Correze: Ach du dicke Nuss

In der Corrèze in Frankreich kann man entlang der Nuss-Straße schmackhafte Entdeckungen machen.
von  Uli Traub aus Carennac

Carennac - Im Oktober, wenn die grüne Haut der Früchte aufplatzt, herrscht Hektik in den landwirtschaftlichen Betrieben. Jetzt muss alles ganz schnell gehen. Mit speziellen Baumschüttelmaschinen rückt man dem Stamm zu Leibe. Dann werden die knolligen Früchte hastig mit Auflesegeräten oder mit Netzen, die unter die ausladenden Zweige gespannt wurden, eingesammelt. Warum diese Eile? Hier geht es nicht um die Wurst, sondern um die Walnuss. Und die verlangt eine besondere Behandlung, zumal in diesem Landstrich. Im südlichen Limousin, im Südwesten Frankreichs, hat der Walnussanbau seit Jahrhunderten Tradition. Von den in dieser Gegend, der Corrèze, lebenden Zisterziensermönchen des Mittelalters weiß man, dass sie bereits Nussöl produzierten. Heute ist der Handel mit Walnüssen und Nussprodukten ein einträgliches Geschäft, das noch viele Bauern, aber auch in anderen Berufen Tätige im Nebenerwerb betreiben. Frankreich ist europaweit der größte Produzent von Walnüssen.

Rund 50 Prozent kommen aus diesem Landstrich. „Der Kern der geernteten Nüsse kann auf dem kalkhaltigen Boden schnell austrocknen“, erklärt Philippe Leymat. Deshalb müsste die Ernte auch schnell zum Waschen und zum Trocknen gebracht werden. Nach maximal drei Tagen warte dann die arbeitsintensivste Phase, das Knacken der Früchte. Geschickt schlägt er mit einem kleinen Holzhammer die Nuss in zwei Teile und löst den Kern. „Er ist schmackhaft“, sagt der Landwirt, „das zeigt seine weiße Färbung.“ Da Walnüsse aber schier unbezahlbar wären, würden sie in Frankreich von Hand geknackt, verschickt man einen großen Teil der Ernte in Billiglohnländer. Die Globalisierung macht um die Walnüsse keinen Bogen. Auch Monsieur Raynal hat sich diesen Früchten verschrieben. Für den Gemeindeangestellten ist sein Wäldchen oberhalb von Curemonte, das gleich drei Burgen und Schlösser hinter seinen mittelalterlichen Mauern versteckt, Hobby und Nebenerwerb zugleich.

Die Zahl der Walnussbäume steigt jährlich

Während des Spaziergangs zu seiner kleinen Plantage, der über den schmalen Grat führt, auf dem das Dorf thront, erzählt er, dass er Urlaub nicht nötig habe. „Erholung finde ich hier genug.“ Raynal holt weit mit den Armen aus, als wolle er die verträumte Landschaft mit ihren sanften Hügeln umschlingen. Walnussbäume, deren Zahl in den letzten Jahren wieder gestiegen ist, gehören zum Bild der Corrèze und der benachbarten Departements Lot und Dordogne, die der gleichnamige Fluss verbindet. Manche Orte wie Branceilles sind fast komplett von Walnussbäumen umgeben. „Früher stand in jedem Garten ein Walnussbaum“, erinnert sich Monsieur Raynal. Weil sich die heutigen Bewohner dieser stillen Ecke Frankreichs dieses Erbes bewusst sind, haben sie vor einigen Jahren das AOC-Siegel eingeführt, das Qualität, Herkunft und traditionellen Anbau der Walnüsse garantiert.

Auch die noch ziemlich neue „Route de la Noix“ ist diesem Traditionsdenken zu verdanken. Die Strecke führt zu Walnussbauern und Märkten, zu Ölmühlen und Restaurants, in denen mit Walnüssen gekocht wird. Aber auch sehenswerte Orte liegen an der Nuss-Straße. In Collonges-la-Rouge, das seinen Namen dem roten Sandstein verdankt, mit dem die Häuser des historischen Dorfes gebaut worden sind, erfährt der Reisende in Sachen Nuss, dass der Ort die Heimat der dicken Marbot ist. Diese Walnuss-Sorte zeichnet sich durch frühe Reife aus, das bedeutet: Man kann ihren Kern ungetrocknet verzehren. Die dicke Marbot schmeckt zum Aperitif, aber auch im Salat. Aus den anderen Walnuss-Sorten, die selbst geknackt werden, machen Bauern wie Philippe Leymat Öl und Honig, Likör und Wein. „Unsere Walnüsse waren schon immer Be-standteil der Küche“, weiß Madame Raynal, die mit ihrem Mann auch eine kleine Pension mit Restaurant betreibt. Sie verwendet die Walnüsse gerne zur Verfeinerung von Soßen.

Gutes Essen und Getränke gehören zur Kultur

Nach Kalbfleisch in Nussweinsoße reicht die Köchin aus Leidenschaft eine Nuss-Tarte, nach der man einen Nuss-Digestif kaum ausschlagen wird. Der kommt in der Corrèze aus dem Hause Denoix (ein Name, der kaum einen anderen Beruf zuließ). In der Traditionsdestillerie in der Provinzhauptstadt Brive-la-Gaillarde reift der Saft der ausgepressten, frischen Nüsse für das „Eau de Noix“ fünf Jahre im Eichenfass. Chefin Sylvie Denoix, die ihre Walnüsse übrigens bei Philippe Leymat einkauft, sagt, als sei es das Selbstverständlichste der Welt: „Gutes Essen und gute Getränke gehören bei uns eben zur Kultur.“ Dass man Tradition in der Corrèze nicht nur schmecken kann, demonstriert Rémy Valeille. Der junge Mann, dessen Vater in der Maison Mourigal am Markt von Meyssac legendäre Walnusskuchen backt, hat sein Biologiestudium hingeschmissen, weil ihn die Heimat nicht losließ. Nun arbeitet er als Müller auf einem Lehrbauernhof, wo er eine wasserbetriebene Ölmühle restauriert hat. „Die Beschäftigung mit alten Dingen fasziniert mich.“ Er ist nicht der einzige in dieser Gegend. Auch Jean-Luc Casta­gné presst in seiner alten Mühle vor den Toren des hübschen Städtchens Martel regelmäßig Walnusskerne.

Samstags darf man dem alten Herrn über die Schulter schauen und danach nicht nur das Öl, sondern auch seinen nicht minder schmackhaften Nusswein kosten. An den stillen Ufern der Dordogne in der Corrèze, einige Dutzend Kilometer von touristischen Destinationen wie Sarlat-la-Canéda und prähistorischen Stätten wie Lascaux entfernt, finden sich historische Ortschaften, die sich im bäuerlichen Umland zu verstecken scheinen wie die Walnusskerne in der schützenden Hülle. Beaulieu-sur-Dordogne mit seiner Kathedrale, die viel zu groß für den kleinen Ort anmutet, oder Turenne, dessen Burg über der Altstadt von der Geschichte dieses lange unabhängigen Mini-Fürstentums erzählt, sind lohnenswerte Etappen auf der Entdeckungsreise durchs Walnussland.


Anreise
Die Corrèze liegt im Süden der Region Limousin. Erreichbar ist sie über die A 20 (Paris-Orléans-Li­moges) oder die A 89 (Lyon-Zentralmassiv).

Allgemeine Informationen
Comité Départemental du Tourisme de la Corrèze, 45, quai Aristide Briand, F-19000 Tulle, www.vacances-en-correze.net

Übernachten
Le Manoir de Beaulieu, Drei-Sterne-Hotel und Restaurant in Beaulieu, www.hotelmanoirdebeaulieu.com, (DZ ohne F ab 73 Euro);

Les Flots Bleus, Zwei-Sterne-Hotel und Restaurant am Ufer der Dordogne in Beaulieu, hotel-flotsbleus.com (DZ/F und Dordogne-Blick 95 Euro).

Walnüsse
In der Corrèze und den Nachbar-Departements gibt es vier Nussrouten - alle auch mit dem Rad befahrbar und gut ausgeschildert. In Saillac findet am 6./7. Oktober das „Fête de la Noix“ (Nussfest) statt. Ferme du Père Louis in Branceilles (Walnusserzeugnisse); Destillerie Denoix, Boulevard Maréchal Lyautey in Brive-La-Gaillarde, www.denoix.fr

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