Fastfood & Flamingozungen

München - Luxus war, wenn ein Pompejaner im Liegen Austern schlürfte. Dekadent, wenn er die Finger dann im Haar eines Sklaven trocknete. Sind wir denn so anders als die alten Römer? Diese Frage lauert still hinter der Ausstellung „Luxus und Dekadenz“*, die 2009 in München gezeigt wird. Wir sind ihr nachgegangen – genießerisch vor Ort.
Auf Spurensuche am Golf von Neapel
Links im Dunst der Vesuv, rechts azurblau das Meer. Sanfter als mit dem Jet kann man nicht in Neapel landen. Die Adligen und Senatoren kamen zwar nicht weniger verwöhnt per Schiff, ließen sich in Sänften tragen. Aber sie flohen vor der Hitze Roms in den Luxus des Landlebens. Ließen Neapel im Rücken, die wuchernde Metropole. Wir aber tauchen mitten hinein.
Vom Vomero aus sieht man genau den Spaccanapoli, der Neapel spaltet. Aus schmalbrüstigen Läden quillt antiker Kram bis auf den engen Decumanus der Römer. Bizarre Nudeltüten, fette Schinken, armlange Salami machen aus den Läden lukullische Tropfsteinhöhlen. In einer Seitengasse springt die Uhr auf Weihnachten: An Ständen links und rechts türmen sich illuminierte Krippen mit unterschiedlichsten Gestalten. Ein Barack Obama ist dabei – quasi als Mohrenkönig aus dem Morgenland
Alles hier ist Kult
Im alten Bildstock neben einer Bar haben Sportfans die Himmelskönigin Madonna durch den Fußballgott Maradona ersetzt. Die Neapolitaner sind verzückt, wenn sich zweimal im Jahr das Blut des Stadtpatrons San Gennaro verflüssigt, was gegen allerlei Wehwehchen hilft. Andere setzen auf die Heilige Patrizia: „Die schafft dieses Wunder jede Woche“, schmunzelt Nadja. Und wofür hilft’s? „Sie hat das volle Programm!“
Unterirdische Entdeckungen
Nadja führt in das Napoli sotteraneo, das unterirdische. In einer Wohnung wird einfach das Bett zur Seite gerückt und eine Falltür geöffnet. Vierzig Meter tiefer hat man einst Tuffstein gebrochen und Aquädukte vorangetrieben. Jetzt ist die City wie ein Schweizer Käse. Sogar ein römisches Theater wurde freigelegt. Hier ließ sich Kaiser Nero, der dekadent in Luxus schwelgte, als Poet von bezahlten Claqueuren feiern.
Das genannte Bett steht in einem typischen Basso. Das ist ein armseliges Zimmer mit Kochnische, ebenerdig und ohne Bad. Nachts sieht man die Familie bei Tisch, die Nonna vorm Fernseher. Die Vespa ist vorsichtshalber am Schlafsofa aufgebockt. Was es da Interessantes gäbe, will ein Passant wissen, als wir die Lenkradsperre eines Autos bestaunen. Ihm habe man trotzdem zwei Autos gestohlen, sagt er, einfach aufgeladen.
Untergang der antiken Welt
Nun, Diebe hat es, wie Luxus und Armut, schon immer gegeben. Einer wurde von einem stürzenden Balken erschlagen. Das war 79 vor Jesus Christus beim Ausbruch des Vesuvs, als die Leute von Stabiae auf die Berge flohen. Mit ihm begrub der Ascheregen die Villen der Reichen metertief, radierte Städte wie Pompeji und Herkulaneum von der Landkarte
Wie das Harz ein Insekt im Bernstein, so versiegelte die Asche ein Stück der antiken Welt. An den Wänden der Villa Poppea in Oplontis wurden zauberhafte Fresken freigeschaufelt: ein Korb mit saftigen Feigen, eine zarte Glasschale voller Granatäpfel. Mosaike im Archäologischen Nationalmuseum zeigen die Fülle des Meeres: Austern und Tintenfische, Schwertfische und Aale. „ Man war reich, und man zeigte es“, sagt Dr. Andrea Lorentzen, die 180 ausgesuchte Schaustücke aus Neapel nun in München zeigen wird. Doch auch der Bruch vom Luxus zur Dekadenz ist bildlich belegt: Ein Sklave stützt einen Zecher, der sich übergibt. Auf einer Vase schwenkt eine Hetäre ihr entblößtes Hinterviertel vor einer interessierten Männertafel.
Weitere Informationen
Italienische Zentrale für Tourismus, Enit, Prinzregentenstr. 22, 80538 München, Telefon 089/53313, www.enit.de. Die Ausstellung "Luxus und Dekadenz - römisches Leben am Golf von Neapel" ist in der Archäologischen Staatssammlung München vom 06. Februar bis zum 30. August 2009 zu sehen.
Der Autor reiste auf Einladung der ENIT und der Ente provinciale per il Turismo Neapel mit TUIfly.com