Form einer Villa im andalusisch-tunesischen Stil, die als „Villa Dar Sebastian“ sogar seinen Namen trägt. Für ihn zweifellos ein geeigneter Ort für die zahlreichen rauschenden Feste, die der kosmopolitische Lebemann im Beisein vieler europäischer Künstler feierte.

 

Bunt geht es auch zu in Nabeul, einem quirligen Ort ganz in der Nähe. Hier ist neben dem legendären Kamelmarkt auch das Keramikhandwerk zuhause. Geschäftiges Treiben einerseits auf der geräumig angelegten Marktstraße. Daneben, versteckt in einem kleinen Gässchen, das Dar Sabri, ein Musterbeispiel gepflegten Wohnens. Ein neu ausgestaltetes Lifestyle-Universum, über das hinaus wohl nichts Stilvolleres denkbar ist, um sich dem Vergnügen des süßen Nichtstuns hinzugeben.

 

 

Inspiration durch Volkskunst

 

 

Doch noch steht mit der Hauptstadt Tunis das letzte Ziel der aktuellen Tunisreise aus. Eine Stadt, für die die Revolution der vergangenen Jahre sicherlich ebenso überraschend hereinbrach wie für Klee und Macke der Erste Weltkrieg, dem letzterer schon im ersten Jahr zum Opfer fallen sollte. Auch in Tunis ist die Spurensuche nach den Künstlern erfolgreich. So im Grand Hotel de France, in dem noch heute die Zimmer so gestaltet sind wie zu Mackes Zeiten vor hundert Jahren. Ein Porträt des Künstlers im Hausflur erinnert an dessen folgenschweren Aufenthalt, bei dem auch sein berühmtes Bild von der Ez-Zitouna-Moschee entstand.

 

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Die wichtigste Spur jedoch führt in das Haus der regen Künstlerin Sadika Keskes. Als Kuratorin der Ausstellung „Paul Klee und der tunesische Teppich“ hat Sadika über die Jahre hinweg tunesische Kelime bis in die Zeit der Tunisreise vor hundert Jahren gesammelt. Mit denen erbringt sie den Beweis, wie sehr sich Paul Klee damals von Formen und Farmen der Volkskunst inspirieren ließ, die auf 130 Farbnuancen zurückgreifen kann.

 

 

Gesellschaftlicher Auftrag

 

 

Im Gespräch jedoch erklärt Sadika, dass sie über den künstlerischen Bereich hinaus auch noch einen gesellschaftlichen Auftrag wahrnehme. Denn mit der Revolution sei ihr klar geworden, wie viele Frauen es in der tunesischen Provinz gebe, die ohne Mindeststandards an sozialer Sicherheit auskommen müssten. Diese versucht sie nun durch gezielte Aktionen in den demokratischen Neugestaltungsprozess des Landes mit einzubeziehen.

 

So in einem Dorf ganz im Zentrum des Landes, wo auf ihre Anregung hin nicht nur politische Bewusstseinsprozesse in Gang gekommen sind. Vielmehr werden hier neuerdings auch Teppiche hergestellt, die mit Hilfe der Anregungen durch Paul Klee zurück führen genau zu der Volkskunst, die in der Vorstellungswelt der Frauen noch in Bruchstücken verankert ist. In der Tat: Eine Tunisreise vor hundert Jahren mit weit reichenden Folgen bis tief hinein in die Gegenwart.

 

 

Reiseinformationen „Tunesien“:

Anreise Tunisair ab Frankfurt und München, www.tunisair.com.tu; Germanwings ab Köln, www.germanwings.com

Einreise

Kein Visum. Es genügt ein noch 6 Monate gültiger Reisepass. Für Pauschaltouristen gilt ein gültiger Personalausweis.

Reisezeit

Ganzjährig. Hauptsaison im Sommer von April bis Oktober.

Reiseveranstalter

FTI, Angebote entlang der gesamten Küste; Zielflughäfen Tunis, Djerba, Enfidha; vor Ort buchbare Ausflüge nach Kairouan, Tozeur u.a., www.fti.de

Unterkunft

Hammamet-Yasmine: Iberostar Chich Khan, +216 72249 400, www.iberostar.com/hammamet/iberostar-chich-khan; Tunis:Mövenpick Hotel Gammarth Tunis, Tel. +216 71741 444, Hotel.gammarth.sales@moevenpick.com; La Marsa: Dar El Marsa, Tel. +216 71728 000, www.darelmarsa.com; Sidi Bou Said: La Villa Bleue, +216 71742 000, www.lavillableuesodibousaid.com

Auskunft

Fremdenverkehrsamt Tunesien: Bockenheimer Anlage 2, 60322 Frankfurt, Tel. 069-133835-o; Fax. -22; info@tunesien.info; www.tunesien.info

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