Flughafen: Es piepst!
Es piepst. Das heißt: zurück. Völlig unverständlich. Hatte der Reisende nicht alles hervorgeholt und ordentlich in ein Plastikwännchen gelegt, was er - zur eigenen Überraschung - so alles in seinen Hosentaschen verborgen hatte? Schlüsselbund, Kleingeld, Feuerzeug? Und artig die Geldbörse aus der Gesäßtasche gezogen, wie es sich gehört? Selbstbewusst und hocherhobenen Hauptes schreitet er also durch die Sicherheitsschranke. Körperkontrolle? Der Reisende ist gut vorbereitet. Nicht so wie der ältere Herr vor ihm, der seinen halben Hausrat in der linken Hosentasche mit sich führt, einschließlich Nagelknipser. Und der ganz unten im Rucksack noch einmal nachschauen möchte, ob sich da nicht doch noch eine Literflasche Sonnenöl versteckt hat. Lichtschutzfaktor 50.
Sie hat - und muss zu Hause bleiben. Und der Hut muss auch runter? Ach so! Der Reisende geht allen Hindernissen aus dem Weg. Bloß nicht in eine Reihe mit älteren Fluggästen, die den Eindruck machen, nur einmal im Jahr - oder überhaupt zum ersten Mal - in den Urlaub zu fliegen. Die sich nicht auskennen, nervös von einem Bein aufs andere treten - und dann mit ärgerlicher Überraschung feststellen, was alles nicht in ihr Handgepäck gehört. Eine Tube mit 125 Milliliter Sonnenöl, Lichtschutzfaktor 50 - wieso ist das zu viel? Zehn Shampoofläschchen zu 100 ml aber nicht. Auch eine Familie mit mehreren Kleinkindern hat er umgangen. Wer will schon in ungläubige Kinderaugen starren, wenn der Bär nicht reibungslos die Kontrolle passiert?
Schuhe aus, Gürtel runter
Und die ausufernd zornigen Beschwerden von Vätern aushalten, die ihren familiären Führungsanspruch nicht von pingeligen Kontrolleuren infrage stellen lassen wollen. Mit Verachtung und stiller Schadenfreude schaut der Reisende auf die immer länger werdende Schlange am Nachbarband. Gut, dass ihm das alles nicht passieren kann. Von wegen. Es kann. Es piepst. Aus heiterem Himmel. Also Schuhe aus, Gürtel runter. Ob der Reisende einen Herzschrittmacher hat, fragt der Sicherheitsmann. So ein sonniges Gemüt. Nein. Noch hat der Reisende keinen Herzschrittmacher. Aber die Gefahr wächst. Noch einmal reißt ihn der provokante Piepton fort von seinem Ziel: in den Urlaub. Grundlage der Fluggastkontrolle (FGK) wie der Gepäck- und Warenkontrolle (GWK) sind in Deutschland die Paragrafen 5 und 8 des Luftsicherheitsgesetzes. Die Regelung war 2006 eingeführt worden: aus Angst vor Attentaten mit getarntem Sprengstoff.
Das zu wissen, nützt nichts, untermauert aber die besondere Bedeutung der Prozedur. Also Beine breit, schicksalsergeben die Schweißflecken unter den Achselhöhlen präsentiert. Die dünnen weißen Latex-Handschuhe des Sicherheitsmannes sollen wohl den Eindruck vermitteln, da müsse einer den lieben langen Tag ständig im Müll herumwühlen. Weiter geht’s. Heldenhaft das peinliche Loch im linken Strumpf ignoriert, hoch das rechte Bein, hoch das andere, ein Blick unter die Schuhsohlen - dann darf der Reisende unter dem aufatmenden Gemurmel der hinter ihm angewachsenen Schlange endlich passieren. Man kennt sie, die biblische Geschichte vom Kamel und dem Nadelöhr. „Sind wohl die Nieten an Ihrer Jeans“, sagt mir der Mitleidende, der umständlich seine Schuhe bindet und den einzigen Stuhl hinter der Kontrolle blockiert. „Kenn ich!“ Oder eine Zufallskontrolle. Die gibt es auch. Bloß den Koffer, den soll der Reisende doch bitte schön noch einmal kurz öffnen.
Eine freundliche Sicherheitsdame?
Seine Hose rutscht. Die Füße werden kalt. Dabei hatte er die zwischen den schiefen Sicherheitszähnen hundertfach zerkaute Frage „Laptop?“ brav und richtig mit Nein beantwortet, hatte sein Plastiktütchen mit Zahnbürste, Seife, kleiner Zahnpastatube und noch kleinerem Shampoofläschchen ausgepackt und bei „Flüssigkeiten?“ weithin sichtbar routiniert mit dem Kopf geschüttelt. „Ach, die Kamera“, sagt die freundliche Dame hinter dem Alu-Tisch, „zeigen Sie die mal her!“ Der Reise kennt das: Lässt er das Objektiv dran, hat er in der Regel keine Probleme. Schraubt er es ab und legt es woanders im Koffer hin, muss er sich gedulden. Kamera einschalten, bitte mal das Display zeigen, bitte. Alles in Ordnung. Danke schön, das war’s. Eine freundliche Sicherheitsdame. Tatsächlich!
Der Reisende hat auch andere erlebt. Die ganz penible. Oder ihren betont witzigen Kollegen. Oder die, die den Fluggast aus Südkorea auf Englisch mit den deutschen Sicherheitsbestimmungen vertraut machen wollen. Die Wortkarge, den Nuschelnden, die Lässige, den Gelangweilten und jene, die - vertieft ins kollegiale Zwiegespräch über die Freude Ereignisse des freien Wochenendes - gar nichts machen: „Haben Sie schon mal was von Schichtwechsel gehört?“ War’s das? I wo. Die Reisetaschen müssen vom Band, Geldbeutel, Schlüssel und Münzen wieder eingesteckt werden. Das geht. Der Gürtel dagegen findet seinen Weg durch jede Lasche nicht sofort. Und die Schuhe gehören geschnürt. Wie, der Reisende hockt im Weg? Er wird doch wohl noch in Ruhe...
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