Elf Jahre vor dem großen Ballaballa
Eine WM in der Wüste? Unglaublich! Fußball spielen bei 45 Grad im Schatten? Unmöglich! Die Fußball-WM 2022 im Emirat Katar sorgt für hitzige Diskussionen, viele Experten würden die Verantwortlichen am liebsten in die Wüste schicken. Wir haben uns schon mal im Land der Fußball-WM 2022 umgesehen - und einige Überraschungen erlebt
Quälend lang dauert der Erwerb des Visums am Flughafen von Doha. Die Einreisebeamten arbeiten "entschleunigt", haben überhaupt keine Eile und kassieren die fälligen 80 Rial (20 Euro) mit einer wahren Bierruhe. Mietwagen-Fahrer halten auf den überfüllten Straßen der Hauptstadt erst mal die Luft an: Unzählige Kreisverkehre, dauerhupende Einheimische und rücksichtslose Manöver zerren an den Nerven, die Beschilderung ist weit entfernt von WM-Niveau. Ohne Navi sind längere Irrfahrten programmiert. Und nächstens muss man mit einzelnen Kamikazeradlern rechnen, die ohne Licht die gut ausgebauten Highways entlang zuckeln. Unerklärlich lange Ampelphasen lassen den europäischen Fahrer verzweifeln.
Öffentlicher Nahverkehr findet praktisch nicht statt - kein Wunder. Bei Spritpreisen wie aus 1001 Nacht (ca. 15 Cent pro Liter) fährt jeder mit dem Auto durch die wüstenbraune Metropole. Bis zum Fußball-Ballaballa 2022 wollen die Kataris trotzdem ein vollständiges S- und U-Bahnsystem deutscher Prägung in den Sand buddeln. Die Deutsche Bahn und die (noch) deutsche Hochtief AG sind bereits dafür engagiert.
Den alten Stadtkern hat der Scheich originalgetreu renovieren lassen.
Die Entfernungen im Siedlungsbrei von Doha sind beachtlich, viele Viertel einfach gesichtslos. Erfreulich authentisch präsentiert sich dagegen der alte Stadtkern: Den traditionellen "Souk Waqif" hat Scheich Hamad originalgetreu renovieren lassen und damit ein echtes Schmuckstück hingestellt: Verwinkelte Gassen, unzählige Läden und Stände, die Gerüche und Geräusche des Orients sind allgegenwärtig. Die Händler verhalten sich relativ zurückhaltend und sehr freundlich. Rund um den Souk reihen sich schöne Cafés und zum Teil exzellente Restaurants. Ob iranisch oder italienisch, libanesisch oder chinesisch - jeder kommt auf seinen Geschmack.
Überall steigen die süßlich duftenden Wölkchen der Shisha (Wasserpfeifen)-Raucher in den Himmel. Verschleierte Frauen nuckeln ebenso an den prachtvollen Shishas wie westlich offen gekleidete Business-Ladies oder arabische Herrenrunden in den traditionellen Dishdashas (den weißen Männer-Kleidern). Die Atmosphäre rund um den Souk ist polyglott-entspannt.
Direkt neben dem riesigen Parkplatz in der Stadtmitte gibt's übrigens Kamele zu sehen. Die Wüstenschiffe stehen neben riesigen Kränen, die das neue Doha aufbauen - ein reizvoller Gegensatz. Katar ist allerdings bei weitem nicht so extrem wie Dubai: der Emir hat seine glitzernden Hochhäuser in vergleichsweise normaler Höhe im Diplomatenviertel nördlich der großen Bucht aufstellen lassen, zusammen mit den davor ankernden alten Dhaus (den Holzschiffen des Persischen Golfs) gibt das pittoreske Bilder. Entlang der Uferprachtstraße, der Corniche, flanieren die Kataris gern und machen Brotzeit unter verstaubten Palmen, wenn sie nicht beim Shoppen in einer der wohltuend klimatisierten Einkaufs-Malls sind.
Doha ist im Aufbau. Allenthalben Baustellen, viele neue Hotels, ein paar aufgeschüttete Strandabschnitte und die künstliche Insel "The Pearl", wo Luxus- Apartments und ebensolche Shops auf zahlungskräftige Kunden warten: Das ist steril und wirkt protzig. Angenehmer ist das im Entstehen befindliche "cultural village": Eine prächtige neue Moschee, Museen, ein gigantisches Amphitheater direkt am Meer und das funkelnagelneue Opernhaus verblüffen mit gelungener arabischer Architektur und hochkarätigen Veranstaltungen. Dort spielt das "Qatar philharmonic orchestra" auf - das einzige Symphonieorchester rund um den Golf, gemanagt vom Münchner Kurt Meister. Musik in der Wüste, made by Germans.
Ein Glas Wein kostet zehn Euro, das Essen ist aber gut und billig
Deutsche Ingenieure und Experten gelten viel im kleinen Emirat auf der Wüstenhalbinsel. Das bestätigt auch Uli Stielike. Der Ex-Co-Trainer der deutschen Fußballnationalmannschaft lebt seit zwei Jahren in Katar und sagt: "Sie lieben uns Deutsche und bezahlen uns gut." Deutsche Architekten werden die geplanten WM-Stadien bauen, deutsche Trainer geben die Linie vor im weltweit anerkannten "Aspire"-Sportzentrum, in dem die künftigen Stars des katarischen Hochleistungssports gemacht werden.
Ob es auch deutsches Bier bei der Weltmeisterschaft in elf Jahren geben wird, bleibt abzuwarten. Bisher finden Alkohol-Durstige nur in ein paar internationalen Hotels und Restaurants das Gewünschte. Knapp zehn Euro kosten 0,2 Liter guten libanesischen Rotweins. Das arabische Essen ist vorzüglich, schmeckt hervorragend und sprengt kein Reisebudget. Für organisierte Ausflüge in die Wüste (zum Barbecue, Kamelrennen oder Sandskifahren) muss man mehr hinlegen. Aber das lohnt sich.
Die Kataris selbst sind distanziert freundlich, unglaublich neugierig und prinzipiell hilfsbereit. Leider hapert es beim Hotelpersonal oder an Informationsstellen noch am Ausbildungsstand: Viele wissen keine Antwort auf die Fragen der Touristen. Aber das wird noch. Anpfiff des ersten WM-Spiels ist ja erst in elf Jahren. Und bis dahin wird auch der Mangel beseitigt sein, den die junge Münchner Flötenspielerin Patrizia aus dem Orchester des Emirs beklagt: "Manchmal hab ich Lust auf eine Butter-Brezel."
Allgemeine Informationen
Beste Reisezeit für Katar sind die Monate November bis März (zwischen 15 Grad am späten Abend und 27 Grad am Mittag, Wasser 23 Grad.) Ideal zum Fußball-Spielen, für Sightseeing und Wüstentouren.
Die Flugzeit nach Doha beträgt ca. 6 Stunden.
Impfungen sind nicht erforderlich. Es gibt kaum Kriminalität.