Eine Spurensuche in Stockholm

Die Schweden haben neben Ikea die Super-Sauber-Popgruppe ABBA  - Spurensuche in Stockholm.
von  Anja Wasserbäch

Immer diese Schweden. Sie haben Ikea, Mittsommer und die Super-Sauber-Popgruppe ABBA – auch wenn sie das nicht an die große Glocke hängen. Eine Spurensuche in Stockholm.

Schon am Flughafen Arlanda heißen sie einen willkommen. Lauter Bekannte. In Schwarz-Weiß. Die Königsfamilie, Björn Borg, Greta Garbo und ABBA. "Welcome to our home town" steht darunter. Viel mehr der Heldenverehrung darf man von den Schweden nicht erwarten. Auch wenn die Stars ABBA heißen. Diese schrecklich nette Popmusik-Gruppe.

Mann trifft Frau. Frau trifft Mann. So geht das ständig. Überall. Dass aber erst Benny Björn kennenlernt, dann Benny Frida, die sich unsterblich verlieben und dann noch Björn und Agnetha, die ebenfalls ein Paar werden. Daraus wird eine Band. Das ist schon eine wundersame Geschichte. Ein Popmärchen. Da sind die zwei sehr schönen Frauen, die eine blond, die andere brünett, noch dazu mit Goldkehlen ausgestattet. Daneben: Die etwas hemdsärmeligen Männer, die schon seit längerem gemeinsam Musik machen. Dann aber machten sie auf einmal Pop in Großbuchstaben. Zusammengesetzt aus den Initialen ihrer Vornamen.

Es muss irgendwann im Jahr 1972 gewesen sein, als ABBA entstanden. So genau weiß das niemand. Auch nicht Åsa Danielsson, die alle Fakten für den Spaziergang in Stockholm recherchiert und zusammengestellt hat. 1982 haben sich ABBA getrennt. Beruflich. Privat schon einige Zeit davor. Aufgetreten sind die vier Schweden seit 30 Jahren nicht mehr gemeinsam. Manchmal, da sieht man Benny in der Stockholmer Innenstadt, sagt Danielsson.

Die Schweden mögen keine Superstars. Sie sind nicht nur ein musikalisches, sondern auch ein egalitäres Volk. "Jeder ist gleich, egal ob er berühmt ist oder nicht", sagt Danielsson.

Alle diese Geschichten kennt Åsa Danielsson. Mit ihr schreiten wir durch Stockholm, vorbei an Regenpfützen, im Takt zu "Dancing Queen", das aus den Lautsprechern aus Åsas Umhängetasche kommt. Ein paar Schweden auf ihren alten Fahrrädern schauen verdutzt, als sie an uns vorbeifahren. "Dancing Queen", es gibt wirklich Forschungen darüber, ist der Popsong, den man am schnellsten erkennt. In einer Nanosekunde. Daran ist das Glissando am Anfang des Liedes schuld, dieses schnelle Streichen über die Keyboardtasten.

Schweden ist eine Nation, die auch heute noch eine rege Musikszene hat, die vom innovativen Elektropop einer Robyn bis zum Hochglanz-Rock'n'Roll von Mando Diao reicht. ABBA ist die zweitgrößte Popgruppe aller Zeiten nach den Beatles. Popmusik ist in Schweden als Exportprodukt wichtig - und kommt gleich nach Holz und Stahl. Madonna verwendete in "Hung Up" einen Sound aus "Gimme Gimme Gimme", Nirvana haben einmal gestanden, große ABBA-Fans zu sein.

Auf Plateauschuhen die ABBA-Historie erlaufen

ABBA haben fast 400 Millionen Platten verkauft, wurden jedoch oft für ihren Kommerzsound verhöhnt und verspottet. Später jedoch von ihren Kritikern dafür geachtet, großartige Songs geschrieben zu haben. Noch heute werden täglich (!) 3000 ABBA-Platten verkauft. Doch erst im Mai dieses Jahres kam das Tourismus-Büro der Stadt auf die Idee, einen ABBA-Spaziergang ins Programm zu nehmen. Die Touren auf den Krimi-Spuren von Stieg Larssons "Millennium"-Trilogie laufen wie geschnitten Smörrebröd. Jetzt stapfen die Fans also zu den Liedern von ABBA durch die Straßen. Manche gar auf hohen Plateauschuhen, wie sie die Band selbst damals trug. Der Spaziergang zeichnet auch ein Bild davon, wie es in Stockholm vor 40 Jahren war.

Die 70er Jahre waren Glitzer und Glamour. Im New Yorker Studio 54 saß Bianca Jagger auf einem Pferd herum, in Stockholm tanzten ABBA. Stockholm war ein kleines skandinavisches Städtchen. Das schwedische Königshaus hatte damals keinen guten Stand. Es gab große Debatten, ob die Monarchie abgeschafft werden sollte. Und was machen ABBA? Die Combo, die damals auch in Stockholm lebte, trat am 19. Juni 1976 bei der Hochzeit von Carl Gustaf und Silvia auf. "Dancing Queen" sang das Quartett. Mamma mia! Nein, politisch das waren ABBA nie. Vielmehr die Gute-Laune-Popband, kunterbunt und glitzernd, eine vertonte Soap-Opera, die keine schlechten Zeiten kennt. Und, nun ja, auch ein bisschen langweilig. Åsa Danielsson weiß, dass Björn der Klang der Texte wichtiger war als deren Bedeutung. Auf dieses bekannte "tktktktktktk" von "Take a Chance on Me" sei er beim Joggen gekommen.

ABBAs Durchbruch war der Sieg beim Grand Prix d'Eurovision in Brighton im Jahr 1974 mit "Waterloo". Eine Combo mit schönen Stimmen, wundervollen Harmonien und Kostümen, die von allem etwas zu viel waren. Inzwischen liegt die Kleidung gut verschlossen im Schwedischen Nationalmuseum. Immerhin: Im Hardrock-Café hängt hinter Glas Agnethas Mantel, den man erst mal suchen muss. Auch die Bardame weiß nicht auf Anhieb, wo das Teil ausgestellt ist. Zumindest das örtliche Musik-Museum hat eine kleine ABBA-Ecke. Hier sieht man Bennys Synthesizer, ein paar Goldene Schallplatten. Und ABBA in Leuchtbuchstaben.

ABBA-Fans bleibt nicht viel zum Erinnern. Außerhalb von Stockholm kann man eine ABBA-Show besuchen, wie sie jetzt im Januar zum Jubiläum wieder auf Tour geht. In dieser Show, die irgendetwas zwischen Konzert und Musical ist, singt Camilla Dahlin. Sie hat die Augen doll geschminkt mit blauem Lidschatten, wie es Agnetha gerne trug. Sie komme gerade aus dem Urlaub, erzählt sie. Man sieht es ihr an, so braun gebrannt ist sie. Sie war auf der griechischen Insel, auf der "Mamma Mia" gedreht worden ist. Schon als neunjähriges Mädchen war sie fasziniert von den ABBA-Songs. In dem Video "Thank You for the Music" war sie Statistin. Heute klingt ihre Stimme zusammen mit der von Katja Nord eben wie ABBA. Seit 28 Jahren singen sie zusammen. "Wir hier in Schweden sind stolz auf ABBA", sagt Camilla. In anderen Ländern aber sei die Band populärer.

Teile von "ABBA - The Movie", einer der eher schlechteren Werke von Lasse Hallström (u. a. "Chocolat"), wurden in der schwedischen Hauptstadt gedreht. Ein paar Szenen entstanden in einer Suite im Sheraton-Hotel. Und so sucht man sie: die Plätze, die irgendwie etwas mit der Gruppe zu tun haben. Åsa Danielsson, eher der Frida-Typ, führt einen zum Rathaus, in dem der achtjährige Benny mit Akkordeon seinen ersten Auftritt hatte. Vorbei an der Altstadtwohnung in Gamla Stan, wo Frida und Benny wohnten. Wir passieren Fridas Friseurladen. Nein, viele ABBA-Reminiszenzen hat Stockholm nicht zu bieten. Kein Denkmal, kein Museum. Immerhin: Das Hotel Rival gehört Benny Andersson. Das will man aber nicht an die große Glocke hängen. Deshalb ist es nicht erwünscht, dass Journalisten hier Interviews machen. Im Plattenladen Bengans in der Haupteinkaufsstraße Drottninggatan gibt es zwischen CDs von den Arctic Monkeys und Vampire Weekend auch eine kleine ABBA-Ecke. Für die Touristinnen mit ihren H&M-Tüten leicht zu übersehen.

Eigentlich sollte Stockholm aber ein ABBA-Museum bekommen. Es wird gemunkelt, dass es am Geld scheiterte. Im schönen Bau direkt am Wasser, der dafür gedacht war, ist nun das Fotografie-Museum untergebracht. Vom Café aus hat man einen grandiosen Blick auf das Wasser und den nostalgischen Vergnügungspark Gröna Lund. ABBA traten hier mal auf. Heute steht eine Band auf der Bühne im Café. Sie spielt leisen, schönen Indiepop. Keine Spur von ABBA. Nirgends.

 

Anreise

Stockholm wird täglich von zahlreichen Fluggesell- schaften angeflogen. Ab Stuttgart zum Beispiel von Lufthansa oder Swiss (www.lufthansa.com, www.swiss.com), ab Frankfurt auch mit SAS (www.flysas.com).

ABBA

Die ABBA-Stadtführung lässt sich über das Stadsmuseum Stockholm buchen (www.stadsmuseum.stockholm.se). In den kommenden Monaten findet der Spaziergang jeden Samstag um 16 Uhr statt. Man kann den Spaziergang auch auf eigene Faust machen. Dafür gibt es einen neuen Stadtplan, der ebenfalls im Stadsmuseum erhältlich ist. Es gibt zudem einen Reiseführer, der sich ausschließlich mit ABBA beschäftigt. „Der ABBA-Reiseführer nach Stockholm“ ist im Publishing Verlag erschienen.

Unterkunft

Selbst die Hotels der Stadt haben einen ABBA-Bezug. Im Grand Hotel (www.grandhotel.se) drehte die Band Werbespots für eine japanische Elektronik- firma. Das Zimmer ab 280 Euro die Nacht. Im Sheraton Hotel (www.sheratonstockholm.com) wurde die Hotelzimmerszene in „ABBA – The Movie“ gedreht und nicht in Australien, wie im Film der Eindruck erweckt wird. Das Zimmer ab 240 Euro. Kein Geringerer als Benny Andersson ist einer der Besitzer des Hotel Rival (www.rival.se). Zwei der 99 Zimmer sind nach ABBA-Themen gestaltet. Ab 140 Euro die Nacht.

Was Sie tun und lassen sollten

Auf jeden Fall einen ABBA-Walk machen. Und durch die engen Gassen in der Altstadt von Gamla Stan flanieren. Auf keinen Fall drängeln! Die Schweden sind sehr höfliche Menschen und gehen alles gelassen an.

 

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