Eine Explosion des Geschmacks

Bangkok kulinarisch: AZ-Chefredakteur Arno Makowsky probierte frittierte Fischmägen auf dem Straßenmarkt und grünes Huhn beim Kochurs.
von  Abendzeitung
Garküche auf dem Boot, Foto: Makowsky
Garküche auf dem Boot, Foto: Makowsky © az

Bangkok - Bangkok kulinarisch: AZ-Chefredakteur Arno Makowsky probierte frittierte Fischmägen auf dem Straßenmarkt und grünes Huhn beim Kochurs.

Also schön, was sein muss, muss sein. Runter damit! Andererseits: Muss es wirklich sein? Vielleicht hätte Shen, mein ebenso fachkundiger wie unerbittlicher Führer durch Bangkoks Märkte, nicht erwähnen sollen, worum es sich bei diesen frittierten unförmigen Teilen handelt, die er mir jetzt fröhlich anbietet: "Müsse probiere, schmeckt supper!"

Was soll's, her damit, reinbeißen, fertig. Es sind Fischmägen. Getrocknete, frittierte Fischmägen. Und sie schmecken, naja, sehr thailändisch. Auf jeden Fall interessant. Schließlich bin ich nicht zum Vergnügen hier, sondern um die Esskultur der Thais zu entdecken, genauer gesagt: um Bangkok, diese faszinierende, unfassbare Riesenstadt, kulinarisch zu durchstreifen.

Heute Morgen habe ich schon in der Kochschule des Mandarin-Oriental-Hotels gelernt, wie man ein grünes Curry mit Huhn korrekt zubereitet, oder wie wir Kenner sagen: Gaeng Khio Waan Kai. In aller Bescheidenheit: Es ist fantastisch gelungen. Jetzt, in der Hitze des Nachmittags, wühlen wir uns durch die engen Gassen Chinatowns.

Thai-Gewürze sind Wellness für den Gaumen

In der tropischen Luft liegt dieser unbeschreibliche Bangkok-Geruch, eine Mischung aus Abgasen, Garküchen-Schwaden, Räucherstäbchen und exotischen Gewürzen. An den Fassaden hängen Reklameschilder mit chinesischen Schriftzeichen, auf der Straße bieten Goldhändler und Wunderheiler ihre Dienste an. Und zwischendrin auf dem Gehweg und in Häusernischen immer die Küchen-Künstler, die virtuos mit dem Wok hantieren und sich dabei von einem nervigen Falang, einem neugierigen Europäer, beobachten lassen müssen.

So wie die Köchin in der Soi Wanit, der quirligsten Marktgasse von Chinatown: Blitzschnell wirft die junge Frau eine Handvoll Gemüse in den Topf mit heißem Kokosöl, Gewürze dazu, Chili, Kräuter und Fischsoße; es zischt und brodelt, dann dreht sie mit einer Hand die Gasflamme herunter, mit der anderen taucht sie die Nudeln erst in heiße Brühe und vermischt sie dann mit dem Gemüse. Ich schaue mit großen Augen zu. In der Denkblase über der Köchin steht: „Mensch, Falang, glotz nicht, sondern iss was!“ Das ist nicht so einfach, wenn man schon ein Curry und mehrere Kokosnüsse vertilgt und einen Fischmagen probiert hat. Das unterscheidet Europäer deutlich von Thais. Die essen praktisch den ganzen Tag. Ununterbrochen mümmeln sie Nudeln in sich hinein oder bunte Früchte, sie lutschen an gefrorenen Fruchtstangen und knabbern an getrockneter Fischhaut.

In der Küche des Landes spiegelt sich die Fantasie ihrer Menschen

Wer auch nur wenige Tage die Atmosphäre dieser Stadt in sich einsaugt, wer mit offenen Augen über Märkte schlendert und den Duft des allgegenwärtigen Essens genießt, der spürt: In der Küche dieses Landes spiegelt sich die Lebendigkeit, die Fantasie ihrer Menschen. „Kochen ist ganz einfach“, sagt Shen, mein Stadtführer, „für eine Suppe brauchst du nur Brühe, Chili, Basilikum, Limetten, Koriander, Kokosnussmilch, Koriander, Zitronengras...“ – es folgen noch etwa elf weitere Zutaten. Ganz einfach.

Kann man so etwas als ahnungsloser Deutscher überhaupt halbwegs authentisch nachkochen? Auch ambitioniertere Hobbyköche müssen zugeben: Was wir unter „asiatischer Küche“ verstehen, bedeutet in erster Linie: Alle Zutaten kleinschnippeln, in den Wok werfen und die süßsaure Pampe aus dem Asienshop darüber gießen. Dazu, immerhin, zündet man Räucherstäbchen aus dem letzten Vietnam-Urlaub an.

„Eine Explosion des Geschmacks in Ihrem Mund!“

So geht das natürlich nicht, und deshalb besuche ich eine Kochschule, die zurecht zu den berühmtesten der Welt zählt: Im Mandarin Oriental demonstriert der thailändische Küchenchef des Hotels, Mr. Narain, einen Vormittag lang, was das wirkliche Wesen der asiatischen Küche ausmacht: „Eine Explosion des Geschmacks in Ihrem Mund!“

Schon der Schulweg ist so ungewöhnlich wie aufregend: Eine pittoreske Holzdschunke schaukelt die Kochschüler auf die andere Seite des Flusses Chao Phraya. Dort drüben liegen ein Restaurant, das Hotel-Spa und eben die Kochschule. Erst mal werden die Hände mit selbst gepflückten Limonen eingerieben, dann sitzen wir auf kleinen Stühlchen und beobachten, wie der Meister das Hühnerfleisch zuschneidet und mit dem Mörser getrocknete Shrimps zerstößt. Vorher hat er schon die Kräuter gehackt – „machen Sie das immer am Anfang, das aromatisiert das Arbeitsbrett!“

Kokosnussmilch und Mungobohnen: Ein Fest für die Sinne

Seine Devise heißt: „No rules“ – keine Regeln! Ein anspruchsvolles Motto. Er meint damit: Inspiration und Fantasie dürfen nicht durch das starre Klammern an Rezepte verloren gehen. Das Fleisch, erklärt er zum Beispiel, soll 15 Minuten im Sud köcheln – „aber schauen Sie bloß nicht auf die Uhr. Sie müssen fühlen, wann es fertig ist.“ Wenn ihm etwas besonders gut gelingt, bezeichnet es der patriotische Mr. Narian gerne mit dem Adjektiv „thai“. Wobei er sagt: „Oh, wonderful. It’s so thaaaaaai!“

In der benachbarten Küche schnitzt eine junge Frau Ornamente aus einer Melone. Kleine Kunstwerke entstehen dabei – mit der erfreulichen Eigenschaft, dass man sie aufessen kann. Wir Schüler rühren solange im Wok, versuchen, die Currypaste nicht anbrennen zu lassen, und füllen eine Masse aus Kokosnussmilch, Mungobohnen und Palmzucker in grüne Limonenblätter.

Bootsfahrt durch die Klongs - inklusive Steckerlfisch vom Longtail-Boot

Anschließend wird, logisch, alles als Mittagsmenü aufgetischt. Dabei relativiert sich der Satz von der „Geschmacks-Explosion“. Nichts ist scharf, nichts ist extrem. Aber die Kräuter, die Gewürze, auch die optische Präsentation, alles harmoniert perfekt, ohne aufdringlich zu sein. Für unseren von Verstärkern und chemischen Zusätzen abgehärteten Gaumen ist die asiatische Küche eine Herausforderung. Eine Schule des Geschmacks.

Derart gestählt bin ich bereit für alle weiteren kulinarischen Verführungen, die Bangkok zu bieten hat. Eine Bootsfahrt durch die klongs, die Kanäle der Nachbarstadt Thonburi zum Beispiel, wo am Samstagvormittag überall bunte schwimmende Märkte abgehalten werden - inklusive Steckerlfisch vom Longtail-Boot. Oder beim Dinner-Cruise auf dem Chao Phraya: Gemächlich ziehen der Wat Arun, der Königspalast und andere Sehenswürdigkeiten vorbei, während der Boots-Kellner Glasnudelsalat und gebratene Garnelen serviert.

Ich habe mir vorgenommen, das alles zu Hause auszuprobieren. Dann findet das Dinner nicht am Chao Phraya, sondern an der Isar statt. Und auch das Curry und die Nachspeise mit den Mungobohnen kriege ich irgendwie hin.

Nur das mit den getrockneten Fischmägen wird schwierig.

Arno Makowsky

Service Bangkok: Kochkurs für 90 Euro am Tag

Anreise: Thai Airways fliegt von München aus täglich nonstop nach Bangkok und zurück. Zwischen 13. April und 21. Juni 2010 zum Sonderpreis von 567 Euro.

Kochkurs: Der Kurs im Mandarin Oriental bietet täglich ein anderes Programm; er kostet pro Tag 4000 Baht, also etwa 90 Euro.

Hotel: Das berühmte Hotel bietet die Übernachtung im Doppelzimmer ab 268 Euro pro Nacht im Doppelzimmer an. Eine Dinner-Cruise auf dem Fluss Chao Phraya organisieren viele Hotels, sie kostet etwa 40 Euro.

Ausflug: Bootsfahrten zum den schwimmenden Märkten von Thonburi unternimmt man am besten mit einem privat gecharterten Boot zum Preis von ca. 30 Euro.

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