Der Garten Eden liegt in England
St. Austell - Nur noch ein paar Meter und schon steht man im Regenwald. Dieser Regenwald hat nichts mit Regen zu tun. Rein gar nichts. Aber mit Wald. Mit vielen Bäumen. Aber Wasser, nein, das kommt hier nie von oben. Denn das Eden Project ist der wohl regensicherste Platz in ganz England. Obwohl es sich wie draußen anfühlt, hat man hier ein Dach über dem Kopf. Und was für eines. Die Bäume sind große Vertreter ihrer Art, so dass man oben gar nicht mehr sehen kann, ob da noch ein Gewächshausdach darüber ist. Es gibt Mangroven und Palmen, ein Bach rauscht vorbei an Ingwerbüschen und Currypflanzen. Dieses grüne Kleinod liegt in Cornwall. Ein paar Kilometer von dem Städtchen St. Austell entfernt in einer ehemaligen Tongrube wurde das größte Gewächshaus der Welt errichtet: das Eden Project.
Und es passt perfekt hierher. In die schöne, aber arme Grafschaft. Cornwall im äußersten Südwesten Englands ist der Garten Eden von Großbritannien: Hier wachsen Palmen, gibt es Steilküsten, wunderschöne Strände mit türkisfarbenem Wasser. Nicht nur für Garten-Aficionados ist Cornwall ein Sehnsuchtsort, wo Magnolien, Rhododendren und Rosen vor hübschen viktorianischen Anwesen wachsen. Das Eden Project wurde vor über zehn Jahren in einer ehemaligen Kaolingrube aufgebaut. Im Jahr 2001 hat es nach einer langen Planungsphase eröffnet, präsentiert eine Welt voll von 100 000 Pflanzen von über 5000 verschiedenen Arten. Und: Das Eden Project hat inzwischen in der Region 530 Vollzeitstellen geschaffen. Die Geschichte des Eden Project basiert auf der Idee des englischen Archäologen und Gartenliebhabers Tim Smit. Ein verrückter Visionär, der früher Platten produzierte (Barry Manilow!) und schon die Lost Gardens of Heligan wieder zum Leben erweckte.
Das Eden Project als ökologischer Touristenmagnet
Inzwischen kommen über eine Million Besucher jährlich ins Eden Project. Es sind nur wenige Meter vom riesengroßen Parkplatz in den Regenwald. Hat man das Tal in der Nähe von St. Austell erreicht, sieht man die vom Architekten Nicholas Grimshaw entworfenen riesigen Glaskuppeln, die irgendwie unerwartet in die Landschaft gepflanzt wurden. Mitten hinein in eine Grube, in der 35 Fußballfelder Platz haben. Man geht - noch unter dem freien Himmel Cornwalls - durch die Gartenwelt Mitteleuropas, um dann drinnen die Tropen und auch die mediterrane, kalifornische und australische Pflanzenwelt zu entdecken. Die Biome, die aussehen wie Bienenwaben aus einer anderen Welt, ragen bis zu 50 Meter in die Höhe. Es wundert nicht, dass sich einmal Pierce Brosnan als James Bond in „Stirb an einem anderen Tag“ von einer Kuppel - in einer zugegeben sehr kurzen Szene - hier hinabschwang. Das Material, aus dem die Kuppeln sind, ist leichter als Glas, durchsichtig, wird aber nicht von Stützen getragen. Es ist sehr, sehr warm im Regenwald-Biom, diesem weltweit größten Wintergarten mit dem weltweit größten Indoor-Regenwald. Subtropisch nennt man das wohl, wenn die Haut mit einer dünnen Schicht von Nässe überzogen ist, wenn auf der Stirn murmelgroße Tropfen zum Stillstand kommen, wenn das Atmen schwerer fällt. „Nein, nach Westafrika gehe ich nie bei den Temperaturen“, sagt eine Besucherin.
Zum Glück steht hier irgendwo mittendrin unter dem Glasdach ein Kühlhaus für Menschen. Der „cool room“ ist der Treffpunkt für die überhitzten Gemüter. Wenn das in England überhaupt geht, die Fasson zu verlieren. Überall spazieren englische Familien umher. Nein, sie schreiten, staunen und sagen immer wieder, wie „beautiful“ das alles sei. Und ja: Recht haben sie. Sehr schön ist das alles. Das Eden Project aber ist nicht nur schön anzuschauen, es ist ein ökologischer Touristenmagnet. Im Café werden Salate und Quiches angeboten, die aussehen, als seien sie von Jamie Oliver zubereitet. So frisch und knackig ist das. Alles werde hier vor Ort angebaut, heißt es. Ein Besuch im Eden Project ist nicht nur ökologisch korrekt, sondern lehrreich noch dazu. Man sieht Kolabäume, Mangos, Bananen, Cashews sowie Kakao und trinkt einen Baobab-Smoothie - aus einer klebrigen afrikanischen Frucht - an der Bar. Nicht nur Kinder bekommen erklärt, wo all die Gewürze, Autoreifen und Radiergummis eigentlich herkommen. Die Touristen kommen en masse. Aus dem Ausland, aber auch aus Großbritannien selbst. Hauptattraktion ist natürlich das Regenwald-Biom. Aber wegen der Luftfeuchtigkeit und Temperatur auch sehr anstrengend. Im Mittelmeerraum wird schnell klar, warum das hier gemäßigte Klimazone heißt: Es duftet nach Zitronen, es gibt Olivenhaine, viele Steine und Kakteen. Und man denkt: „Lass uns hier bleiben. Egal ob das nun Kalifornien oder Griechenland sein soll.“
Anreise
Das Eden Project liegt in der Nähe von St. Austell; www.edenproject.com . Der Eintritt kostet circa 30 Euro pro Person. Cornwall ist nicht direkt zu erreichen, sondern nur via London oder Bristol. Bristol ist zwar näher, doch ab Stuttgart gibt es keine Direktflüge. Viele Fluglinien wie British Airways ( www.britishairways.com ) und Lufthansa ( www.lufthansa.com ) fliegen schon ab etwa 100 Euro nach London. Ab Heathrow geht es mit dem Mietwagen in den Südwesten Englands oder mit der Bahn ab der Paddington Station.
Übernachten
Die Engländer lieben ihre alten Herrenhäuser. Ein schönes Exemplar ist das Trereife House (DZ ab 90 Euro, www.trereifepark.co.uk ) ganz unten in Penzance, das in einer Fernsehsendung gerettet wurde und nun seit zwei Jahren auch als Bed & Breakfast fungiert. Die Räume sind so, wie man sie aus Rosamunde-Pilcher-Filmen kennt, das Frühstück deftig, zwei Pferde stehen vor dem Fenster auf der Koppel.
Nördlich von St. Austell bei der Burg von King Arthur nahe Tintagel liegt das Dörfchen Boscastle (schon eine Attraktion für sich). Im Boscastle House (DZ ab 95 Euro, www.boscastlehouse.com ) ist jedes Zimmer anders gestaltet - mit sehr viel Stil. Das Frühstück ist unglaublich gut, der Service toll.
Was Sie tun und lassen sollten
Auf jeden Fall bei jedem England-Urlaub Mitglied im National Trust werden. So sind viele Herrenhäuser frei zugänglich, in den Cafés gibt es besten Cream Tea, und die ehrenamtlichen Helfer, die vor Ort arbeiten, haben nicht nur viele Informationen, sondern auch viel britischen Humor.
Auf keinen Fall ein zu großes Auto als Mietwagen nehmen. Die Straßen können eng sein. Literatur Eine schöne Vorbereitung ist das Buch „Eine perfekte Woche in Cornwall“ (Süddeutsche Zeitung Edition; 14,90 Euro). Die besten Insider-Tipps gibt es im Lonely Planet „Cornwall, Devon & Südwestengland“ (17,95 Euro).
Weitere Informationen unter www.visitbritain.de