Giglio - schöne Unbekannte

Die Lilieninsel im südtoskanischen Meer ist die reizende kleine Schwester von Elba, aber viel ursprünglicher – ganze neun Kilometer lang, mit einem bildhübschen Hafenort und bezaubernden Strandbuchten
von  Abendzeitung
Idyllisch: Strand und Sarazenenturm von Giglio Campese, Foto: H.W. Rodrian
Idyllisch: Strand und Sarazenenturm von Giglio Campese, Foto: H.W. Rodrian © srt

Giglio - Die Lilieninsel im südtoskanischen Meer ist die reizende kleine Schwester von Elba, aber viel ursprünglicher – ganze neun Kilometer lang, mit einem bildhübschen Hafenort und bezaubernden Strandbuchten

Mauro lehnt locker am Steuerrad seines "gommone", eines großen grauen Schlauchboots, und lacht zu den Neuankömmlingen hoch. Gerade hat die "Giuseppe Rum" im kreisrunden Hafen der Insel Giglio angelegt. An der Reling der kleinen Fähre lehnt eine Gruppe von Tagesgästen, noch ganz trunken vom Glück: Bei der Überfahrt haben sie Delfine gesehen, ganz nah! >br>
Die wenigsten Gäste, die auf die zweitgrößte toskanische Insel kommen, haben ein Auto dabei. Wozu auch? Giglio, auf deutsch die Lilieninsel, ist ganze neun Kilometer lang und es gibt nur eine einzige Straße. Auf der fährt stündlich der Inselbus, in steilen Serpentinen vom bildhübschen Hafenort Porto hinauf zum Burgdorf Castello und dann ebenso steil auf der anderen Seite wieder hinunter zur Strandbucht Giglio Campese.

Mauros Taxiboot fährt zu einsamen Badebuchten

Und es gibt natürlich Mauro. Gemeinsam mit seinen Compagnons Alberto und Lorenzo betreibt er das Taxibootunternehmen der Insel. Nur nach halsbrecherischen Kraxeleien oder per Boot sieht man all die einsamen Badebuchten, für die Giglio berühmt ist. Mauro bietet sogar eine Art Streifenkarte an: Sechs Tage Fahrt jeweils zu einem Strand der Wahl kosten pauschal 60 Euro. Mit seinen mittlerweile weißen Locken, der unvermeidlichen Sonnenbrille und dem Leopardenkäppi ist Mauro der Senior der Giglieser Wassertaxigilde.

Das Anbaggern hat er allerdings nicht verlernt. Inselrundfahrt gefällig? Schon hat er eine Kundschaft an der Angel. Er schwärmt ihr von den nahegelegenen Sandstränden Le Cannelle und Caldane vor, steigert sich dann noch bei der Schilderung der Felsbuchten: der wilden Cala del Corvo und der Cala Smeraldo, in der das türkisfarbene Wasser angeblich so klar ist, dass die Boote über dem sandigen Meeresgrund zu schweben scheinen. Mauros Schilderungen zeigen Wirkung, schnell füllt sich das Boot.

Unser Ziel ist Campese - Giglios einziger Badeort. Grober Sand schimmert goldgelb in der Bucht. Hinter einem pittoresken Sarazenenturm räkeln sich ein paar Badegäste auf Steinen, die rund ausgewaschen sind wie ein Nilpferdrücken. Bunte Sonnenschirme, drei oder vier Pensionen und zwei Strandtavernen vermitteln Kykladen-Stimmung. Wer hier Ferien macht, der genießt die Inselruhe und wandert höchstens mal zum Punto Faraglione oder hinüber zur Cala del Allume, wo bis 1968 das Pyritbergwerk war.

Hinter der Strandtaverne wartet der Inselbus hinauf nach Giglio Castello

Das Bergdorf darf man sich einfach nicht entgehen lassen. Eingefasst von einer Mauer aus Römerzeiten, drängt sich der uralte Ortskern auf der Bergkuppe. Treppen über Treppen führen zwischen den windschiefen Häusern hindurch. Morsche Holztüren schillern in kräftigem Rot, Gelb und Blau. In einigen der halbverfallenen Gemäuer haben nämlich junge Leute malerische Cafés und Bars eingerichtet.

Der schönste Weg vom Castello zurück zum Hafen führt zu Fuß über den alten, gepflasterten Maultierpfad; durch Felder und Weinberge, vorbei an Lavendel und Ginster, huschenden Eidechsen und kleinen Winzerhäuschen. Hier wächst er noch, der mythische Inselwein Ansonaco, den angeblich bereits die Römer nach Giglio gebracht haben. "Das ist der einzige Weißwein auf der Welt, der wie ein Rotwein mitsamt seinen Schalen gekeltert wird", erklärt Francesco Carfagna die ungewöhnlich kräftige Farbe und den fast sherryartigen Geschmack. Carfagna ist der Wirt vom Restaurant Arcobalena und einer der wenigen, die auf den steilen Inselterrassen ausreichend Ansonaco anbauen, dass sie ihn auch verkaufen.

In Giglio Porto schließt sich die Inselrundtour

Ein Glas bernsteinfarbener Ansonaco steht auch bei Carlo Bossini sofort auf dem Tavernentisch. Carlo hat sein Lokal La Paloma in der ersten Zeile hinter der kleinen pastellfarbenen Hafenpromenade von Giglio Porto, wo sich die Inselrundtour schließt. Die Speisekarte? Die dient eigentlich nur zur Preisorientierung, erklärt Carlo, denn in Wirklichkeit gibt es bei ihm "cucina spontanea", das heißt er kocht, was er auf dem Markt bekommen hat. Heute sind das Sardellen frittiert mit Eipanade, Miesmuscheln in Knoblauch und Weißwein, Paccheri-Nudeln mit Tintenfisch und Zucchini. Schließlich natürlich seine Spezialität: Fisch im Brotteig.

Giglios typische Nachspeise, das Feigenbrot Panficato, müssen die Tagesgäste schon im Stehen essen. Denn das letzte Schiff zum Festland hupt bereits. Und wenn das gefahren ist, gibt es nur noch eine ziemlich teure Möglichkeit, von der Insel zu kommen: Marco und sein schnelles Taxiboot. Der Mann mit dem Leopardenkäppi steht schon grinsend da und hat sein Preisschild rausgehängt: 120 Euro zum Festland. Was für ein Glück für die, die bleiben dürfen auf der Insel!

Hans-Werner Rodrian

Service Giglio

Verkehrsbüro: Pro Loco Isola del Giglio, Giglio Porto, Via Provinciale 9, I-58012 Giglio Porto, Telefon 0039/0564/809400, www.isoladelgiglio.biz.
Weitere Webseiten: www.islepark.it (Nationalpark der toskanischen Inseln), www.tuscanywalkingfestival.it, www.giglioinfo.de, www.isoladelgiglio.it
Taxiboote: Servizio Spiaggia Alberto, Lorenzo, Mauro: www.boatmen.it Hotel: Pardini's Hermitage, Cala degli Alberi, Telefon 0039/0564/809034, www.hermit.it, Übernachtung mit Vollpension 140-195 Euro.
Essen und Trinken: Arcobalena, Via Vittorio Emanuele 48, 58012 Giglio Castello, Telefon 0039/0564/806106, www.arcobalena.net. La Paloma, Via Umberto I. 48, I-58012 Giglio Porto, Telefon 0039/0564/809233.

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