Die Asche mit der Asche
Die Asche des Vulkans Eyjafjallajökull hat im vergangenen Jahr ganz Europa in Aufruhr versetzt. Nur in Island, wo sie herkam, blieben die Menschen erstaunlich ruhig. Mittlerweile hat der schwarze Schleier der Insel eine kleine Urlauber-Konjunktur beschert: Immer mehr Touristen reizt die Zauberwelt der Vulkane
Mit Schubkarren hat Olafur Eggertsson die Asche aus seinem Garten geschippt. Tagelang. Von den Kartoffelpflanzen, dem Raps, der Gerste, von den Gemüsebeeten seiner Frau Gutny. „Es war Zeit, dass der Eyjafjallajökull ausbrach. Wir haben darauf gewartet“, sagt der Isländische Landwirt ein Jahr später.
Andere wären weggezogen, hätten die weißen Holzwände des Guts nicht über Wochen sauber geschrubbt. Andere hätten ihre Kinder in Sicherheit gebracht, das Vieh, sich selbst. Nicht so Eggertsson. Er hat seinen Geräteschuppen entrümpelt, um den Vulkan Eyjafjallajökull reif für das Museum zu machen.
Zwei Stunden von Islands Hauptstadt Reykjavik entfernt, liegt der Gutshof des 58-Jährigen entfernt. Ein großer Schotterparkplatz an der Hauptstraße lässt den Schuppen noch winziger wirken. Wäre nicht das Bild einer großen Aschewolke auf eine Wand gedruckt, man würde vorbeifahren. Dennoch haben 5000 Leute aus aller Welt, besonders aber aus Deutschland, Norwegen und den USA, das erste Vulkan-Museum Islands in den ersten zwei Monaten besucht. Es gibt einen 20-minütigen Film über den Ausbruch, ein paar Großaufnahmen des Vulkans und ein Schaubild, wie er arbeitet. Im Schatten des nur sechs Kilometer entfernten Eyjafjallajökull macht die Familie Eggertsson jetzt Asche mit der Asche.
Ein Gläschen Asche als Souvenir kostet im Shop sechs Euro
50 Tonnen des schwarzen Pulvers spuckte der Vulkan am 14. April 2010 pro Stunde aus, legte über Tage den europäischen Flugverkehr lahm. „Am Anfang kamen japanische Touristengruppen und schaufelten die Asche in Plastiktüten als Souvenir“, sagt Bauern-Tochter Sigrifur. Daraus entwickelte sie eine Geschäftsidee: Das Glas Asche gibt es für sechs Euro im Museumsshop. Dazu Asche-Seife, Asche-Öl und Asche-Cremes. Ein anderer Souvenirshop in der Hauptstadt Reykjavik verkauft sogar ein Damenparfüm mit dem Namen „Eyjafjallajökull“ für 60 Euro. Es duftet undefinierbar billig, aber bestimmt nicht nach Rauch.
So recht glauben mag man nicht, dass die Touristen sich wieder daheim freudig damit einreiben. Doch Landwirt Eggertsson zeigt nur auf seine Grasebene, die sich bis an den Horizont erstreckt. „Wir hatten eine gute Ernte. Die Asche ist voller Nährstoffe. Im Nachhinein hat uns der Vulkanausbruch geholfen.“
Der Asche ist derzeit der Stoff, aus dem in Island Träume gemacht werden. Wie die Eggertssons profitiert ganz Island von den unheimlichen Wolkenbildern, die wie aus einem Roland Emmerich Katastrophenfilm wirken. Viele machen jetzt Halt auf der 300000-Einwohner-Insel, wenn sie über den Atlantik fliegen. Von München sind es dreieinhalb Stunden, von New York viereinhalb.
Noch nie kamen so viele Deutsche nach Island wie in diesem Jahr
Rund 10500 waren es bis Mai 2011, und der Sommer steht noch aus – und damit auch Vulkanausbrüche. Erst im Mai brach Grímsvötn aus, spuckte wesentlich mehr Asche als Eyjafjallajökull und tangierte doch kaum den Flugverkehr. Die Angst der Touristen vor plötzliche Eruptionen scheint gebannt. Im Gegenteil: Der Ausbruch reizt sie.
„Die Leute interessieren sich jetzt anders für uns“, sagt auch Àsgeir Stefànsson, der als Bergführer die Besucher über die Gletscherzunge des Solheimajökull führt. Nur merken viele Neulinge in den ersten Minuten nicht, dass sie ihre Spikes in eine 50 Meter dicke Eisschicht haken. „Die Asche hat das Eis grau gefärbt. Der Berg ist hässlich geworden“, sagt Stefànsson. Er findet es komisch, dass ausgerechnet dadurch der Berg attraktiver geworden ist.
Noch profitieren Eggertsson und Stefànsson von ihren Vulkanen. Sie warten aber auch, dass Hekla ausbricht. Seit einigen Tagen registrieren Forscher ungewöhnliche Bewegungen wie ein leichtes Rumpeln. Magma sei bereits aufgestiegen und drücke den Boden des Vulkans nach oben.
Der Ausbruch, da sind die Isländer sich sicher, könnte verheerend sein. Landwirt Eggertsson zuckt die Schultern. „Ich habe keine Angst. Die Natur hatte auf Island immer das letzte Wort.“- Themen: