Flüssiges Hebräisch im Tal der Elah

Das Tal der Elah ist in Israel nicht sehr bekannt. Dabei gibt es einzigartige Bedingungen für den Weinanbau.
Gil Yaron aus Beit Schemesch |
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Beit Schemesch - Wer bei der Kellerei in Agur aus dem Auto steigt, könnte meinen, er sei nicht in Israel. Im Sommer treibt schwüle Hitze in Tel Aviv schon morgens den Schweiß aus allen Poren, auch in Jerusalem haben die meisten bereits ihre Klimaanlagen eingeschaltet. Doch nur 40 Autominuten von beiden Städten entfernt raschelt eine kühle Brise durch die Kronen hoher Eukalyptusbäume und Atlantischer Pistazien. „Wenn ich morgens zu meinem Weinberg gehe, nehme ich einen Pulli mit“, sagt Shuki Yashuv. Nicht nur das kühle Wetter bildet einen starken Kontrast zum heißen Krisengebiet Nahost: „Wir versuchen hier, ein ganz normales Leben zu leben.

Und zumeist funktioniert das auch“, erklärt der 57-jährige Pionier von Israels aufblühender Weinindustrie. Yashuvs Weinberg liegt im Tal der Elah. Ein geschichtsträchtiger Landesteil: David bezwang hier Goliath, bei Ausgrabungen wurde eine Tonscherbe mit der ältesten hebräischen Inschrift der Welt gefunden. Dennoch finden bisher nur Kenner den Weg hierher, wandern durch die sanfte Hügellandschaft und machen zwischen Zypressen, Olivenbäumen und Sabres-Kakteen ein Picknick. Doch die meisten kommen hierher, um die Früchte grüner Rebstöcke zu genießen. In den letzten 20 Jahren entstanden hier 34 Weingüter. Das Tal der Elah ist Israels Toskana geworden, eines der wichtigsten Wein­anbaugebiete in Nahost. Manche der Weine sind koscher: Sie werden ausschließlich von Juden hergestellt, die den Sabbath einhalten. Der Landkreis rund um das Tal der Elah liegt zwischen 300 und 800 Meter Höhe und „ist auf einzigartige Weise für Wein geeignet“, sagt Yashuv. „Bei rund einem Drittel der Nächte liegt selbst im August die Temperatur unter 10 Grad, bei 10 Prozent der Nächte unter 7 Grad Celsius“, erklärt Gadi Sternbach, der sich hier 1996 ebenfalls als Winzer niedergelassen hat.

„Wir verkaufen rund die Hälfte des Ertrags“

„Die Erde ist voller Steine und deswegen gut durchlüftet“, sagt Sternbach. „Weinanbau ist hier nichts Neues, sondern die Rückkehr einer alten Tradition“, sagt Udi Kaplan, Direktor der Ella-Valley-Kellerei. „Als wir unseren ersten Weinberg pflügten, stießen wir auf archäologische Überreste.“ Bei den Ausgrabungen entdeckten Archäologen ein mehr als 2000 Jahre altes jüdisches Dorf mit einem riesigen Weinkelter. Auf den rund 80 Hektar von Ella Valley, einer der größten Weinbauer der Region, wächst inzwischen eine Vielfalt verschiedener Rebsorten: Vorbei sind die Zeiten, als israelische Winzer sich nur an robuste Sorten wie Cabernet Sauvignon und Merlot trauten. Muscat Alexandria, eine der ältesten Rebsorten der Welt, hat ihren Weg zurück in die Hügel um Jerusalem gefunden. Neben ihr reifen unter Kaplans Aufsicht inzwischen Chardonnay, Semion, Petit Verdot und Pinot noir heran. Ella Valley kann für seine Jahresproduktion von 200 000 Flaschen nicht die ganze Ernte verbrauchen: „Wir verkaufen rund die Hälfte des Ertrags“, sagt Kaplan. Zu Kaplans Abnehmern gehören Individualisten wie der 57 Jahre alte Yashuv, der vor 14 Jahren seinen Beruf als Schreiner an den Nagel hängte, um sich auf vier Hektar Anbaufläche dem Wein zu widmen: „Als Diplomatensohn lernte ich Wein und seine Bedeutung bei den Auslandsaufenthalten kennen.“

Besonders gern erinnert Yashuv sich an die Zeit in Wien, aus der seine Deutschkenntnisse stammen. Weniger gern erinnert er sich an seinen Wehrdienst als Fallschirmjäger, während dem er eine der blutigsten Schlachten des Jom-Kippur-Kriegs 1973 nur knapp überlebte. Seither, sagt Yashuv, „habe ich keine Träume, nur Albträume.“ Die Ruhe und die Schöpfungskraft der Reben scheinen Therapie für ihn zu sein: „Hier kommt alles zusammen: tiefe Wurzeln und ein weiter Horizont“, sagt der ehemalige Philosophiestudent. Seine komplexe Persönlichkeit spiegelt sich in seinen Weinen wider, wie in der Kreation „Layam 2010“, eine Cuvée aus Mourvèdre und Syrah. Nach einem Jahr in französischen Eichenfässern entfaltet dieser tiefrote Tropfen ein wahres Feuerwerk an Geschmacksnoten: Auf das fruchtige Bouquet folgt ein Beerenaroma, das von vollmundigen Erdtönen abgerundet wird. Gadi Steinbach, ein pensionierter Fremdenführer, setzte anfangs hingegen auf Sortenreinheit. Steinbach entdeckte die Liebe zum Wein als junger Student der Landwirtschaft auf einer Europatour: „Seit meinen Besuchen in England und Frankreich hegte ich den Traum, eines Tages Winzer zu werden und ein kleines Restaurant zu führen.“ Der Traum wurde im Ruhestand Realität: Auf heute rund 2,5 Hektar wachsen Viognier, Syrah, Petit Verdot und Marsanne.

Sein Lieblingsprodukt ist jedoch der Janaba Reserve, 100 Prozent Cabernet Sauvignon. Fast bernsteinfarben sprudelt der edle Tropfen aus der Flasche. Auch nach zwei Jahren im französischen Eichenfass ist der Janaba nicht schwer. Im Tal der Elah gibt es nicht nur guten Wein, sondern auch hausgemachten Käse zu entdecken. Der 36 Jahre alte Alon Zaban aus Tal Schahar entdeckte vor acht Jahren als Student seine Liebe zur Käsemacherei: „Wer im High-Tech-Staat Israel trotz aller klimatischer Widrigkeiten Landwirtschaft betreibt, entscheidet sich für einen ganz besonderen Lebensstil“, sagt Zaban. Auf dem Grundstück seiner Eltern hält er inzwischen 100 Ziegen und stellt zehn Sorten Käse und frischen Joghurt her, die man nur in dem Kaffeehaus auf dem Gut erstehen kann. An Wochenenden ist das kleine Besucherzentrum, in dem Zaban israelischen Kindern die Liebe zur Natur näherbringen will, überfüllt. Doch Zaban ist nicht allein: Zig Käsemacher, von Ökobauern bis zu Zulieferern der Industrie, haben sich in Israels Toskana angesiedelt und bieten ihre Ware in kleinen Boutiquen, Kaffeehäusern und Restaurants feil - die beste Ergänzung zum überraschend auserlesenen Produkt einer noch unentdeckten Weinregion.


Anreise
Mit Airberlin ab Stuttgart über Berlin nach Tel Aviv ab 800 Euro, mit Lufthansa ab Stuttgart über München ab 700 Euro.

 

Unterkunft
Jerusalem: Prima Royal, gutes Mittelklassehotel in zentraler Lage, www.prima-hotels-israel.com ;
Tel Aviv: Melody Hotel, strandnahes Mittelklassehotel, www.atlas.co.il

Weingüter
Agur Weingut - Dorf Agur. Weinproben buchbar unter Tel. 0 09 72 / 54 / 4 75 96 72. Herr Yashuv spricht Deutsch. An Wochenenden geschlossen.

Hans Sternbach Kellerei in Guvat Yeshayahu - Weinproben buchbar unter Tel. 0 09 72 / 52 / 3 85 99 26, am Wochenende hat auch ein Restaurant geöffnet. Herr Sternbach spricht Deutsch.

Weinprobe in der Ellah Valley Kellerei im Kibbuz Ha Lamed Hey buchbar unter Tel. 0 09 72 / 2 / 9 99 48 85, an Wochenenden geschlossen.

Auskunft
Fremdenverkehrsbüro Israel, Tel. 030 / 2 03 99 70, www.goisrael.de

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