Das perfekte Stück Toskana

Europas größter Reisekonzern Tui baut in der Toskana ein verlassenes Bergdorf zum Luxus-Resort um, doch die Pläne stocken.
Viola Keeve |
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Das Toskana-Abenteuer: In Montaione baut ein deutscher Reisekonzern ein ganzes Dorf zum Luxus-Resort um.
Tui Das Toskana-Abenteuer: In Montaione baut ein deutscher Reisekonzern ein ganzes Dorf zum Luxus-Resort um.

Eigentlich war er immer Biertrinker. Bis Ende zwanzig hat der britische Sänger Sting keinen Tropfen Wein angerührt. Und nun? Stellt der Weltstar (61) auf seinem Gut Il Palagio in Figline Valdarno, 45 Minuten von Florenz entfernt, raffinierten Chianti her. In seine toskanische Villa zieht sich Sting jeden Sommer mit der Familie zurück. Nun geben sie ihre Privatsphäre auf, öffnen ihr Herrenhaus aus dem 16. Jahrhundert für Gäste, genauer gesagt, für sehr gut zahlende Gäste: für 4000 bis 7000 Euro pro Woche können sie in seinem Pool schwimmen, im Weinkeller speisen. Prominente Landsleute, Schauspieler Anthony Hopkins oder Designer Paul Smith, zieht es im Urlaub immer wieder in die Toskana — Smith nach Lucca, Hopkins nach Cortona.

Die Region wird schon spöttisch „Chiantishire“ genannt. „Für die Engländer ist die Toskana das Leben auf dem Land, das sie gern hätten — ohne schlechtes Wetter“, sagt Giancarlo Ercolin (53), der neue Direktor des Tui-Resorts Castelfalfi. Bis 2018 will Europas größter Reisekonzern in den Bergen von Montaione ein verlassenes Dorf aus dem 13. Jahrhundert zum Luxus-Resort umbauen — doch ob die größte und ehrgeizigste Idee der Firmengeschichte umgesetzt wird, ist offen. Weil der Konzern sparen muss, kommt derzeit alles auf den Prüfstand.

160 Millionen Euro hat Tui seit 2007 in das Dorf gesteckt

Dazu gehört auch, laut „Spiegel“, der Abschied von seiner „schönsten Altlast“, dem „Toskana-Abenteuer“, das der Reise-Riese loswerden wolle, sollte das mittelalterliche Musterdorf weiter Millionen verschlingen. 160 Millionen Euro hat Tui seit 2007 in das malerische Dorf gesteckt, fast die Hälfte ist abgeschrieben. Ein Flop also? So sieht man das in Hannover nicht. Aber: „Richtig ist, dass das ganze Hotel-Portfolio derzeit auf dem Prüfstand steht“, sagt eine Tui-Sprecherin. „In Castelfalfi haben wir uns neu aufgestellt und planen den Ausbau schrittweise, nach Marktnachfrage.“ Ende 2013 soll das Borgo, der Dorfkern, fertig werden, das Castello mit Gourmet-Restaurant und Bar im nächsten Frühjahr. Wer einmal hier auf der Terrasse steht und über das Gelände blickt, kann gut verstehen, warum das Projekt lange als Juwel der Holding galt. Dazu gehört einer der schönsten Golfplätze Italiens, seit März auch ein Drei-Sterne- Hotel, La Tabaccaia, früher eine Fabrik, in der Zigarren getrocknet wurden, mit 31 eleganten Zimmern, oft mit Holzbalkendecke, WLAN und Marmorbad.

Im Borgo haben schon erste Feinkostläden und Boutiquen eröffnet. Deutsche Makler zeigen Kunden Apartments ab 230 000 Euro aufwärts. Besser als die Casali gehen sie, alte, marode Gehöfte (1,5 bis 2,3 Millionen Euro), die zu Luxusvillen mit Pool nach Wunsch ausgebaut werden und vor allem Geld in die Kasse spülen sollten, das der Tui nun fehlt. Bisher griffen zu wenige Vermögende zu — anders als bei den Wohnungen im Dorf. 80 Prozent sind verkauft, an Briten, Amerikaner, Belgier. „Mehr als die Hälfte der Besitzer sind Italiener“, sagt Direktor Ercolin.

„Abgeschieden, aber erreichbar liegt das Resort“

„Das ist gut so.“ Eine deutsche Enklave soll das Resort nicht werden. Lange war Castelfalfi ein verschlafenes Nest, nicht mehr als ein Haufen schöner Steine. Die Region kann die Investition des deutschen Touristikkonzerns gut gebrauchen. Paola Rossetti, die linke Bürgermeisterin von Montaione und Castelfalfi, wertete das ehrgeizigste Projekt der Tui in Italien vor zwei Jahren als „gute Möglichkeit, unser Gebiet wirtschaftlich auf Basis eines ländlichen Tourismus zu entwickeln“. Sollte sich die Tui aus dem Projekt zurückziehen, ohne einen neuen, lukrativen Käufer zu finden, dürfte ihre Begeisterung schwinden.

Dabei hat das Landgut, um das sich sogar Silvio Berlusconi als Käufer — vergeblich — bemüht hatte, Potenzial: „Abgeschieden, aber erreichbar liegt das Resort“, erklärt Direktor Ercolin. Günstig, keine Frage: bis Florenz sind es 63 Kilometer, bis Pisa 55, bis Siena 62. Doch eigentlich müsste man aus Castelfalfi gar nicht weg. Abends nämlich färben sich die Hügel rund um das Borgo bei schönem Wetter dunkelrot. Zikaden zirpen. Es duftet nach Thymian, Salbei und Lavendel — eigentlich das perfekte Stück Toskana. Wäre da nicht ein anderes, kleineres, lebendiges, das so mancher Florentiner nur guten Freunden zeigt: Lamole bei Greve in Chianti.

Wer einmal da war, kommt wieder, muss all die Kurven hinauf, bis einem übel wird, nur um einen kräftigen Roten auf der Terrasse unter von Wein bewachsener Pergola zu trinken: ein Glas Lamole di Lamole für 3,50 Euro — mit einer Ecke Pecorino mit Trüffelhonig, Blick auf die Kirche und die Weinberge. 150 Menschen leben hier, „mit allen Katzen und Hunden“, sagen Fillipo Masini und Paolo Mantovanelli, denen das Ristoro di Lamolé gehört. Für manche bleibt es das perfekt versteckte Stück Toskana.


 

Unterkunft
Hotel La Tabaccaia, drei Sterne, DZ ab 107 Euro, Localita Castelfalfi, 50050 Montaione,

www.castelfalfi.de

. Der britische Sänger Sting und seine Frau bieten in ihrem Gutshaus in der Nähe von Figline Valdarno Yogakurse an, verkaufen Produkte und vermieten Ferienhäuser (4000 bis 7000 Euro pro Woche). Die Produkte sind auch online erhältlich:

www. palagioproducts.com

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