Fano: Himmelstürmer

Das Drachenfestival ist einer der Höhepunkte auf der Nordseeinsel Fano. Dann kommen Leute aus aller Welt, und der Himmel hängt voller Drachen.
von  Elke Sturmhoebel aus Fano

Fanø - Bei der Hundesäule, die man nach Verlassen der Fähre als Erstes passiert, handelt es sich vermutlich um das einzige Denkmal, das leichten Mädchen gewidmet wurde. Dabei ist das horizontale Gewerbe auf Fanø nicht stärker vertreten als auf anderen Nordseeinseln. Die bunten Hunde auf dem hohen Podest haben vielmehr historische Gründe. Als Fanø noch eine Seefahrerinsel war, suchten manche Insulaner fern der Heimat ein Freudenhaus auf. In englischen Häfen war es im 19. Jahrhundert den Damen verboten, Geld für ihre Dienste zu nehmen. Stattdessen verkauften sie den Freiern gern ihre Porzellanhündchen als Souvenir.

Die Figuren auf der Fensterbank zeigten potenziellen Kunden den Stand der Dinge an. Schauten die Hunde hinaus, warteten sie auf Männerbesuch. Schauten sie ins Zimmer, war schon jemand da. Auffallend viele Porzellanhunde zieren heute noch die Fensterbänke auf Fanø. Mancher Liebhaber könne nun erkennen, ob die Luft rein ist, wird mit einem Augenzwinkern kolportiert. Nur zwölf Minuten dauert die Überfahrt von Esbjerg zur nördlichsten Insel im Wattenmeer. Nach Ankunft der Fähre steuern die Urlauber vor allem die Ferienhäuser bei Rindby Strand, Fanø Bad und Sønderho an. Die meisten Touristen sind Deutsche. Im Juni aber wird die Insel bunt. Dann kommen Leute aus aller Welt, und der Himmel hängt voller Drachen. Fanø ist ein Mekka der Drachenflieger. 5000 Teilnehmer werden zum größten Drachenfest der Welt regelmäßig erwartet.

Fanø hat das Glück, im Schutz des Hornriffs zu liegen

Das International Kitefliers Meeting, das in diesem Jahr zum 30. Mal stattfindet, ist vor allem ein Happening. Da treffen sich Gleichgesinnte, werden Workshops veranstaltet, Drachen und Zubehör versteigert. Was diese Open-Air-Veranstaltung so sympathisch macht: Es ist ein ganz und gar unkommerzielles Festival. Es geht dort einzig um die Lust, Freunde zu treffen und gemeinsam Drachen steigen zu lassen. Tatsächlich hat Fanø mit dem breiten Strand, der unendlichen Weite sowie dem stetigen Wind die dafür perfekten Bedingungen. Der zwölf Kilometer lange Strand wird immer breiter. Fanø hat das Glück, im Schutz des Hornriffs zu liegen, und Strömungs- und Windverhältnisse sorgen für stetigen Landgewinn. Da fällt es den 3000 Bewohnern leicht, großzügig zu sein. Autos dürfen den Strand mit Tempo 30 befahren. Sogar die Buslinie führt über den Strand. Es hat etwas Entspannendes, an einer Haltestelle vor den Dünen auf den Bus zu warten und dabei den Blick über das Meer schweifen zu lassen.

Während Drachenflieger in die Luft schauen, gucken Bernsteinsucher nach unten. Sobald sich das Wasser zurückzieht, suchen Einheimische und Urlauber den Spülsaum ab und stochern zwischen Muscheln und Tang herum. Bernstein mit normalen Steinen zu verwechseln, sei auf Fanø nahezu ausgeschlossen, erklärt Jens Peter Jensen. Schließlich sei die Insel eine große Sandbank. Daher gebe es auch keine Steine, die der Sturm loslösen und wieder anspülen könnte. Der Bernsteinschleifer aus Sønderho begutachtet aber gern die Fundstücke. Auf Wunsch verarbeitet er sie auch, schleift und poliert den Schatz und fasst ihn zu einem Schmuckstein. Wohl an die 200 Kilo habe er am Weststrand schon geborgen, schätzt der 62-Jährige, der in seiner „Ravsmeden“ genannten Bernsteinschmiede gern ein Schwätzchen hält. Das etwa 300 Einwohner zählende Sønderho im Inselsüden mit seinen schmucken Häusern ist ein zauberhaftes Inseldorf.

Das schönste Dorf Dänemarks

Dass Sønderho 2011 den Titel „Schönstes Dorf Dänemarks“ einheimsen konnte, verwundert nicht. Die meisten der gepflegten alten Häuser hinter weißen Staketenzäunen ducken sich unter Reet. Die ältesten entstanden in der Blütezeit der Handelsschifffahrt und haben bald 300 Jahre auf dem Buckel. 70 Häuser stehen unter Denkmalschutz. Es seien die Regierungsmitglieder Viggo Kampmann und Julius Bomholt gewesen, die Anfang der 60er Jahre Ministerpräsident und Kultusminister wurden und sich für den Schutz der Häuser einsetzten, so Bernsteinschleifer Jensen.

Die Politiker hatten selbst Ferienhäuser in Sønderho und waren darauf bedacht, das alte Dorf zu erhalten. „Wieder mal wird der Staat von Sønderho regiert“, titelten damals dänische Tageszeitungen, wenn sie mal wieder auf Kurzurlaub waren. Auch manche Künstler hatten hier ein Haus gekauft, andere nahmen sich ein Zimmer im Dorfkrug. Die Küche im Sønderho Kro aus dem Jahr 1722 ist unter Gourmets wohlbekannt, eine Reservierung dringend angeraten. Auf einer Fensterbank sitzen zwei Porzellanhunde, die nach innen schauen. Das macht Sinn. Koch und Kellner sind schließlich anwesend und verwöhnen die Gäste, die in den niedrigen Stuben mit rundum gekachelten Wänden sitzen.

Am Samstag ist Bettenwechsel. Vor der Fähre hat sich schon eine Autoschlange gebildet. Am Festland blitzt die Skyline des Industriehafens von Esbjerg mit den Türmen und Schornsteinen des Kohlekraftwerks und der gigantischen Einschiffungsanlage für Offshore-Windräder. Auf einer kleinen Sandbank vor dem Fähranleger liegt ein Seehund und wedelt zum Abschied lässig mit der Flosse. So scheint es jedenfalls.


Anreise
Mit der Bahn bis Niebüll. Von dort Direktverbindung nach Esbjerg und weiter mit dem Bus zum Fährhafen. Mit dem Auto über die A 7/E 45 bis Kolding, weiter auf der E 20 nach Esbjerg. Fähre: Fahrplan und Preise im Internet unter www.faergen.de .

Unterkunft
Kellers Badehotel (am Golfplatz), Strandvejen 48, Fanø Bad, DZ ab 200 Euro, www.kellersbadehotel.dk.

Sønderho Kro, Kropladsen 11, Sønderho, www.sonderhokro.dk.

Ferienhäuser im Internet unter www.dancenter.com , www.danibo.dk oder unter www.fanoespecialisten.dk.

Essen und Trinken
Die Küche im Sønderho Kro aus dem Jahr 1722 ist unter Gourmets wohlbekannt, eine Reservierung dringend angeraten. Drachenfestival Drachenfestival findet in diesem Jahr vom 19. bis 22. Juni und im nächsten Jahr vom 18. Juni bis 21. Juni statt. www.kitefliersmeetingfanoe.de

Sehenswürdigkeiten
Das Kunstmuseum in Sønderho mit Werken von Fanø-Künstlern von 1849 bis heute.

Die Kirchen in Nordby und Sønderho mit der höchsten Dichte an Votivschiffen in Dänemark.

Buchtipp
DuMont Reise-Taschenbuch „Dänemark Nordseeküste“ von Hans Klüche, 2013, 16,99 Euro.

Allgemeine Auskünfte
Fanø Turistbureau, Rathaus, Skolevej 5-7, Nordby, www.visitfanoe.dk

Was Sie tun und lassen sollen
Auf jeden Fall sollten Sie Gummistiefel dabeihaben für eine geführte Robbensafari durchs Watt.

Auf keinen Fall sollten Sie den Nebel unterschätzen, weil man im Watt dann ganz leicht die Orientierung verlieren kann. Wenn sich Seenebel bildet: sofort zurück an den Strand!

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