Das beste ist die Pobacke

Parma - Parma für Genießer: In den gewaltigen Schinkenkathedralen von Langhirano hängt der Himmel wirklich voller Keulen. Hier nimmt die Spezialität der Region das Aroma von Macchia und Meer an.
Carlo Lanfranchi sperrt die Tür zum Schinkenhimmel weit auf. Da hängen sie über ihm, neben ihm, hinter ihm: Tausende von appetitlichen Schweinekeulen. Aber im gewaltigen Reifungsraum duftet es gar nicht nach Schwein, sondern eher nach Honig, Mandeln und frischen Nüssen.
Durch die weit geöffneten Fenster streicht ein warmer Wind. Lanfranchi schnuppert zufrieden - so muss es sein. Er muss es wissen; denn der Reifemeister des Prosciuttificio La Perla ist Herrscher über eine der 170 Schinkenkathedralen in Langhirano, der Hauptstadt des weltberühmten Parmaschinkens.
Der echte Parma-Schinken kommt gar nicht aus Parma
Die Stadt Parma kann ja nichts dafür, dass jedem gleich das Wasser im Mund zusammenläuft, wenn er an sie denkt. Parmaschinken kennt eben jeder, aber kaum einer weiß, dass er gar nicht aus Parma selber kommt. Sondern eben aus Langhirano, einem Dorf 20 Kilometer weiter südlich. Dort, wo sanft die grünen Hügel des Apennins Richtung Toskana ansteigen und sich das Flüsschen Parma seinen Weg in die Poebene bahnt.
Dass der echte Prosciutto di Parma nur hier seinen typischen milden Geschmack ausformt, liegt am besonderen Wind des Parmatals. Der weht von der Versilia her über die Apenninkämme. Warm streicht er zunächst durch Pinien- und dann über Kastanienwälder, bis er genau die richtige Temperatur und Feuchtigkeit hat und dazu dieses Aroma von Macchia und Meer, das aus fetten Schweinekeulen eine Köstlichkeit macht, wenn er durch die offenen Fenster von Langhiranos Lagerhäusern zieht.
Um möglichst viel von der guten Luft abzubekommen, stehen die Reifungshäuser wie lange Riegel quer zur Talrichtung. Zusammen mit ihren schmalhohen Fenstern gibt das dem Ort ein kurioses gestreiftes Aussehen. Drin im winzigen Zentrum wird Italiens Schinkenhauptstadt fast idyllisch: In der Eisdiele Fantasy schlecken die Teenager ihren Cono con Stracciatella, gegenüber in der Caffe Bar Centrale sitzen die Honoratioren bei einem Glas Wein, und in zwei oder drei Geschäften rundum kann man sogar Schinken kaufen.
Jeder will sehen, wie de berühmte Schinken gemacht wird
Die meisten Besucher bleiben freilich nicht lang. Jeder will schließlich sehen, wie er gemacht wird, der berühmte Schinken. Carlo Lanfranchi erklärt es gern: 400 Tage, mehr als ein Jahr lang, müssen die Schweinekeulen lufttrocknen, bevor ihnen der Prüfer vom Konsortium die begehrte Herzogkrone mit den fünf Punkten in die Schwarte brennt. Erst das macht die Keule zum echten "Prosciutto di Parma DOP".
Bis dahin ist es freilich ein weiter Weg, der auch in modernen Schinkenfabriken noch viel Handarbeit erfordert: Salzen, reiben, salzen reiben - so sieht monatelang die Schinkenwelt aus. Und immer wieder prüft Lanfranchi mit einem spitzen Pferdeknochen, ob sich die typische Konsistenz und der süße Duft eingestellt haben, den Kenner so lieben.
Mit der Flüssigsalzspritze, wie sie bei Industrieschinken üblich ist, funktioniert das freilich nicht. Der Maestro schüttelt schon bei der Erwähnung entsetzt das lichte Haupt. Nur grobes Meersalz kommt ihm an die Keulen, das er hingebungsvoll einreibt.
Wissenswertes über Parmaschinken im Museum
Das alles kann sich der Besucher bei La Perla oder einer der anderen Schinkenmanufakturen zeigen lassen, wenn er sich rechtzeitig angemeldet hat. Einfacher geht's im Museo del Prosciutto di Parma. Das schicke, moderne Schinkenmuseum wurde vor ein paar Jahren im Gebäude des historischen Viehmarkts eingerichtet. Dort erfährt man bei der Führung von einer jungen Hostess im eleganten Kostüm alles, worüber man sich nie Gedanken gemacht hat: Welche Schweine werden verwendet? (Nun ja, eigentlich ganz normale.) Womit werden sie gefüttert? (Mit Parmesankäsemolke). Und welche Rolle spielt der Pferdeknochen? (Ohne ihn wäre der Schinkenmeister keiner, aber das wissen wir ja bereits von Carlo Lanfranchi.)
Nach der Besichtigung geht es endlich zur Verkostung. Schon das Aufschneiden ist eine Augenweide, dafür sorgen die prächtigen roten Schneidemaschinen, die zum Prosciutto di Parma gehören wie die roten Ferraris zur Nachbarstadt Modena: Ihr automatischer Vortrieb ermöglicht diese hauchdünnen Scheiben, durch die man hindurchschauen kann, wenn man sie gegen das Licht hält.
Das beste Stück heißt "Culaccia" - Pobacke
So eine rote Supermaschine steht natürlich auch fünf Kilometer entfernt von Langhirano im kleinen Spezialitätenladen der Bilderbuchburg Torrechiara. Dies war im Mittelalter das Liebesnest des Parmaherzogs Pier Maria Rossi und seiner holden Bianca Pellegrini. Vor ein paar Jahren hat Antonio Quintavalle die Schlosstaverne übernommen und später dazu eine kleine Locanda ergänzt. Glücklich, wer dort ein Zimmer ergattert - dann schmeckt abends der trockene Malvasia Colli di Parma von den Burghängen doppelt so gut. Und nachdem man von Antonio gelernt hat, dass in Parma das beste Stück vom Schinken "Culaccia" (Pobacke) heißt, kann man ein Stockwerk höher sanft in den siebten Schinkenhimmel hinein träumen.
Hans-Werner Rodrian
Service Parmaschinken: Anfang September ist Schinkenfestival
Besichtigung von Schinkenhäusern, Zimmervermittlung: Ufficio IAT di Torrechiara und Comunita Montana Appennino Parma Est, Borgo del Castello, 10, Telefon 0039/0521/355009, www.comune.langhirano.pr.it und www.appenninoparmaest.it.
Informationen über die Provinz Parma: IAT Parma, Via Melloni 1a, I-43100 Parma, Telefon 0039/0521/218889 und 218855, www.turismo.parma.it.
Informationen über die Region: APT Servizi Emilia-Romagna, P.le Federico Fellini, 3, I-47900 Rimini, Telefon 0039/0541/430-121, www.visitemiliaromagna.de
Unterkunft: Locanda del Castello Torrechiara, Telefon 0039/0521/355015, www.tavernadelcastello.it
Museo del Prosciutto di Parma, Via Bocchialini 7, Telefon 0039/0521/864324, www.museidelcibo.it
Parmaschinkenstraße: www.stradadelprosciutto.it
Parmaschinken-Festival (4.bis 6. September Eröffnung in Langhirano - und dann an allen Septemberwochenenden in der Provinz Parma): www.festivaldelprosciuttodiparma.com