Eine gefühlte Heimat

Der Journalist Oliver Lück ist mit seinem Campingbus durch insgesamt 26 Länder gefahren.
Claudia Bell |
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Journalist Oliver Lück reist stets mit seiner Hündin Locke.
Lück Journalist Oliver Lück reist stets mit seiner Hündin Locke.

Herr Lück, was macht Ihr Fernweh?
 Im Moment hält es sich in Grenzen. Mein Bus ist in der Werkstatt, mit dem könnte ich jetzt eh nicht losfahren.

Was hat er denn?
Das Getriebe ist kaputt, das muss sich mal ein Profi anschauen. Ich bin nur froh, dass mir das auf meiner Tour nicht passiert ist. Da hätte ich ein ernsthaftes Problem gehabt. So hatte ich nur mit kleineren Blechschäden und Reifenpannen zu kämpfen, die konnte ich selbst reparieren.

Sie waren 2008 ein Jahr und 2010 für acht Monate in Europa unterwegs. Warum hatten Sie einen Hund dabei?
Weil man dann nie alleine ist und immer einen treuen Gefährten hat. Man hat Gesellschaft, fühlt sich beschützt und kommt schnell mit den Menschen ins Gespräch. Als ich damals aufgebrochen bin, war meine Hündin Locke gerade mal ein paar Monate alt und ein kleiner Welpe. Sie ist also während der Reise in meinem Bus aufgewachsen und hatte dadurch eine äußerst abwechslungsreiche Kindheit.

In Ihrem Buch porträtieren Sie 26 Menschen. Wie haben Sie diese Leute gefunden?
Von einigen hatte ich im Vorfeld schon gelesen, etwa über die Schwedin Susanne Wiigh-Mäsak, die Menschen nach deren Tod kompostieren möchte. Ich wollte sie unbedingt treffen, und ich bin sehr froh, dass es geklappt hat, denn sie ist eine ungeheuer spannende Persönlichkeit. Nicht ganz so einfach war es dagegen, die norwegische Extrem- Abenteurerin Cecilie Skog zu treffen. Sie ist die meiste Zeit des Jahres unterwegs. Die Begegnung mit ihr musste gezielt geplant und arrangiert werden. Andere Menschen sind mir dagegen schlichtweg „zugelaufen“.

 Der spanische Fußballgott Lionel Messi gehörte aber nicht zu den „Zugelaufenen“, oder?
Auch mit ihm muss man sich natürlich vorher über seinen Manager in Verbindung setzen, aber da ich ihn schon ein bisschen von meiner Arbeit bei einem Fußballmagazin kannte, war das kein größeres Problem.

Und wie ist er so?
In erster Linie klein, wahnsinnig klein — er ist ja nur 1,68 Meter groß! Und wenn er mit einem spricht — er spricht allerdings kaum, und wenn doch, dann nuschelt er ziemlich —, dann ist sein Oberkörper absolut ruhig, während er mit seinen Füßen und Beinen permanent herumzappelt. Er ist wie ein in zwei Hälften geteilter Mensch: oben ruhig, unten immer und ständig in Bewegung. Phänomenal.

Welche Begegnung hat Sie am meisten beeindruckt?
Schwer zu sagen, ich habe so viele interessante Menschen getroffen! Jeder hatte eine tolle Geschichte zu erzählen oder irgendetwas Faszinierendes in seinem Leben erlebt. Ziemlich beeindruckend fand ich die junge Sizilianerin, die seit Jahren mutig gegen die Mafia kämpft. Und sehr berührt war ich von der Begegnung mit der fast 80 Jahre alten Maria. Sie wohnt in einem kleinen Haus am Jakobsweg in Spanien, sitzt täglich vor ihrer Tür unter einem Feigenbaum und stempelt dort die Pässe der vorbeiziehenden Pilger. Dabei trifft sie Menschen aus der ganzen Welt und hört sich deren Geschichten an — sie selbst hat ihre Heimat allerdings noch nie verlassen.

Haben die Menschen in anderen Ländern ein anderes Gefühl für ihre Heimat als wir Deutschen?
Ja, ich glaube schon, dass die Menschen ein unterschiedliches Verhältnis und eine andere Vorstellung von Heimat haben. Mir ist bei dieser Reise klargeworden, dass es so etwas wie eine gefühlte Heimat gibt. Das muss gar nicht unbedingt der Ort sein, aus dem man kommt oder in dem man lebt, sondern Heimat hat sehr viel mit den Menschen zu tun, die dort sind: Freunde, Verwandte, aber auch Bekannte und flüchtige Begegnungen. Wenn ich manchmal tagelang an einem Ort war und dort mit ganz besonderen Menschen gesprochen hatte, ist es mir anschließend schwergefallen, wieder abzureisen. Ich habe mich häufig in einem Wechsel zwischen Heimweh und Fernweh befunden.

Es war sicher nicht immer einfach, mit Menschen ins Gespräch zu kommen.
 Klar, in manchen Gegenden sind die Menschen eher verschlossen. Da dauert es eine Weile, ehe sie sich einem öffnen. Und geholfen hat natürlich auch, dass ich gerne Wodka trinke, das ist vor allem im Osten schwer von Vorteil.

Oliver Lück: „Neues vom Nachbarn — 26 Länder, 26 Menschen“, Rowohlt Verlag

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