Ein Tal im Heldenfieber
St. Leonhard - Vor 200 Jahren kämpften die Tiroler gegen Bayern und Franzosen. Eine Entdeckungsreise auf den Spuren ihre legendären Anführers Andreas Hofer in das Passeiertal.
Für Luise Dorfer, 79, ist Andreas Hofer mehr als ein Held. Beim Frühstück am Sonntagmorgen geht die Senior-Chefin des Hotels Quellenhof von Tisch zu Tisch und rührt die Werbetrommel für den großen Einheimischen. "Griaß Euch Leut`. Heut' wär a mol a scheener Toag, um zum Sandwirt raus zu wandern und zum Museum vom Andreas Hofer."
Andreas Hofer? "Ist das der da?" fragt der Gast und deutet auf das überlebensgroße Porträt hinter sich am Frühstückstisch. „Nein, das isch doch der Luis Trenker, der Bergführer. Der Hofer, das war unser großer Anführer und hat gegen den Napoleon gekämpft“, klärt Mutter Dorfer auf, wie die rüstige Dame von den Angestellten gerufen wird.
Andreas Hofer ist für viele Südtiroler ein Held
Der Kampf gegen Napoleons Truppen, das war anno dazumal 1809. Zuerst siegten die Tiroler Bergbauern, später unterlagen sie mit großen Verlusten. Ihr Anführer Andreas Hofer versteckte sich, wurde verraten und später auf Befehl Napoleons erschossen. Seitdem ist er für viele Südtiroler ein Held. Heuer, 200 Jahre später, hat das schöne Passeiertal, das gerade jetzt im Frühling und im Frühsommer eine Reise wert ist, eine zusätzliche Attraktion: Die Gemeinden des Tals und ihre Bürger sind im Heldenfieber und feiern ihre legendären Andreas Hofer.
Dabei ist der frühere Gastwirt, Weinhändler und Schützenhauptmann nicht nur eine historische Gallionsfigur, die den Aufstand der Tiroler Bergbauern organisierte. Schon seit mehr als 100 Jahren taugt der Held – im Jubiläumsjahr mehr denn je – auch zu einer lukrativen Werbefigur, die sich vor so manchen Karren spannen lässt. Für den Gast lässt sich dabei bisweilen nur schwer erkennen, ob hinter der Hofer-Manie nun eher Heimatverbundenheit oder kalkuliertes Geschäftsinteresse steht. So hat sich ein ominöser Einheimischer, von dem weder Verkehrsverein noch Lizenznehmer wissen, wer es ist, die Rechte für den Andreas-Hofer-Namenszug auf Bekleidungsstücken schützen lassen. Im Jubiläumsjahr bittet er über Mittelsmänner, die zwischen Meran und Jaufenpass Vertriebslizenzen für die Klamotten verkaufen, zur Kasse.
Stuben und Zimmer im Stil von Hofers Heimathaus
Ein persönliches Bekenntnis zur Legendenfigur zeigt Hotelier Richard Fink. "Für mich ist der Hofer eine der größten Persönlichkeiten, die Südtirol je hervorgebracht hat", so der Hotelier. Sein eben erst eröffnetes Golf-Hotel "Andreus" in St. Leonhard wahrt das Gedenken an den Tiroler Widerstandskämpfer nicht nur im Namen sondern auch mit Stuben und Zimmern, die im Stil seines Heimathauses, dem „Sandwirt“ eingerichtet sind.
Sein Schwager Heinrich Dorfer, Inhaber des Sport- und Wellness Resorts Quellenhof im Passeiertal, will Hofer in Lichtbildervorträgen und Wanderungen zu historischen Plätzen gedenken. Für eine Fahrt im September nach Mantua, wo Hofer erschossen wurde, hat er bereits 30 Anmeldungen. "Das Thema Hofer hatte sich zuletzt abgeschwächt, aber jetzt profitieren wir und unsere Gäste natürlich vom Jubiläumsjahr", so Dorfer.
Hofer-Wein und Hofer-Kugeln
Auch ein kulinarisches Angebot darf nicht fehlen. Neben dem unvermeidlichen Hofer-Wein sind Andreas-Hofer-Brot, Andreas Hofer-Kugeln oder Andreas Hofer Kuchen, die das junge einheimische Konditorenehepaar Kobler aus St. Leonhard – Hofers Geburtsort - entworfen haben, allemal ein köstliches Mitbringsel. "Der Hofer war ein bodenständiger, starker Mann und als Freiheitskämpfer ist er immer noch ein Vorbild für Tiroler Tradition", so Gabi Kobler.
Gegenüber der Konditorei liegt die Galerie der Künstlerin Sieglinde Gufler. Dort stellt sie auch Werke ihres bekannten Kollegen Peter Hiegelsperger aus, der auch schon mehrfach den Pokal für den deutschen Sportler des Jahres und den Karl-Valentin-Orden gestaltet hat. Er hat einen eigenwilligen Hofer auf die Leinwand gepinselt. "Man kann einen alten Hofer nicht einfach nur in einen neuen Rahmen stecken. Deswegen habe ich seinen kämpferischen Ausdruck mit modernen bunten Farben gemalt, bei denen die Tradition erhalten bleibt: der Bart, der markante Blick, die Tracht, der Tiroler Adler. Hofer steht ja für das geeinte Tirol", so der Künstler. Noch wichtiger ist ihm allerdings, was der Hofer noch heute in den Köpfen der Einheimischen bewirkt.
Am "Sandwirt" kommt im Passeiertal niemand vorbei
Wer als Gast den Andreas Hofer auf eigene Faust entdecken will, tut gut daran, dem Rat von Mutter Dorfer zu folgen. Am "Sandwirt", seinem Geburts- und Wohnhaus, kommt im Passeiertal kaum jemand vorbei. Hier kann man noch in derselben Stube Wein, Speck und Schüttelbrot genießen, in der Hofer selber einst seine Gäste bewirtet hat. Gleich nebenan ist dem berühmtesten Sohn von St. Leonhard im Museum Passeier die neue Dauerausstellung "Helden + Hofer" gewidmet. Die sehr lebendig und vor allem lehrreich inszenierte Schau lässt den Blick der Besucher wechseln zwischen den Geschehnissen aus Tiroler Sicht und der Perspektive von außen. Das Beeindruckendste an der Ausstellung ist der Umgang mit dem Thema Heldentum. So wird nicht nur gezeigt, dass ein Held, wie der Hofer im Laufe der Zeit von Monarchisten, Faschisten und Kommunisten, aber auch von Traditionalisten und Studenten für die jeweiligen Werbezwecke genutzt wurde.
Eine "Heldenfabrik" im Comic-Stil zeigt auf, dass die Welt schon viele echte und vermeintliche Helden hervorgebracht hat - egal ob Micky Mouse und Winnetou, Mahatma Ghandi oder Mutter Theresa. Und eine Wand mit Zitaten zum Heldentum, hilft dabei, Helden richtig einzuordnen, wie etwa das Zitat der italienischen Journalistin Franca Magnani: "Je mehr Bürger mit Zivilcourage ein Land hat, desto weniger Helden wird es einmal brauchen."
Weitere Informationen
Andreas Hofer hautnah: Urlaubsgäste können Andreas Hofer intensiv erleben. Ein eigener Bus fährt die Stationen von Hofers Leben ab und unter dem Motto „Geschichte trifft Zukunft“ steht eine Vielzahl an Festen, Umzügen und Vorträgen rund um den Tiroler Freiheitskampf. So widmet sich die Volksbühne Schenna in der neuen Spielzeit dem Schicksal der Frauen in den Wirren der Befreiungskriege. „Die Thurnerin“ erzählt die Geschichte einer Bäuerin im Schenna der Jahre 1792 bis 1809. Aufführungen sind am 15. und 24. April. Beim Andreas-Hofer-Fest von 1. bis 3. Mai treffen zahllose Andreas-Hofer-Namensträger aus Südtirol, Deutschland, Österreich und der Schweiz. Weiterer Höhepunkt: Der Volkslauf am 25. Mai in St. Martin für Erwachsene und auch Kinder, der durch das frühlingsgrüne Passeiertal führt. www.museum.passeier.it Weitere Auskünfte: Tourismusverein Passeiertal, Passeirerstraße 40, I-39015 St. Leonhard in Passeier, Telefon 0039/0473/656188, Fax 656624, E-Mail: info@passeiertal.it, Internet: www.passeiertal.it
Heiner Sieger
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