Ein karibisches Kaffeekränzchen

Früher kämpften Rebellen für die Unabhängigkeit der Insel, heute wird hier Kaffee kultiviert.
Gabriela Beck aus Charles Town |
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Charles Town - „In Jamaika gab es die weltweit größte Sklavenrebellion“, sagt Colonel Frank Lumsden. „So gesehen waren unsere Vorfahren maßgeblich an der Geschichtsschreibung der Insel beteiligt.“ Der Chief der Gemeinde Charles Town erzählt im Maroon-Museum die Geschichte der Nachfahren entflohener Sklaven. Sie versteckten sich in den unweg­samen Blue Mountains und führten von dort aus einen Guerillakrieg gegen die britischen Kolonialherren. Seit dem 6. August 1962 ist Jamaika unabhängig. Heute sind die Blue Mountains Heimat einer ganz anderen Art von Rebellen: „Mein Vater stammt von einer kleinen Farm im Hochland Jamaikas. Sein Wunsch war es, nach seiner Musikkarriere wieder zu seinen Wurzeln zurückzukehren. Ich tue das jetzt für ihn“, erzählt Rohan, zweitältester Sohn der Reggae-Legende Bob Marley.

Bis auf die stämmigere Statur sieht er seinem Vater ziemlich ähnlich: Dreadlocks, fusseliger Bart, breites Lachen. Das Singen überlässt er allerdings lieber seinen Brüdern. Stattdessen baut er auf seiner 21-Hektar-Plantage in den Blue Mountains Kaffee an. Blaugrauer Nebel verhüllt oft innerhalb von Sekunden die Kaffeesträucher an den steilen Berghängen im östlichen Landesinneren Jamaikas, die zwischen von Flechten behangenen Bäumen, Farnen und Bananenstauden gedeihen. Das feuchte, vergleichsweise kühle Hochlandklima lässt die Kaffeekirschen langsam heranreifen. In ihrem Inneren verbergen sich besonders harte Bohnen mit dem speziellen Aroma des weltberühmten Blue Mountain Coffee. Die Anbauflächen sind streng limitiert, nur rund 1000 Tonnen Kaffee werden jährlich von Hand gepflückt. Das Kilo bringt auf dem Weltmarkt etwa 100 US-Dollar, ein Vielfaches anderer Sorten. Rohan und seine Mitarbeiter sind mit Marley Coffee, der neuerdings auch nach Österreich exportiert wird, international erfolgreich. „Wir sind Vorreiter im biologischen Anbau.

In den Hügeln entlang der Küste verteilen sich charmante Unterkünfte aller Preiskategorien

Bananenstauden und Unkraut verhindern, dass der fruchtbare Boden bei Regen fortgespült wird. Außerdem düngen wir mit Fledermaus-Guano.“ Als Rastafari-Anhänger ist Rohan der biologische Anbau auch persönlich ein Anliegen: „Nach unserem Glauben sollen Lebensmittel erdverbunden, pur und möglichst unbehandelt sein.“ Auf Nachhaltigkeit und lokale Produkte setzen auch Shireen Aga und Barbara Walker, die seit 1993 - und damit lange vor allen anderen - ein kleines Öko-Hotel führen: Das Mocking Bird Hill. „Ein umweltfreundlicher Ansatz hat vom ersten Tag an zu unserem Geschäftskonzept gehört. Deshalb haben wir uns ja auch in Portland nahe Port Antonio niedergelassen. Der Ort ist nicht durch Massentourismus verdorben, es breiten sich hier keine Bettenburgen aus wie in Ocho Rios oder Negril. Die Natur ist noch intakt.“ Tatsächlich gilt der Bezirk Portland im Nordosten Jamaikas mit seinen zahlreichen intimen Buchten und den Blue Mountains im Rücken als Geheimtipp unter Individualtouristen. Hier gibt es die höchsten Berge, die tiefsten Regenwälder, die verstecktesten Wasserfälle. In den Hügeln entlang der Küste verteilen sich charmante Unterkünfte aller Preiskategorien, eingebettet in wucherndes Tropengrün. Nur das Pfeifen der Baumfrösche übertönt das nächtliche Konzert der Zikaden und Grillen.

Die ersten Touristen gingen bereits Ende des 19. Jahrhunderts im Hafen von Port Antonio an Land. Sie erreichten die Insel auf den Schiffen von Kapitän L. D. Baker, der 1871 mit dem Export von Bananen nach Amerika begonnen hatte und seine Frachter nicht leer zurückfahren lassen wollte. Also baute er die Kajüten zu Passagierkabinen aus. Schnell wurde Port Antonio zur Welthauptstadt des Bananenanbaus und Kapitän Baker so reich, dass man ihm nachsagte, seine Zigarren mit 5-Dollar-Scheinen anzuzünden. Auch heute noch werden die gelben Früchte von Port Antonio aus verschifft, doch kein Tallyman zählt mehr im Hafen die Bananenbündel wie in Harry Belafontes weltberühmtem Song. Nicht Bananen, sondern der Tourismus ist inzwischen der Hauptindustriezweig des Landes. Allerdings wurde wegen der Nähe zum Flughafen in Montego Bay hauptsächlich die Nordwestküste entwickelt. Ob die Gewichtung als All-inclusive-Reiseziel und Kreuzfahrtdestination dabei richtig gesetzt wurde, sei dahingestellt. In den ersten Monaten 2012 stiegen die Besucherzahlen jedenfalls um 20 Prozent, da im neuen Terminal von Falmouth nun auch die größten Kreuzfahrtschiffe anlegen können. „Ich glaube nicht, dass reines Profitdenken im Tourismus auf Dauer funktioniert“, sagt Shireen. „Wenn ein Reiseland seine speziellen Gegebenheiten, Natur und Leute betreffend, nicht kultiviert, wird es austauschbar.“ Sie schlägt ihren Gästen im Mocking Bird Hill deshalb Ausflüge vor, bei denen sie die Umgebung auf umweltfreundliche Art kennenlernen und mit den Einheimischen in Kontakt kommen können - etwa einen Besuch bei den Paper-Ladies in Fairy Hill, die Altpapier recyceln und aus den neuen handgeschöpften Bögen hübsche Karten und Briefpapier fertigen. Oder eine Floßfahrt auf dem Rio Grande.

„Everyt’ing airi? Alles in Ordnung?“, ruft Mark und grinst seinen Passagieren über die Schulter zu. Geschickt balanciert er auf den mit Draht verbundenen Bambusstämmen seines zehn Meter langen Floßes, während er es mit einem Stab auf Kurs hält. Ruhig geht es auf dem Fluss dahin, üppig grüne Vegetation zieht gleichmäßig vorüber, unterbrochen von einzelnen Badebuchten. Irgendwann steuert Mark die erste Stromschnelle an. Wasser plätschert ihm über die Füße, Bambus knarzt, das Floß verbiegt sich. Die Passagiere schrecken aus ihrem Dösen auf und klammern sich an die hölzerne Sitzbank. „Keine Angst“, beruhigt Mark, „ich mache das seit 20 Jahren.“ Die Flöße sind flexibel, aber stabil, denn sie wurden ursprünglich für den Transport von Bananen gebaut. Kaum glättet sich das Wasser wieder, entspannen sich auch die Passagiere und freuen sich auf den nächsten Badestopp.. Everyt’ing airi!


Anreise
Mi. und So. mit Condor nonstop Frankfurt-Montego Bay, ab 1129 Euro, www.condor.com ; alternativ: US Airways München-Philadelphia-Montego Bay ab 1433 Euro, www.usairways.de

Unterkunft
Geejam Hotel, Port Antonio, www.geejamhotel.com , Design-Villas mit Privatstrand und Restaurant, Villa für 2 Personen ab 426 Euro/Nacht;
Hotel Mocking Bird Hill, Port Antonio, www.hotelmockingbirdhill.com , Öko-Boutique-Hotel mit Gourmet-Restaurant, Übernachtung im DZ ab 178 Euro, Frühstück 21 Euro.

Polish Princess Guest House, Pompie Lane, Fairy Hill, www.polishprincessguesthouse.com , Zimmer mit Familienanschluss, Übernachtung im DZ inkl. Frühstück 69 Euro.

Was Sie tun und lassen sollten
Unbedingt Jerk Meat, mariniertes Huhn oder Schweinefleisch auf Pimentholz gegrillt probieren, am besten in Boston Bay;

Finger weg von Drogen. Auch Ganja (Marihuana) ist auf Jamaika illegal!

Einreise
Europäer benötigen kein Visum, aber einen mind. 6 Monate gültigen Reisepass plus Rückflugticket. Klima Ganzjährig 28-32 °C, hohe Luftfeuchtigkeit. Der Passatwind sorgt für angenehmes Hochsommerwetter. Beste Reisezeit ist von ­Dezember bis April (Trockenzeit).

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