Europas schönste Markthallen

Gemüse statt Gemälde: Die Markthallen in Europas Touristenmetropolen sind oft genauso interessant wie die berühmten Sehenswürdigkeiten.
Sie sind Kathedralen kunstvoll geschichteten Gemüses und gleichzeitig Tauchgründe in den Alltag einer fremden Stadt: Europas Markthallen. Kein Wunder, dass immer mehr Städtereisende eher die große Kunst links liegen lassen als den Bummel über den Markt. Wir haben die interessantesten Markthallen ausfindig gemacht und besucht.
Florenz, Mercato Centrale
Kutteln auf Marmortischen, Tintenfisch wie Elfenbein drapiert und Saubohnen auf Samtauslage: Die Standbesitzer in Florenz' zentraler Markthalle präsentieren Innereien und Gemüse wie Juweliere ihr Geschmeide. Seit 1784 lockt die mächtige gusseiserne Konstruktion gleich neben der Medici-Grabkirche San Lorenzo kulinarische Genießer. Unten gibt es Fisch und Fleisch, der schönste Stand ist dort der Kuttelverkauf von Oreste Carocci, der ganz bewusst wie ein Altar gestaltet ist. Nach oben fährt man per Rolltreppe zu Obst und Gemüse. Beim Traditionsmetzger Perrini kaufen die Florentiner Küchenchefs ganze Schinkenkeulen und die viel gerühmte Gänsesalami aus der Maremma: Streckenweise fühlt man sich wie in der Feinkostabteilung eines Nobelkaufhauses. Kult sind die Kuttelbrötchen beim Imbissstand Da Nerbone. Montag bis Samstag 7 bis 14 Uhr
Altenrhein: Hundertwasser-Markthalle
Die Kuppeldächer glänzen golden, die Dächer sind geschwungen. Wie zufällig in die runden Wände hineingesetzt wirken die bunten Fenster. Kein Zweifel, die Markthalle von Altenrhein am Schweizer Bodenseeufer ist ein echtes Hundertwasser-Bauwerk. Und ein ganz besonderes dazu: Denn das 2002 eröffnete Gebäude war das letzte, das der österreichische Künstler vor seinem Tod gestaltete. Bauernmarkt und Kunst stehen hier einträchtig nebeneinander. Freitags und samstags breiten Bauern aus der Region im Großen Saal ihre Produkte aus. An den anderen Wochentagen locken Kunstausstellungen und Konzerte Besucher aus nah und fern. Auf dem Grasdach kann sich der Besucher eine Videovorführung zur Gedankenwelt Hundertwassers ansehen. Außerdem gibt es eine Galerie, ein Restaurant und natürlich einen kleinen Shop mit Hundertwasser-Drucken und anderen Souvenirs. Montag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr, Nov. bis März nur Samstag und Sonntag, www.markthalle-altenrhein.ch
Madeira, Mercado dos Lavradores
Ein reißender Bach schwappte durchs Erdgeschoss, bis zur vierten Stufe reichte das Wasser: Vom großen Unwetter im Februar blieb auch der gedeckte Markt Funchals nicht verschont. Mittlerweile ist wieder Normalität eingekehrt: Schon an dem mit Azulejos gefliesten Eingangsbereich warten die Blumenverkäuferinnen mit großen bunten Sträußen auf Käufer. Aber erst im Innenhof taucht man so richtig ins Leben der Madeirenser ein und bekommt eine Ahnung von den exotischen Pflanzen und Früchten, die auf der Insel wachsen. Der gesamte Innenraum der Markthalle und auch die Galerie quellen über vor frischen Blumen, Obst- und Gemüsebergen. Hier kann man Köstlichkeiten probieren, von denen man noch nie etwas gehört hat. Exotisch präsentiert sich auch der Fischmarkt in der Halle nebenan: mächtige Thunfische liegen auf den Verkaufstischen und natürlich auch die Spezialität der Insel, die schwarzen Degenfische, die an viel zu groß geratene Aale erinnern. Montag bis Donnerstag 8 bis 19 Uhr, Freitag 7 bis 10 Uhr, Samstag 7 bis 14 Uhr.
Barcelona, La Boqueria
Direkt an der berühmten Rambla, der Flaniermeile Barcelonas, liegt "La Boqueria". So nennt alle Welt die wunderschöne Markthalle mit dem offiziellen Namen Mercat de Sant Josep. Sie beherbergt einen der größten Lebensmittelmärkte der Erde. An den Ständen wird eine unglaubliche Vielfalt an Gemüse, Obst, Fisch, Fleisch, Pilzen, Kräutern, Schinken, Oliven und kandierten Früchten verkauft. Hier kaufen auch Barcelonas Starköche ein. Am besten macht man es wie die Einheimischen: Sie meiden die überteuerten Stände am Eingang und halten sich an die Delikatessen bei den Händlern am Rand der Halle. Ein wunderbarer Ort zur Einkehr nach dem Markttreiben ist das nahe nostalgische Café de L'Ópera, ein historisches Jugendstil-Café mit Originaldekor und Terrasse an der Rambla (La Rambla 74). Montag bis Samstag 8 bis 20.30 Uhr, www.boqueria.info
Helsinki, Wanha Kauppahalli
Von wegen nordisch unterkühlt: Helsinkis alte Markthalle verbreitet geradezu mediterranes Flair. Vielleicht liegt das auch an der wohligen Wärme, die im Winterhalbjahr aus ihr dringt. Der Feinschmeckertreff nahe dem Marktplatz Kauppatori stammt noch aus der Zarenzeit, wurde aber vor ein paar Jahren komplett renoviert und erstrahlt jetzt wieder im warmen Licht der historischen Kugelleuchten. Auffällig sind die vielen Stände mit frischen Erbsen - das zuckersüße Gemüse kauen die Finnen gern wie Bonbons. Durch die engen Gänge schieben sich neben Helsinkis Hausfrauen auch Hunderte von Urlaubern. Sie bestaunen Delikatessen wie Rentierschinken und Piroggen, Lachs und Preißelbeermarmelade. Natürlich gibt es auch frischen Fisch, Gemüse und Gebrauchsgegenstände wie geflochtene Spankörbe, die übrigens auch ein gutes Mitbringsel sind. Tipp: Zwischen den Ständen versteckt sich eine nette kleine Bar, an der man gut eine Kaffeepause einlegen kann. Montag bis Donnerstag 8 bis 17 Uhr, Freitag 8 bis 18 Uhr, Samstag 8 bis 15 Uhr, www.wanhakauppahalli.com
Budapest, Nagycsarnok
Ungarische Salami, auf Schnüren aufgezogener roter Paprika, Paprikapulver unterschiedlicher Schärfegrade - in Budapests Zentraler Markthalle Nagycsarnok gibt es fast alles, was Ungarn lukullisch zu bieten hat. Geflochtene Knoblauchzöpfe, Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch hat das Schlemmerparadies am Westufer der Freiheitsbrücke natürlich auch. Mit ihren Sandstein-Ecktürmen und den bunt lasierten Ziegeln ist die Ende des 19. Jahrhunderts erbaute und liebevoll restaurierte Markthalle herrlich nostalgisch und dabei gourmetmäßig voll auf der Höhe der Zeit. Auf keinen Fall verpassen sollte der Besucher den ersten Stock. Dort oben gleich rechts gibt es einen Stand mit den besten Lángos Budapets - das sind Fladen aus Hefeteig, bestrichen mit Knoblauch (traditionell) oder mit saurer Sahne und Käse. Montag 6 bis 17 Uhr, Dienstag bis Freitag 6 bis 18 Uhr, Samstag 6 bis 14 Uhr.
Hans-Werner Rodrian