Gefedert durch die Stadt

Radfahrer wurden in Israel noch vor kurzem als Exoten belächelt. Jetzt boomt das Geschäft.
Martin Tschepe |
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Man kann auf dem Mountainbike durch die Altstadt von Jerusalem fahren, ohne abzusteigen, aber nur abends.
Tschepe Man kann auf dem Mountainbike durch die Altstadt von Jerusalem fahren, ohne abzusteigen, aber nur abends.

Jerusalem - Tagsüber sollte man diese Radtour nicht machen. Die israelischen Freunde haben uns für völlig verrückt erklärt. Mit den Mountainbikes durch die engen Gassen der Altstadt in Jerusalem? Unmöglich. Beim Treffen im Abraham Hostelin Westjerusalem wischt Amir Rockman die letzten Zweifel beiseite. Der 30-Jährige arbeitet hauptberuflich als Bikeguide. Die Altstadt, sagt der gebürtige Jerusalemer, sei der Höhepunkt dieser etwa dreistündigen Fahrt durch die israelische Hauptstadt. Wenig später sind wir auch schon mittendrin im Getümmel. Die meisten Geschäftsleute in dem Basar, der an den Markt im Film „Der Dieb von Bagdad“ erinnert, haben ihre Läden eben geschlossen. Zum Glück, sonst wäre ein Durchkommen unmöglich. Die Sonne ist längst untergegangen, das Licht in den Gassen schummerig. Es ist dennoch einiges los.

Die behelmten Gäste auf den gefederten Rädern sind die Exoten zwischen den arabischen Kuttenträgern, den orthodoxen Juden, die zum Beten in Richtung Westmauer laufen, und den ausländischen Touristen, die auf der Via Dolorosa pilgern. Der Leidensweg Jesus Christus führt durch die Altstadt zur Grabeskirche. Die von einer dicken Mauer umzäunte Altstadt mit den ungezählten verschachtelten Häusern sei für ihn wie ein einziges großes Gebäude, sagt Amir Rockman. Dabei strahlt er und tritt weiter in die Pedale. Dieser Mann hat sein Hobby zum Beruf gemacht. Im Sattel lassen sich die historischen Orte in der nur etwa einen Quadratkilometer großen Altstadt schnell erreichen: die Grabeskirche und die Erlöserkirche, die Geißelungskapelle und die Verurteilungskapelle, der Tempelplatz, auf dem Radfahren freilich verboten ist, die kürzlich wieder aufgebaute Hurva-Synagoge.

Die Kunden aus den USA wollen klare Anweisungen

Die uralten, ausgetretenen Wege aus großen Steinplatten sind stellenweise allerdings rutschig. Wenn es regnet, dann werden die Gassen fast so glatt wie die Straßen in Nordeuropa nach einem Kälteeinbruch mit Schneefall. „Jetzt rechts“, „hier links“, „Vorsicht, aufpassen: ein Bordstein“ — der Touristenführer mit staatlicher Lizenz gibt alle paar Sekunden seine Kommandos. Besonders die Kunden aus den Vereinigten Staaten verlangten ganz genaue Anweisungen, sagt er beim Verlassen der Altstadt. Deshalb hat er es sich angewöhnt, während der Radtour jede noch so kleine Besonderheit anzukündigen. Zudem erzählt Amir Rockman vielerorts Geschichten. Zum Beispiel im ehemaligen Niemandsland, in der Straße, die früher mitten in Jerusalem die Grenze zwischen Israel und Jordanien markiert hat. Hier sei einer alten Frau einmal ihr Gebiss aus dem Fenster gefallen. Es dauerte mehrere Tage und bedurfte einer Einschaltung der Vereinten Nationen, damit die Dame ihr Beißwerkzeug zurückbekommen konnte. Rockman führt seine Kundschaft auch durch Nachlaot, einen urigen Stadtteil, den manche als Jerusalems Soho bezeichnen.

Die Siedlung mit vielen kleinen Synagogen entstand im Laufe des 19. Jahrhunderts. Hier sind die Gassen fast so schmal wie in der Altstadt. Wenig später passieren wir die Knesset, das israelische Parlament. Dann fahren wir mitten durchs Gerichtsviertel, vorbei am Rathaus und schließlich zurück in die Jaffa-Straße, die seit April eine Fußgängerzone ist. Nur die neue Straßenbahn und die Biker dürfen noch fahren. Bei der Rückkehr zum Abraham Hostel bezeichnet Rockman Jerusalem als „eine Ansammlung von unterschiedlichsten Dörfern“. Wir haben diese Dörfer auf der Radtour fast alle kennengelernt.


Anreise
Ab München bieten die Fluggesellschaften El Al ( www.elal.com), Lufthansa ( www.lufthansa.com) und Arkia ( www.arkia.com) direkt nach Tel Aviv. El Al transportiert Räder nach Anmeldung kostenfrei.

Radtouren
Die beschriebenen geführten Radtouren bietet Ecobike an. Sie kosten pro Tag für zwei Personen umgerechnet 225 Euro, jede weitere Person 19 Euro. Ausgeschriebene Gruppentouren kosten pro Person 45 Euro, www.ecobike.co.il

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